Jerome Boateng wechselte im Sommer nach zehn Jahren vom FC Bayern München zu Olympique Lyon. Dort haben die Fans große Erwartungen an den neunmaligen deutschen Meister. Mit Boateng will OL endlich wieder um Titel spielen. Der Start war vielversprechend.
Jerome Boateng war außer sich vor Wut und äußerte seinen Unmut verbal.
Beim Ligaspiel von Olympique Lyon bei Stade Rennes (1:4) nahm sich der ehemalige Bayern-Star Mitspieler und Kapitän Leo Dubois auf dem Platz zur Brust und geigte ihm offenkundig seine Meinung.
Dabei erwischte nicht nur der Rechtsverteidiger einen gebrauchten Abend. Die gesamte Lyoner Mannschaft enttäuschte. Auch Boateng. "Er spielte wie ein Geist und stand komplett neben sich", lautete das vernichtende Urteil der französischen Sporttageszeitung L'Equipe.
Boateng bei Olympique Lyon gesetzt
"Lyon hat gegen Rennes wie die Bayern im DFB-Pokal gegen Mönchengladbach gespielt. Alle Spieler waren entsprechend angesäuert und das Boateng dann Dubois angeschrien hat, wurde von den Fans eher positiv aufgenommen. Er darf sich das erlauben, er wollte damit ein Zeichen setzen", relativierte Sky Frankreich-Expertin Margot Dumont.
Denn vom Rennes-Spiel abgesehen läuft es für Boateng in Lyon sehr gut. Der 33-Jährige hat nach zehn erfolgreichen Jahren beim FC Bayern den Schritt in die Ligue 1. Unter OL-Trainer Peter Bosz ist Boateng in der Innenverteidigung gesetzt. Dass Boateng wegen häuslicher Gewalt und Beleidigung jüngst zu einer Geldstrafe in Höhe von 1,8 Millionen Euro in erster Instanz verurteilt worden ist, ist in Frankreich kein großes Thema.
"Jeder in Lyon war begeistert, als feststand, dass Boateng kommen würde. Er ist ein Topspieler und soll der neue Abwehr-Chef werden. Lyon hat seit Jahren eine wacklige Verteidigung. Mit Boateng soll das besser werden", blickte Dumont auf den Moment zurück, als sich der Innenverteidiger für den siebenmaligen französischen Meister entschied und einen Zweijahresvertrag unterschrieb.
Flick öffnet DFB-Tür für Boateng
Bisher kam der Weltmeister von 2014 in zehn Pflichtspielen zum Einsatz, neunmal stand er davon in der Startelf. Zusammen mit Jason Denayer bildet er beim Bosz-Team die Innenverteidigung. Der Ballbesitz lastige Fußball der Südostfranzosen kommt der Spielweise Boatengs entgegen. Gerade in der Spieleröffnung besticht er mit seinen gefürchteten langen Diagonalbällen.
"Boateng passt sehr gut nach Lyon. Er spricht viel mit den jüngeren Spielern und soll als eine Art Mentor für die Nachwuchstalente fungieren. Er besitzt aufgrund seines Charakters und seiner Erfolge viele Sympathien, alle haben einen Riesenrespekt vor ihm. Das habe ich schon lange nicht mehr in dieser Form bei einem neuen Spieler in Lyon gespürt", so Ligue-1-Expertin Dumont.
Die guten Leistungen Boatengs in Frankreich sind auch Bundestrainer Hansi Flick nicht verborgen geblieben. Der 56-Jährige, der Boateng selbst einen Wechsel nach Lyon empfohlen hatte, öffnete seinem ehemaligen Spieler bereits nach seinem Amtsantritt beim DFB die Tür zur Nationalmannschaft zurückzukehren. Vorgänger Joachim Löw hatte Boateng im Oktober 2018 aussortiert.
Lyon besitzt schlagfertiges Team
"Am Ende des Tages geht es um Leistung, die jeder bringen muss, um es sich zu verdienen, bei der Nationalmannschaft zu spielen", erklärte Boateng im Interview mit Sport1. Voraussetzung dafür sei allerdings, dass er selbst in guter körperlicher Verfassung in Lyon überzeugt. "Wenn es gut läuft, bekommt man vielleicht wieder eine Chance", ließ der 33-Jährige seine Comeback-Hoffnungen durchblicken.
Dafür muss er allerdings nach seinem ordentlichen Start bei OL weiter mit Konstanz überzeugen. Rennes soll ein Ausrutscher bleiben. Mit Spielern wie Xherdan Shaqiri, Moussa Dembele, Houssem Aouar, Lucas Paqueta oder Emerson besitzt Boateng in Lyon auf dem Papier qualitativ hochwertige Mitspieler, mit denen er hohe Ziele verfolgen kann.
In der Liga läuft das Bosz-Team als Siebter allerdings der Musik bereits hinterher. Nach 13 Spieltagen beträgt der Abstand zu Spitzenreiter Paris Saint-Germain bereits satte 15 Punkte. Dafür läuft es in der Europa League deutlich besser. Dort gewann OL alle seine ersten vier Partien in der Gruppe A mit Sparta Prag, den Glasgow Rangers sowie Bröndby IF.
Boateng soll Lyon zu Titel führen
"Die Fans erwarten gerade in den großen Spielen viel von der Mannschaft. Insbesondere auch von Boateng. Sie erwarten einen Anführer mit Siegermentalität. In der Europa League ist das Finale das Ziel und in der Liga will OL auch oben mitspielen. Boateng soll dabei helfen, endlich wieder einen Titel in die Stadt zu holen", beschrieb Sky Frankreich-Expertin Dumont die Ansprüche in Lyon.
Der Titel in der Europa League fehlt Boateng in seiner großen Trophäensammlung übrigens noch. Der zweimalige Champions-League-Sieger soll OL mit seiner Erfahrung und seiner Siegermentalität den Weg bis ins Endspiel ebnen.
Wenn es mal nicht so gut läuft, darf sich Boateng auch einen Wutausbruch erlauben und seinen eigenen Kapitän anschreien. Die Fans von Olympique Lyon verzeihen ihm das.