Rudi Völler geht bei Bayer Leverkusen in den wohlverdienten Ruhestand. Der Weltmeister von 1990 prägte eine Ära beim Werksklub und spricht zum Abschied im Exklusiv-Interview mit Sky über seine Zeit bei Bayer, ein Angebot vom FC Bayern, seine neue Funktion als "Fan" und vieles mehr-
Sky Sport: Herr Völler. Am vergangenen Wochenende hat Bayer Leverkusen die Qualifikation für die Champions League in der kommenden Saison klar gemacht. Wie schön ist es für Sie, mit so einem Erfolg aus ihrer letzten Saison im Amt des Sportgeschäftsführers hinauszugehen?
Rudi Völler: Es ist ein wunderbarer Abschied. Da wir ja im DFB Pokal nicht ganz so erfolgreich waren, auch in der Europa League im Achtelfinale ausgeschieden sind, war es schon ein toller Abschluss, noch Dritter geworden zu sein. Wir sind also nicht nur in die Champions League gekommen, sondern haben einen dritten Platz hinter Bayern und Dortmund erreicht. Das ist für uns als Klub schon ein großer Erfolg und wir haben es uns auch verdient, muss man gerechterweise sagen. Zwischenzeitlich hatten wir immer mal wieder ein kleines Tief, aber im Großen und Ganzen - vor allem mit dem neuen Torrekord - haben wir es dann gut hinbekommen. Es ist eine tolle Geschichte.
Sky Sport: Am kommenden Wochenende steht das letzte Heimspiel der Saison für Bayer Leverkusen gegen den SC Freiburg an. Gleichzeitig ist es auch ihr letztes Heimspiel in aktueller Funktion. Hand aufs Herz: Wie emotional wird das noch einmal für Sie?
Völler: Das wird man dann sehen. Ich bin vieles gewohnt in diesem Medienzirkus, aber im Grunde freue ich mich natürlich auch, dass ich jetzt nochmal so einen Abschied bekomme, mit einem sportlichen Erfolg am Ende. Ich freue mich auch, dass es danach ein bisschen ruhiger um mich wird und ich ein bisschen mehr Zeit habe. Ich weiß ja, wie viele Jahrzehnte ich jetzt in ganz vielen Funktionen in diesem Fußballkreislauf bin. Ich war Spieler, Trainer, Sportdirektor und Geschäftsführer. Irgendwann ist es dann auch mal gut und es stand bei mir ja schon seit knapp zwei Jahren fest, dass es dann am Wochenende vorbei sein wird. Da wird aber sicher auch ein bisschen Wehmut mit dabei sein. Aber im Großen und Ganzen freue ich mich darauf.
Sky Sport: Ich habe mir sagen lassen, nach dem Spiel wird es aber nicht so ruhig, da könnte noch mal ein bisschen gefeiert werden. Haben Sie spezielle Gäste eingeladen? Ist irgendwas geplant?
Völler: Ja, das wir haben wir. Wir feiern natürlich im Stadion, am Abend dann auch mit allen Mitarbeitern von Bayer Leverkusen. Wie viele andere Clubs haben wir uns in den letzten 20 Jahren fast verzehnfacht, was die Mitarbeiter anbetrifft. Viele sind mir total ans Herz gewachsen und natürlich sind auch ein paar enge Freunde eingeladen, die kommen werden - ohne jetzt Namen zu nennen, das wird man dann sehen. Wir werden es uns richtig gut gehen lassen.
Sky Sport: Sie werden dem Verein in anderer Funktion erhalten bleiben und in den Aufsichtsrat wechseln. Ändert das irgendwas für Sie in Sachen Leidenschaft in Bezug auf Bayer Leverkusen?
Völler: Wenn man so lange mit diesem wunderbaren Verein zusammengearbeitet hat, dann liebt man das auch alles. Dann liebt man auch nicht nur den Club, sondern auch die Verbindung zu der Bayer AG, wo ich alle Beteiligten und Verantwortlichen seit vielen Jahren kenne. Ich werde weiterhin in anderer Funktion dabei sein. Nicht mehr im operativen Geschäft, aber im Aufsichtsrat, im Wirtschaftsausschuss und da versuchen mitzuhelfen, dass wir weiterhin erfolgreich sind. Ich möchte dort eine Schnittstelle zur Bayer AG sein und den Verein natürlich auf eine andere Art und Weise unterstützen. Natürlich nicht mehr in den wichtigen Entscheidungen und auch nicht mehr jeden Tag, aber ich bin weiterhin absoluter Fan und werde alles dafür tun, dass wir irgendwann mal wieder was in der Hand halten können. Das haben wir schon lange nicht gehabt, das ist schon sehr, sehr lange her. Eigentlich zu lange. So ein kleiner Titel, der würde uns gut tun.
Sky Sport: Wird der Fan Rudi Völler bei den Spielen von Bayer Leverkusen ein anderer sein?
