Rekordnationalspieler und Sky Experte Lothar Matthäus analysiert jede Woche exklusiv in seiner Kolumne "So sehe ich das" aktuelle Themen der Fußballwelt auf skysport.de. In dieser Woche beschäftigt er sich mit dem Aus von Niko Kovac und der Trainerfrage beim FC Bayern.
Die Entlassung von Niko Kovac kam für mich nicht überraschend. Es wurde nicht nur in den letzten Wochen, sondern im Grunde von Anfang an über ihn diskutiert. Niko wurde quasi permanent intern in Frage gestellt.
Fehlende Rückendeckung des Klubs
Die volle Rückendeckung, die ein Trainer vom gesamten Klub benötigt, war so gut wie nie vorhanden. Im Nachhinein muss man sagen: Es war nie die große Liebe zwischen Kovac und dem FC Bayern, wie es das mit Hitzfeld, Heynckes oder zu Beginn mit Guardiola war. Man hat es versucht, man kam zusammen, hatte auch Erfolg und nun musste man sich eben trennen.
Es ist mir aber viel zu einfach, alles auf den Trainer zu schieben, wenngleich natürlich auch Niko sich einiges ankreiden lassen muss. Aktuellstes Beispiel war für mich die Aufstellung in Frankfurt. Die hätte viel klarer, strukturierter und logischer sein müssen. Gegen ein körperlich und fußballerisch starkes sowie charakterlich hervorragendes Team aus Frankfurt, vor einer solch tollen Kulisse, hätte ich unbedingt mit Kimmich, Pavard, Boatang und Alaba hinten begonnen.
Davies ist jung und unerfahren und hat ein paar Tage zuvor ein Eigentor erzielt, was sicherlich nicht für mehr Selbstvertrauen sorgt. Zentral vor der Abwehr stelle ich Martinez als klare und gelernte Nummer sechs und Thiago auf. Gnabry rechts, Coman links, Lewandowski im Sturm und Müller hinter dem Polen. In Frankfurt brauche ich Mentalität, Aufopferung, Laufbereitschaft und Räume für Lewy.
Kovac hat auch Fehler gemacht
Deshalb Müller statt Coutinho. Die unglücklichen Aussagen der letzten Wochen, die unbefriedigenden Auftritte gegen Hoffenheim, Piräus, Augsburg, Union und die Klatsche in Frankfurt haben zur logischen Entlassung von Niko Kovac geführt.
Niko ist ein fleißiger, aufrichtiger, ehrlicher und richtig guter Trainer, der aber auch Fehler gemacht hat. Seine ehrlichen, aber leider unglücklichen Aussagen der letzten Wochen, sowie die Aufstellung in Frankfurt, haben einen großen Teil zu dieser Entscheidung beigetragen.
Nach der Rückrunde der letzten Saison dachte ich mir noch, dass er für viele Jahre der Bayern-Trainer sein könnte. Es hat mir imponiert, wie er gekämpft hat, neun Punkte auf den BVB aufgeholt wurden und das Double am Ende nach München ging. Er hat seinen Chefs gezeigt, dass er Titel kann.
Nach dem 7:2 bei Tottenham hatte man den Eindruck, dass dies der endgültige Durchbruch bei den Bayern war. Mit dieser Gala schien er endgültig angekommen zu sein. Aber dann ist irgendwas in den letzten Wochen passiert, sodass das Aus in der Konsequenz richtig war. Es war ein Gentleman-Agreement, wie es ein Niko Kovac verdient hat und bei dem keiner das Gesicht verliert. Bei Nikos Qualitäten bin ich davon überzeugt, dass er bald wieder tolle Angebote bekommen wird und wir ihn zeitnah auf einer Trainerbank sehen werden.
Kovac bekam Coutinho statt Werner oder Rebic
Zu seinem Schutz muss auch gesagt werden, dass er wohl nie die Spieler bekommen hat, die er gewollt und für sein Spiel gebraucht hätte. Ich denke da an Rebic oder Timo Werner. Diese Typen wären seiner Art von Fußball viel mehr entgegengekommen als Coutinho. Man kann nicht verlangen, dass jeder Spieler sofort das Bayern-Gen in sich trägt, aber bei ihm sehe ich bis zum jetzigen Zeitpunkt diese Eigenschaft noch nicht.
