Sky Experte Lothar Matthäus schildert in seiner Kolumne "So sehe ich das" seine Eindrücke von der USA-Reise der Münchner. Dabei nimmt er den neuen Bayern-Coach genauer unter die Lupe.
Wir Deutschen versuchen Dinge oft gleich schnell zu kritisieren und viel zu schlecht zu sehen. Aber eins vorab: Eine solche Marketingreise zählt heutzutage einfach dazu, um sich im Markt zu positionieren. Die Bayern wissen, dass so eine Reise wichtig ist - aus sportlicher Sicht und aus wirtschaftlichen Gründen.
Der Trainer hätte allerdings sportlich gesehen eine andere Form der Vorbereitung bevorzugt - am liebsten mit allen Spielern gleichzeitig und nicht nur in kleinen Gruppen trainiert. Aber die Stimmung und die ganze Organisation waren sehr gut. Und nicht nur die Sponsoren waren positiv angetan, auch die vielen Bayern-Fans in Nordamerika waren begeistert, ihre Stars fast hautnah zu erleben. Die Vermarktung und die Präsentation waren sehr professionell und sehr erfolgreich.
Kovac arbeitet akribisch und intensiv
Auch ich als Bayern-Botschafter war die Zeit über mit Terminen bei Fernsehanstalten und Zeitungen sehr beschäftigt. Aber ich habe mir die Auftritte der Mannschaft gegen Juventus Turin und Manchester City genau angeschaut. Gegen Juve haben die Bayern ein sehr gutes Spiel gezeigt, trotz der Niederlage (0:2), gegen Manchester (2:3) war die Offensive stärker als die Defensive. Es ist dennoch schwer zu beurteilen, weil viele Leistungsträger nicht anwesend waren.
Eins ist mir aber aufgefallen: Niko Kovac arbeitet sehr akribisch und intensiv. Es war für ihn sehr problematisch, da die Hälfte der Mannschaft gar nicht dabei war - vor allem die wichtigen Spieler fehlten. Aber das ist nach einer Weltmeisterschaft nichts Ungewöhnliches - es klagt seitens der Bayern auch keiner.
Kovac probiert mehrere Spielsysteme aus
Es bot Kovac auf der anderen Seite eine perfekte Möglichkeit die jungen Spieler zu testen und ihnen die Chance zu geben sich zu präsentieren. Und so wie ich Niko kenne, nimmt er aus allem wichtige Eindrücke mit - im Positionsspiel, im Spielsystem und in den einstudierten Trainingselementen. Gegen Manchester City ließ Kovac im 4-4-2-System spielen, aber auch im 4-4-1-1 mit Franck Ribery auf der Zehn. Kovac versucht viele Systeme auszuprobieren.
Zu den Personalien: Bayern München hat zum Thema Robert Lewandowski klar Stellung bezogen. Und wenn Bayern München etwas sagt, dann ist es im Endeffekt auch so, wie sie es sagen. Meiner Meinung nach werden sie Lewandowski nicht ziehen lassen, weil auch kein gleichwertiger Ersatz da ist.
Niko Kovac plant mit ihm, der FC Bayern plant mit ihm. Der FC Bayern hat Ziele - sie wollen nach Aussagen von Karl-Heinz Rummenigge an die Saison 2013 anknüpfen, die mit dem Champions-League-Titel gekrönt wurde. Er hat noch drei Jahre Vertrag und Verträge sollten respektiert und akzeptiert werden. Das Thema ist in der Chefetage schon seit Wochen abgeschlossen.
Vidal und Thiago könnten Bayern verlassen
Etwas anders sieht es im Fall Jerome Boateng aus. Der FC Bayern hat seine Gesprächsbereitschaft bereits signalisiert. Und Boateng selbst hatte geäußert, dass er sich einen Wechsel ins Ausland vorstellen kann. Und ich weiß auch, dass Paris St. Germain einen Innenverteidiger sucht. Paris müsste meiner Meinung nach allerdings 60 oder 70 Millionen Euro auf den Tisch legen, um ihn an die Seine zu locken.
Auf den offensiven Außenpositionen sehen ich beim FC Bayern keinen Handlungsbedarf. Spekulationen über ein mögliches Interesse an Dortmunds Christian Pulisic wurden in den letzten Wochen laut, aber mit Serge Gnabry, Kingsley Coman, Arjen Robben und Franck Ribery haben die Bayern hervorragende Flügelspieler. Aber keine Frage, Pulisic ist ein interessanter Spieler, aber nicht nur für die Bayern. Auch andere Topvereine zeigen ihr Interesse. Aber ich glaube, die Planungen der Bayern auf den Außen sind abgeschlossen.
Auf den zentralen Positionen kann ich mir durchaus noch Veränderungen vorstellen. Aber es hängt natürlich auch immer davon ab, ob es Angebote für die Spieler gibt. Arturo Vidal und Thiago wären für mich die ersten Kandidaten, die den FC Bayern noch in dieser Sommertransferperiode verlassen könnten. Javier Martinez und James Rodriguez wird man nicht gehen lassen.
Rekordnationalspieler und Sky Experte Lothar Matthäus analysiert jede Woche exklusiv auf skysport.de in seiner Kolumne "So sehe ich das" aktuelle Themen aus der Bundesliga und der Fußballwelt.