Völler: Wenn dein Herz an dem Verein hängt, dann wirst du natürlich auch mitfiebern. Vielleicht auch mal vor dem Fernseher, denn bei Auswärtsspielen werde ich dann seltener oder fast gar nicht dabei sein. Die Heimspiele werden ich besuchen und da bin ich natürlich genauso, wie ich jetzt auch immer war. Ich werde mich ärgern, wenn wir ein Tor kassieren und mich freuen, wenn wir ein Tor schießen. Ab und zu werde ich mich auch über Schiedsrichter ärgern, da kenne ich mich auch gut, aber ich glaube schon, dass ich mit der Zeit auch ein bisschen softer werde, nicht mehr ganz so extrem wie in letzten Jahren.
Sky Sport: Haben Sie sich schon mal mit diesem neuen Alltag, der dann kommt, befasst? Gibt es irgendwelche Dinge, wo Sie sagen: Ja, das wollte ich immer schon mal machen, da hatte ich nie Zeit für?
Völler: Also ich bin nicht einer dieser Typen, der jetzt Wochen oder Monate vorher plant. Man hat ja immer vieles vor, will mehr Sport machen, mehr Zeit für die Familie haben, ein paar Kilo abnehmen oder ein gutes Buch lesen. Man sagt immer sehr viel, wenn der Tag lang ist. Ich lasse das alles auf mich zukommen. Ich möchte dann auch ein bisschen "switchen". Ich sage immer, ich bin ein halber Römer. Ich bin ja auch mit einer Römerin verheiratet. Wir sind ab und zu auch in den vergangenen Jahren in Rom gewesen und wollen bald gerne noch ein bisschen öfter dort sein. Dort kann man es auch gut aushalten.
Sky Sport: Sie haben ihre Karriere als Profifußballer 1996 bei Bayer beendet, nun beenden Sie ihre Karriere im operativen Geschäft auch hier. Welches Karriereende ist ihnen schwerer gefallen und wieso?
Völler: Ich denke, dass das Karriereende als Spieler viel schwieriger war. Ich habe ja auch hier meine Karriere beendet , war damals 36 Jahre alt und hätte gerne noch ein oder zwei Jahre mehr rausgeholt, aber da hat das Knie nicht mehr so mitgemacht. Ich war auch ein bisschen müde. Man ist ja dann auch nicht mehr ganz so schnell am Ende seiner Karriere (lacht). Dennoch sage ich unseren Spielern hier auch immer, dass sie nicht so früh aufhören sollen, Profi zu sein. Es gibt nichts Schöneres, als dein Hobby zum Beruf zu machen. Das habe ich auch immer genossen. Fußballprofi zu sein ist das Schönste, was es gibt. Danach kamen auch die anderen Funktionen im Verein oder beim DFB, die auch sehr viel Spaß gemacht haben. Dahinter steckte aber natürlich viel mehr Verantwortung. Das ist als Spieler schon noch ein bisschen anders. Das Aufhören ist mir damals schwergefallen, aber jetzt am Wochenende - auch wenn eine gewisse Wehmut dabei ist - fällt es mir nicht schwer.
Sky Sport: Welche Entscheidungen als Sportchef waren die schwierigsten für Sie?
Völler: Wenn man so lange dabei ist, dann geht man mit unpopulären Entscheidungen auch vernünftiger um. Natürlich ist es schwierig, dem ein oder anderen Spieler zu sagen, dass sein Vertrag nicht verlängert wird oder einem Trainer mitzuteilen, dass man sich etwas früher trennen muss. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man aber auch nach solchen Entscheidungen ein gutes Verhältnis haben kann. Wenn man offen miteinander umgeht - und das habe ich immer gemacht - dann funktioniert das auch. Wenn es nicht passt, dann darf man nicht um den heißen Brei herumreden, sondern muss offen und ehrlich damit umgehen. Ich glaube, man kann alle Trainer fragen, mit denen ich hier gearbeitet habe. Die würden das genau so sehen.
Sky Sport: Gibt es einen Moment während ihrer Amtszeit, der Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben ist? Der vielleicht prägend war?
Völler: Schwer zu sagen. Natürlich gibt es immer Höhen und Tiefen. Wir haben keinen Titel zusammen gewonnen, haben aber in der Zeit mehr Spiele gewonnen, als verloren, was immer das Wichtigste im Fußball ist. Das tut schon mal gut. Natürlich gab es Siege, die toll waren und natürlich gab es auch mal ein paar Niederlagen, die wehgetan haben. Im Großen und Ganzen habe ich es immer akzeptiert. Das gehört zum großen Ganzen dazu, dass es auch mal Niederlagen gibt. Aber ich habe immer versucht, mit meiner Art und Weise alles dafür zu tun, dass der Verein gut aufgestellt ist, nicht nur sportliche Erfolge hat, sondern auch im In- und Ausland anerkannt ist. Ich glaube schon, dass man sagen kann, dass Bayer Leverkusen, anders als in den 80er und 90er Jahren, jetzt schon seit über 20 Jahren als absoluter Tobclub angesehen wird.