Das ist mit Sicherheit ein ganz feiner Fußballer. In der brasilianischen Nationalmannschaft oder bei Liverpool hat er das oft bewiesen. Aber ich habe meine Zweifel daran, ob er der Bayern-Spieler ist. Und Timo Werner hätte man übrigens für 30 Millionen Euro von Leipzig bekommen. Aber vom ihm war man offensichtlich nicht hundertprozentig überzeugt. Schade!
Nun also macht es also vorerst Hansi Flick. Er ist ein ganz feiner Kerl. Ich habe früher mit ihm bei Bayern gespielt, neben ihm in München gewohnt und ihn als Co-Trainer in Salzburg täglich bei der Arbeit erlebt. Akribisch, detailversessen, ein Kumpel-Typ zu den Spielern und hoch professionell in seiner Arbeitsweise. Es würde mich nicht überraschen, wenn er seine Chance nutzt.
Bayern stehen in Trainerfrage vor Grundsatzentscheidung
Allerdings glaube ich, dass Bayern einen Trainer sucht und präsentieren wird, der als Chef einen größeren Namen hat und mehr Titel vorweisen kann. Die gehandelten Namen sind dabei Jose Mourinho, Massimilano Allegri, Erik ten Hag, Ralf Rangnick und Arsene Wenger. Ganz ehrlich: Ich könnte sie mir alle beim FC Bayern vorstellen. Das sind tolle Namen, großartige Trainer und jeder bringt etwas sehr Interessantes mit.
Die Frage, die nur wenige beantworten können, lautet aber: Was will der FC Bayern? Wo will der deutsche Rekordmeister hin? Wofür wollen sie stehen? Welche Dinge möchten die Bosse auf dem Feld in Zukunft sehen? Mourinho würde ich ausschließen. Ich bewundere ihn und alles was er in der Vergangenheit mit vielen Vereinen erreicht und gewonnen hat. Aber ich glaube, dass sein Charakter und seine Arbeitsweise nicht zum FC Bayern passen und viel Unruhe herrschen würde. Spektakulär, vor allem für die Medien, wäre es aber allemal.
Wenger hätte einige Vorteile: Er könnte mit der großen Fraktion an französischen Spielern (ähnlich wie bei Arsenal) beim FC Bayern sowie mit allen Deutschen und den Bossen problemlos kommunizieren. Er ist zwar gerade 70 Jahre alt geworden, aber in einem ähnlichen Alter hat auch Jupp Heynckes die größten Erfolge gefeiert. Sicherlich wäre das keine Lösung für viele Jahre.
"Ten Hag kennt den FC Bayern"
Ralf Rangnick: Er hat zuletzt in Leipzig bewiesen, dass er eine perfekte Balance zwischen Defensive und Offensive herstellen kann. Sein Fußball ist attraktiv und erfolgreich. Ob in der Vergangenheit Dinge hängen geblieben sind zwischen Rangnick und Bayern, oder die RB-Vergangenheit für die Fans ein Problem ist, kann ich nicht beurteilen.
Massimiliano Allegri: Wenn die Bayern nicht unbedingt einen Trainer haben wollen, der deutsch spricht, wäre er für mich die spannendste Lösung. Ein großer Name, unglaublich erfolgreich mit Juventus Turin, ein Gentleman und Fußball-Fachmann der allerersten Kategorie und er könnte sich mit Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge problemlos auf italienisch unterhalten.
Erik ten Hag: Wenn es den Bossen wichtig ist, dass der Neue unsere Sprache spricht, wäre ich an erster Stelle für den Ajax-Coach. Sein Team spielt wunderbaren Offensiv-Fußball. Er hat in der letzten Champions-League Juve und Real verdient aus dem Wettbewerb geworfen und ist nur durch ein Wunder nicht ins Finale gekommen. Zudem hat er national schon einige Titel gewonnen. Ten Hag kennt den FC Bayern, weil er dort schon trainiert hat, ist 49 Jahre jung und könnte ein Mann für die Gegenwart und die Zukunft sein. Er hat Spieler wie de Jong oder de Ligt zur Weltklasse verholfen und eventuell im Winter zu haben.
Gegen Borussia Dortmund sitzt aber erstmal Flick als Chef auf der Bank und ich bin sicher, dass er die Mannschaft in den nächsten beiden Spielen top vorbereiten wird.