Die Saison des SC Freiburg könnte bislang kaum besser laufen. Vor Beginn des 7. Spieltags lagen die Breisgauer auf dem 2. Platz -vor Rekordmeister Bayern München. Sky Reporter Dennis Bayer hat sich von Ex-Präsident Fritz Keller die Erfolgsfaktoren genauer erklären lassen.
Für einen neutralen Fußballbeobachter irgendwo in Deutschland müsste der SC Freiburg eigentlich ein stinklangweiliger Klub sein. Der Verein aus Südbaden produziert keine Skandale, er kauft keine großen Stars, er gibt keine utopischen Saisonziele aus aber zittert auch nicht vor dem Abstiegskampf.
Er tauscht nicht mal hin und wieder seinen Trainer oder seinen Vorstand aus, wie es bei fast jedem anderen Fußballklub ständig der Fall ist. Aber genau diese Tatsachen machen den SC dann doch interessant und besonders. Diese Weigerung, sich den "Mechanismen des Fußballgeschäfts" zu unterwerfen sorgen für genau die Kontinuität, die bei allen anderen Bundesligavereinen immer eingefordert, aber fast nie erreicht wird. Aber warum funktioniert das im Breisgau so viel besser als im Rest der Republik?
Die offensichtlichen Erfolgsfaktoren
Bei meiner Suche nach dem Geheimnis der Freiburger Kontinuität rücken zuallererst zwei Namen in den Fokus: Jochen Saier - seit über 20 Jahren hauptamtlich beim SC Freiburg und seit knapp 10 Jahren Sportdirektor, beziehungsweise Sportvorstand - und Oliver Leki, seit 2013 beim Sportclub als Geschäftsführer, beziehungsweise Vorstand für Finanzen. "Die beiden sind ein Glücksfall für den SC Freiburg. Das sind zwei Menschen, die den Verein verinnerlicht haben und genau wissen, was für ein Schatz dieser Verein ist", sagt Ex-Präsident Fritz Keller über die beiden Vorstände.
Dabei steht für Keller nicht nur ihre fachliche Kompetenz im Vordergrund, sondern vor allem ihre Art zu denken und zu handeln: "Nicht wie CEOs von Kapitalgesellschaften, die sehr oft immer nur in Quartalen oder bis zum nächsten Abschluss denken, sondern sie denken an morgen, aber vor allen Dingen an übermorgen."
Der Klub muss mit der Zeit gehen
Für Keller bedeutet "an morgen denken" auch, sich immer wieder selbst zu hinterfragen und Prozesse zu ändern. Auch und gerade dann, wenn gerade alles gut zu laufen scheint. "Wenn man nichts macht, macht man keine Fehler. Aber nichts ist schlimmer, als einen alten Zustand zu bewahren und sich nicht zu verändern. Wenn du dich nicht veränderst, dann wirst du irgendwann mal weg sein vom Fenster. Und deshalb ist ein professionelles Reformbedürfnis für jeden Betrieb wichtig - sich an die Zeit anzupassen, an den Markt anzupassen. Und das gelingt dem SC Freiburg anscheinend."
Neben Weitsicht und Veränderungsbereitschaft nennt Fritz Keller noch einen dritten Grund für die Kontinuität und den Erfolg des SC Freiburg: Standhaftigkeit in den eigenen Überzeugungen. "Man muss auch in den Führungsebenen Mut haben, wenn es mal nicht so läuft", so der Ex-Präsident am Sky Mikro. "Gerade hinstellen und nicht jedes Mal den Trainer entlassen, nachdem er dreimal verloren hat, obwohl man weiß, dass er eigentlich eine gute Arbeit in der Vergangenheit gemacht hat. Das hilft nichts. Das ist nur etwas für schwache Führungsebenen, die natürlich aufgrund der Medienlandschaft dann ein bisschen Gegenwind kriegen. Das ist ja auch ein bisschen Hollywood. Aber dann muss man halt mal einstecken können und geradestehen."
Der wahre Grund für den Erfolg
Ich habe mich mit Fritz Keller in seinem Büro über dem Hotelrestaurant "Schwarzer Adler" etwa eine halbe Stunde bei laufender Kamera und danach noch einige Zeit "off-the-records" unterhalten. Ich könnte in diesem Artikel noch viele weitere Punkte aufzählen, die den nachhaltigen Erfolg des SC Freiburg erklären: Die Qualität von Christian Streich, die Verwurzelung der Angestellten (fast alle aus Freiburg und Umgebung), Purpose Führung, und, und, und. Je länger wir gesprochen haben, desto klarer wurde mir aber, dass Fritz Keller mir das wahre Erfolgsgeheimnis nicht verraten hat.
Höchstwahrscheinlich, weil es ihm selbst gar nicht mehr auffällt: In Freiburg reden sie nicht nur über Kontinuität und langfristige Entwicklung, sondern haben diese Tugenden in ihrem tiefsten Inneren verankert. In der Denkweise des Vereins geht es in erster Linie nicht um die Maximierung von Erfolg, sondern darum, dass Freiburg-Fans "später als Großeltern mal mit ihren Kindern genauso noch zum Verein halten".
Bescheidenheit als Erfolgsrezept?
Es geht darum, dass für Christian Streich nicht die Fußballer im Vordergrund stehen, sondern die Menschen, die in den Trikots stecken. Es geht darum, dass ein sportlich erfolgreiches Jahr nicht bedeutet, näher an der Meisterschaft zu sein, sondern "dass es wieder ein Jahr wurde, in dem du etwas zurücklegen kannst und etwas aufbauen kannst".
All diese Sätze hat Fritz Keller nicht als markige, medienwirksame Zitate verpackt, sondern wie selbstverständlich als Nebensatz in ausführlichere Erklärungen eingestreut. Für mich ist das der wahre Grund, warum in Freiburg trotz Tabellenplatz zwei niemand die Worte "Champions League" in den Mund nimmt. Nicht, weil sie das nicht wollen, sondern weil die DNA des Vereins diese Denkweise nicht zulässt.
Ein markiges Zitat, das diese These stützt, hat Fritz Keller am Ende unseres Gesprächs dann doch noch parat: "Mit Understatement ist nie Schluss. Nie im Leben! Weil auch als etwas älterer Mensch weiß man, dass man immer noch weiter lernt, jeden Tag. Und dass immer etwas Neues kommen kann, mit dem du gestern nicht gerechnet hast. Deshalb ist Bescheidenheit, Zurückhaltung und Understatement das Wichtigste, was einen im Leben begleiten soll."
Ich bin mir sicher: Für jeden, der spektakuläre Geschichten und offensiv formulierte öffentliche Aussagen erwartet, wird der SC Freiburg weiter der langweilige Bundesligaverein aus Südbaden bleiben. Und genau das macht ihn so spannend.
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