Sky Sport: Gab es mal einen Transfer, der nicht funktioniert hat und über den Sie sich so richtig geärgert haben?
Völler: Nein, eigentlich nicht (lacht). Ein Transfer ist meistens keine alleinige Entscheidung. Wir haben das immer gemeinsam im Paket gemacht und entschieden, den oder den zu holen. Vieles hat geklappt, einiges ging halt auch nicht, ob jetzt aus wirtschaftlichen Gründen oder weil sich ein Spieler für einen anderen Club entschieden hat. Auch das gehört zum Geschäft dazu, mal zweiter Sieger zu sein. Aber die guten Spieler haben wir fast alle bekommen.
Sky Sport: Sie hatten einmal die Möglichkeit als Sportvorstand zum FC Bayern München zu gehen. Das haben Sie damals abgelehnt. Rückblickend die richtige Entscheidung?
Völler: Eine Anfrage von Uli Hoeneß und Bayern München zu haben ist natürlich immer eine wunderbare Geschichte. Das ist nicht der Normalfall. Ich habe aber zu der Zeit schon so ein enges Verhältnis zu Bayer Leverkusen gehabt und auch das kann ich immer ganz gut einordnen. Ich hatte auch als Spieler viele Anfragen und auch, als ich kurz Trainer war hätte ich die Möglichkeit dazu gehabt irgendwo ins Ausland zu gehen und eine andere Mannschaft zu übernehmen. Das kam aber für mich nie in Frage. Ich war hier gut aufgehoben und wollte meinen Teil dazu beitragen, dass wir hier eine gute Rolle spielen. Ich habe mich über die Anfrage aber natürlich gefreut, da bin ich ganz ehrlich. Das tut ja gut, wenn man so eine Wertschätzung erhält, aber im Grunde war Bayer Leverkusen immer mein Verein.
Sky Sport: Wie sehen Sie Bayer Leverkusen für die kommenden Jahre aufgestellt?
Völler: Ich finde, wir sind top aufgestellt, aber dadurch hat man natürlich noch kein Spiel gewonnen. Wir sind dritter geworden, haben die Champions League erreicht und sind happy. Aber ich weiß auch von Simon Rolfes und Fernando Carro, dass die Planungen für die kommende Saison schon wieder laufen. Wir wollen uns weiter verbessern und ich freue mich auch, wenn wir mit mir in anderer Funktion noch erfolgreicher werden. Der Verein ist top aufgestellt, mit Fernando Carro als Quereinsteiger aus der freien Wirtschaft. Da waren viele in den ersten Monaten ein bisschen skeptisch, aber im Nachhinein hat sich die Entscheidung als echter Glücksgriff erwiesen. Mit Simon Rolfes hat er einen wunderbaren Partner an seiner Seite, der meine Rolle übernimmt. Auch Stefan Kießling macht einen tollen Job, arbeitet mir schon seit einigen Jahren zu und wird noch wichtiger werden innerhalb des Teams. Dann gibt es noch unseren Aufsichtsratsvorsitzenden Werner Wenning, zu dem ich schon seit Jahren ein sehr freundschaftliches Verhältnis habe. Wir diskutieren oft offen und direkt am Telefon. Auch in den vergangenen Tagen haben wir wieder darüber gesprochen, was wir im kommenden Jahr noch verbessern können.
Sky Sport: In der kommenden Woche macht Bayer Leverkusen zum Saisonabschluss noch eine Mexikoreise. Sie standen 1986 beim WM Finale im Azteken Stadion in Mexiko auf dem Rasen. Wenn Sie jetzt so zurückkehren, was macht das mit Ihnen? Ist es etwas Besonderes, dann nach Mexiko zurückzukommen?
Völler: Auf jeden Fall. Für mich ist Mexiko - nicht nur wegen der WM von 1986 - besonders. Ich finde, es gibt mittlerweile auch in Europa und hier in Deutschland wunderbare Stadien, aber für mich ist das Azteken Stadion mit Abstand immer noch das schönste Stadion der Welt. Das Stadion gibt es schon seit knapp 60 Jahren. Es ist zwar etwas in die Jahre gekommen, hat aber eine wunderbare Struktur. Die Architektur ist sensationell. Das Endspiel fand ja damals auch vor knapp 110.000 Zuschauern statt. Da bin ich immer wieder gerne. Als ich meine Karriere als Spieler beendet hatte, haben wir danach auch noch eine Mexiko Reise gemacht. 1986 habe ich mit Egidius Braun und Franz Beckenbauer ein Waisenhaus in Queretaro besucht. Dort haben wir damals auch Vorrundenspiele gehabt. Da werde ich jetzt auch wieder für den DFB hingehen und ein paar Dinge mitbringen. gerade weil der Egidius Braun ja vor kurzem gestorben ist. Ich freue mich sehr darauf.
Sky Sport: Rudi Völler, wir wünschen Ihnen alles Gute für die Zukunft! Bleiben Sie gesund und weiterhin viel Erfolg!
Das Interview führte Marlon Irlbacher