Der 1. FC Köln ist nach der Klatsche in Leipzig und dem Pokal-Aus beim FCK weiter in der Krise. Trainer Baumgart kritisierte seine Spieler zuletzt erstmals, aber auch der Coach ist nun in der Pflicht, etwas zu ändern, findet Sky Reporter Marlon Irlbacher.
Als Steffen Baumgart vor zehn Tagen nach dem gewonnenen Derby gegen Borussia Mönchengladbach (3:1) bei mir am Sky Mikrofon zu Gast war, freute er sich darüber, dass er viele Kritiker, die sich einen anderen, taktischen Ansatz von ihm wünschten, widerlegen konnte.
Das gewohnte 4-2-3-1 funktionierte wieder. Der Sieg gegen den ungeliebten, rheinischen Nachbarn sollte dem 1.FC Köln nach einer langen Durstrecke in der Bundesliga wieder die nötige Sicherheit zurückbringen. Doch darauf folgten ein 0:6-Debakel in Leipzig und das Aus in der 2. Runde des DFB-Pokals beim 1.FC Kaiserslautern. Mit 2:3 verlor die Baumgart-Elf auf dem Betzenberg, wurde erst nach den Einwechslungen von Marc Uth und Jan Thielmann offensiv aktiv, musste sich aber am Ende im Großen und Ganzen verdient geschlagen geben.
Zu viele Gegentore
Drei Gegentore bei einem Zweitligisten sind einfach zu viel und zeigen eines der größten Probleme der Mannschaft: Das Team bekommt aktuell viel zu einfach Gegentore. Timo Hübers und Jeff Chabot schaffen es nicht, die gewünschte Stabilität ins Zentrum der Viererkette zu bekommen, Neuzugang Leart Paqarada scheint bei dem hohen Niveau der Bundesliga noch Eingewöhnungsprobleme zu haben und Benno Schmitz rennt seiner Normalform wie viele andere Spieler im Kader aktuell hinterher. Auch die Achse im defensiven Mittelfeld bestehend aus Eric Martel und Dejan Ljubicic harmoniert offensichtlich noch nicht erfolgreich als Bindeglied zwischen den Ketten.
In der Offensive trifft Stürmer Davie Selke aktuell nicht mehr und auch Luca Waldschmidt, Kapitän Florian Kainz, Linton Maina und Co. kommen nicht auf Scorer-Statistiken - mit Ausnahme vom Derby gegen Mönchengladbach - die man von ihnen erwarten könnte.
Der Mannschaft fehlt in dieser Saison in beiden Bereichen - sowohl offensiv als auch defensiv - noch die Selbstverständlichkeit im Spiel und nach den Abgängen von Ellyes Skhiri und Jonas Hector sicher auch die Qualität. Zu viele individuelle Fehler schleichen sich zudem immer wieder ein und oft fehlt Köln auch einfach das letzte Quäntchen Glück in den entscheidenden Aktionen.
Taktisches Umdenken unumgänglich
Viele Fans Fragen sich deshalb: Warum passt Steffen Baumgart gegen vermeintlich stärkere Gegner nicht die Taktik an, spielt vielleicht mal mit einer Fünferkette ohne Ballbesitz, bzw. einer Dreierkette in Ballbesitz, um für Stabilität zu sorgen? Baumgart ist dafür bekannt, nicht von seiner taktischen Marschroute abzuweichen.
Vor allem die jüngsten Ergebnisse gegen Bayer Leverkusen (0:3) und RB Leipzig (0:6) zeigen aber, dass ein taktisches Umdenken unumgänglich scheint und der Mannschaft die nötige Sicherheit in der Defensive zurückgeben könnte. Zumindest den Versuch, mal etwas anderes zu probieren, würden viele Anhänger des Vereins mittlerweile schon begrüßen.
Für Furore sorgte zu Beginn der Woche auch der Auftritt des Trainers auf der Pressekonferenz vor dem DFB-Pokalspiel beim 1. FC Kaiserslautern. Nachdem Baumgart die Körpersprache seiner Mannschaft beim Auswärtsspiel in Leipzig vehement in Frage stellte, gingen viele Journalisten - ehrlicherweise auch ich - davon aus, dass der Coach die ein oder andere Änderung in der Startelf in Kaiserslautern vornehmen wird und neuen Schwung ins Team bringt.
Nur eine Änderung nach Wutrede auf Pressekonferenz
Außer Schmitz, der für den erkrankten Rasmus Carstensen in die Anfangsformation rutschte, gab es aber keine weiteren Änderungen. Baumgart vertraute auf seine Elf aus dem Gladbach- bzw. dem Leipzig Spiel. Aber vielleicht ist gerade jetzt der Zeitpunkt gekommen, auch mal Spielern die Chance zu geben, die bisher eher außen vor waren. Diese haben den Kopf noch ein Stück weit frei, keine Niederlagenserie in den Beinen, wollen sich beweisen und sind mental vielleicht auch frischer.
Abwehrkante Luca Kilian schert mit den Hufen und brennt auf einen Startelfeinsatz. Marc Uth und Jan Thielmann drängen nach längeren Verletzungen zurück in die erste Elf. Und wenn man die Kölner Fanszene mal genau durchforstet, werden immer mehr Stimmen laut, die den aus dem Profikader verbannten Justin Diehl - dem riesiges Talent nachgesagt wird - in der ersten Mannschaft sehen wollen.
Zur Erinnerung: Diehl wollte seinen Vertrag beim 1.FC Köln vor Saisonbeginn nicht verlängern und verärgerte damit die Vereinsführung, die den jungen Spieler behutsam aufbauen und in den Profikader integrieren wollte. Seitdem spielt Diehl in der U21 des Vereins, erzielte in 13 Spielen in der Regionalliga West 7 Tore und hat noch einen laufenden Vertrag bis zum kommenden Sommer.
Persönliche Befindlichkeiten hinten anstellen
Vielleicht ist es für den 1.FC Köln nun an der Zeit, auch in so einem Fall persönliche Befindlichkeiten hintenanzustellen und nur noch den sportlichen Erfolg und den damit verbundenen Klassenerhalt in der aktuellen Spielzeit in den Vordergrund zu setzen. Nicht, dass die Verantwortlichen nicht immer im Sinne des Vereins handeln würden, aber die Begnadigung eines der größten Talente des Klubs könnte ja durchaus dazu beitragen, den Konkurrenzkampf im Team positiv anzuheizen.
Doch Talente hin oder her. Ich bin immer noch davon überzeugt: Die aktuelle Mannschaft hat das Zeug dazu, genügend Spiele in der Bundesliga zu gewinnen, um am Ende der Saison nicht auf einem Abstiegsplatz zu stehen. Sie muss aber endlich wieder das umsetzen, was der Trainer von ihr fordert und zur Konstanz zurückfinden. Wenn ein Team das mit dem vorgegebenen System seines Trainers aber nicht mehr schafft, ist es seine Aufgabe, eine Möglichkeit zu finden, das Fußballspielen für seine Mannschaft wieder einfacher zu machen.
Änderung wäre kein Schuldeingeständnis
Dazu können personelle Veränderung oder eine Systemumstellung gegen spielstarke Gegner beitragen. Und das wäre dann meiner Meinung nach auch kein Schuldeingeständnis Baumgarts oder irgendeine Art des Scheiterns, sondern ein Zeichen von Weiterentwicklung und damit verbundener Stärke. Denn Fakt ist: So sehr sie auch fehlen, Ellyes Skhriri und Jonas Hector werden in dieses System bekannter Weise nie mehr zurückkehren.