Mit einem erfahrenen Trainer und vier Zugängen wollte der FC Schalke 04 im Winter die Hoffnung auf den Klassenerhalt neu entfachen. Allerdings mündet die anfängliche Euphorie in Ernüchterung. Sky Sport zieht eine Zwischenbilanz.
SEAD KOLASINAC
Zweifellos der spektakulärste Coup in der Ära von Noch-Sportvorstand Jochen Schneider. Die am Silvestertag verkündete Rückkehr löste bei den Anhängern ein lang vermisstes Hochgefühl aus. Beim Comeback des Publikumslieblings gab es direkt einen 4:0-Sieg gegen Hoffenheim, der Ex-Schalker Mesut Özil schrieb prompt vom "Kolasinac-Effekt". Lange hielt die Wirkung allerdings nicht an.
Kolasinac geht mit seiner körperlichen Wucht und Mentalität voran und ist mittlerweile auch Kapitän, doch die anfängliche Skepsis scheint sich zu bestätigen: Als Linksverteidiger ist sein Einfluss auf die Mannschaft als Motivator begrenzt. Trainer Christian Gross äußerte zwar zu Beginn die Idee, den Bosnier auch mal im Zentrum einzusetzen, setzte diese in der Praxis aber nie um.
KLAAS-JAN HUNTELAAR
Statt mit Ajax um die Meisterschaft zu spielen und im Sommer seine Karriere zu beenden, entschied sich der Sturm-Oldie für die Rettungs-Mission auf Schalke. Der Plan war klar: Mit seiner geballten Erfahrung sollte der 37-Jährige als Mentor für Youngster Matthew Hoppe fungieren und dazu mit möglichst vielen Toren helfen, die Knappen vor dem Absturz in die Zweitklassigkeit zu bewahren.
Die Realität: Ein zehnminütiger Einsatz gegen Bremen sowie eine Gelbe Karte - die Rückkehr des Niederländers hat sich bislang überhaupt nicht bezahlt gemacht. Nach anfänglichen Wadenproblemen fällt der "Hunter" aktuell mit einem Muskelfaserriss aus, Gross führte eine "Fehlbelastung" als möglichen Grund an.
WILLIAM
In den Brasilianer hatte Schalke Ende Januar endlich den dringend benötigten Spieler für die rechte Außenbahn gefunden. Der 25-Jährige bringt Tempo mit und stand zuletzt dreimal in der Startelf, allerdings konnte er noch keine großartigen Akzente setzen.
Der fehlende Spielrhythmus ist ihm nach seinem auskurierten Kreuzbandriss mitunter noch anzumerken. Daher ist auch die Leihgabe aus Wolfsburg nicht die so dringend benötigte Soforthilfe für das Schlusslicht.
SHKODRAN MUSTAFI
Sofort helfen musste der Weltmeister von 2014, der einen turbulenten und außergewöhnlichen Start bei seinem neuen Verein erlebte. Verpflichtet am Deadline Day als Ersatz für Ozan Kabak ging es für den der Innenverteidiger corona-bedingt zunächst in Quarantäne. Sein Debüt gegen RB Leipzig (0:3) gab er ohne ein einziges gemeinsames Training mit der Mannschaft, beim ersten Gegentor unterlief ihm ein Stellungsfehler.
Der 28-Jährige kann Schalke mit seiner Zweikampfstärke und seinen Führungsqualitäten weiterhelfen, doch hinter seiner körperlichen Verfassung steht nach Monaten ohne Spielpraxis bei Arsenal ein Fragezeichen. Gegen Dortmund musste er zuletzt aufgrund muskulärer Probleme kurzfristig passen, gegen Stuttgart wird er wohl wieder auflaufen können.
CHRISTIAN GROSS
Der Schweizer war für Schneider die letzte Chance, den Klub und sich selbst zu retten. Die Wahl überraschte und wurde von Beginn an eher skeptisch beäugt, doch Schalkes Noch-Sportvorstand erinnerte sich an die damals erfolgreiche Zusammenarbeit beim VfB Stuttgart. Eine Wiederholung bei den Königsblauen bleibt nach jetzigem Stand wohl aus.
Unter der Ägide des erfahrenen Schweizers holte der abgeschlagene Tabellen-Letzte zwar den ersten Saisonsieg und insgesamt fünf Punkte - summa summarum macht das aber auch in der Gross-Tabelle Platz 18. Zum Vergleich: Der Konkurrent aus Mainz sammelte im selben Zeitraum elf Punkte gegen Teams wie RB Leipzig, Bayer Leverkusen oder Borussia Mönchengladbach.
Personell sorgte der 66-Jährige mit taktischen Ausrichtungen und einigen Auswechslungen für Irritationen, andererseits haben sich junge Spieler wie Timo Becker, Malick Thiaw oder Hoppe unter ihm zu soliden Bundesliga-Spielern entwickelt. Auch Torhüter Ralf Fährmann erwies sich bis zu seiner Verletzung zumeist wieder als sicherer Rückhalt.
Gross bemüht Durchhalteparolen
Dennoch scheint Gross selbst die Unmöglichkeit der Mission immer deutlicher zu werden. Rief er anfangs noch zu Mut, Zuversicht und Entschlossenheit auf, bemüht er seit einigen Wochen Durchhalteparolen. Sätze wie "die Hoffnung stirbt zuletzt" oder "solange es mathematisch möglich ist, glauben wir noch daran" sind vermehrt von ihm zu hören.
"Für mich wirkt er ausgebrannt", beschreibt Sky Reporter Dirk große Schlarmann Schalkes vierten Trainer in dieser Saison, "und er ist jetzt auch keiner, der die Jungs mal kitzelt oder wachrüttelt."
Eine Aufbruchstimmung hat Gross mit seiner stets ruhigen und besonnenen Art nicht entfacht, weder im Umfeld noch bei der Mannschaft. "In der Kabine ist die Stimmung am Boden, ein Wir-Gefühl existiert nicht mehr", weiß große Schlarmann zu berichten. Nach Sky Informationen haben Führungsspieler bei Schneider sogar um die Ablösung von Gross gebeten.
Schalkes Neustart-Plan sollte zu einer Initialzündung werden. Aktuell sieht es eher nach einer weiteren Fehlzündung aus.