Sky Kommentator Florian Schmidt-Sommerfeld blickt in seiner Kolumne auf das Geschehen in der Premier League. In der neuen Ausgabe nimmt "Schmiso" den Endspurt im Titelkampf unter die Lupe.
Liverpool ist raus aus dem Titelrennen. Zum Abschied von Jürgen Klopp wird es keine legendäre Dreierjagd auf die Meisterschaft geben, die uns am letzten Spieltag auf drei Plätzen parallel fesselt. Was sich nach dem harten Last-Minute-Aus im FA-Cup gegen den alten Rivalen Manchester United ankündigte, sich beim Heim-Schock gegen Atalanta Bergamo verhärtete, ist seit der Niederlage ausgerechnet gegen den Stadtnachbarn Everton gewiss: Liverpool wird auf Platz drei einlaufen.
Das Remis gegen West Ham war der Sargnagel auf alle Titelhoffnungen. Nur ein Sieg aus den letzten fünf Spielen - eine Krise zur Unzeit, die sich die Reds im Titelrennen mit Arsenal und Manchester City schlicht nicht leisten dürfen. So hart ist die Premier League nunmal.
Die Gunners haben ein denkwürdiges Nord-London-Derby für sich entschieden. Im Tottenham Stadium! Eine echte Rarität: Es ist erst der zweite Auswärtssieg eines der beiden Teams in den letzten zehn Jahren in der Premier League. Wer nur die Ergebnisse gecheckt hat, wird zur Pause gedacht haben: Wow Arsenal! Spielen Tottenham mit 3:0 an die Wand. Ganz im Gegenteil! Tottenham war heiß, im Pressing richtig scharf, viel öfter im gegnerischen Strafraum, hatte zur Pause 72 Prozent Ballbesitz und die besseren Spielanlage. Aber der Fußball-Gott war so richtig in Gunners-Geberlaune: Zwei perfekte Ecken und ein idealer Konter, vor dem Tottenham mit etwas Glück einen Elfmeter hätte kriegen können.
Arsenal größte Hürde wird das Old Trafford sein
Gegen Romero rettet der Pfosten, gegen van de Ven die auf den Milimeter geeichte, kalibrierte Linie. Dass Rayas irrer Fehlpass und Rice' Tritt in Davies Allerwertesten (ja wirklich!) Tottenham am Ende nochmal bedrohlich auf 2:3 ranbrachte, wird am Ende nicht mehr ins Gewicht fallen. Die drei Punkte gehen an den Tabellenführer - auch das Loch von sieben Toren Vorsprung in der Tordifferenz wird Man City kaum noch zuballern können.
Wenn die Gunners ihre drei verbleibenden Spiele (zuhause gegen Bournemouth und Everton, auswärts gegen die Red Devils) gewinnen und City einmal Remis spielt, wäre Arsenal dank des Torhungers das erste Mal seit 20 Jahren Meister. Die größte Hürde wird das vorletzte Spiel im Old Trafford sein. Man weiß nie, was man von Manchester United bekommt. Und so hätte der Rekordmeister zumindest massiven Anteil an einer nächsten Manchester-Meisterschaft. Wenn auch mal wieder nicht der eigenen.
Das unterscheidet Arsenal & City von Liverpool
Arsenal hat den besten Mittelstürmer der letzten, im Titelkampf oft entscheidenden zwei Monate: Kai Havertz! Wer hätte die Wette im Sommer gewagt?! Der deutsche Nationalspieler legt als Neuner neuerdings messiesque Zahlen auf: Sieben Tore und fünf Vorlagen in seinen letzten acht Spielen als Mittelstürmer. Da hat einer seine Position gefunden. Und Mikel Arteta seine Sturmspitze für den Schlussspurt um die Krone - nach langer Suche mit Nketiah und Jesus. Keiner lieferte wie Havertz Masterclass. "60 million down the drain - Kai Havertz scores again" singen die Gunners-Fans längst nur noch ironisch und vielleicht auch leicht ungläubig.
Arsenal hat gegen Tottenham wieder (wie schon im direkten Duell mit City) maximale Resilienz gezeigt. Im Stil weit weg von Mikel Artetas Idealen: Viel zu wenig am Ball, kaum Kontrolle, quasi keine Passstafetten, schon gar nicht in der gegnerischen Hälfte. Wieder verteidigen die Gunners tief am eigenen Sechzehner und siegen im Stile eines Underdogs. Mit brutaler Effizienz, dank brutaler Klasse. Es ist genau dieser zweite und dritte Weg ein Spiel zu gewinnen, der Liverpool abgeht, wenn Plan A nicht greift.
Macht Tottenham die Gunners zum Meister?
Selbiges gilt für City. In Nottingham war der Titelverteidiger spielerisch nur am hohen Ballbesitz zu erkennen. Sonst ließ der Dreifach-Meister alles vermissen, was Guardiolas Mannschaft auszeichnet. Kreativität, Tiefe, klare Abläufe und das regelrechte Erdrücken des Gegners. Kevin De Bruyne musste die Skyblues auf seine Schultern packen und mit zwei genialen Vorlagen ins Ziel hieven. Würde Chris Wood "Erling Haaland" heißen, sprich dessen Eiseskälte im Abschluss haben - das Spiel wäre 2:1 für Nottingham geendet und niemand bei den Cityzens hätte sich darüber beschweren dürfen.
Aber dann würde dieser Chris... äh "Erling Haaland" eben für Manchester City und nicht Nottingham Forest stürmen und treffen. Insofern auch egal. Am Ende kann sich Pep Guardiolas Mannschaft eben wieder nur selbst stoppen. Es sei denn Tottenham tut es am 14. Mai im Tottenham Stadium. Und macht die Gunners so zum Meister. Viel hat ja nicht gefehlt und Tottenham hätte es gestern mit einem Last-Minute-3:3 genau andersherrum gemacht. Nur eins kann "Meistermacher Tottenham" nicht mehr tun: Liverpool zurück in den Titelkampf schießen.
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