Der VfL Wolfsburg und Max Kruse sorgen einen Tag vor Transferschluss für einen echten Paukenschlag. Der 33-Jährige kehrt – vorbehaltlich eines erfolgreichen Medizinchecks – zu den Niedersachsen zurück. Ein Coup, der beiden Seiten von Nutzen sein kann.
Am Sonntagabend gegen halb sieben machte Union Berlin den Überraschungscoup offiziell. Angreifer Max Kruse werde den Verein auf eigenen Wunsch verlassen und sich dem VfL Wolfsburg anschließen. Es fehle nur noch die Unterschrift und ein erfolgreicher Medizincheck.
Die Köpenicker drückten in der Mitteilung gleichzeitig ihr Bedauern aus, dass sie ihren Anführer zum Ligakonkurrenten ziehen lassen müssen. "Sein Abschied trifft uns unerwartet und es wird eine anspruchsvolle Aufgabe, diesen Verlust sportlich zu kompensieren", erklärte Oliver Ruhnert, Geschäftsführer Profifußball beim 1. FC Union Berlin.
Berlin kassiert um die fünf Millionen Euro
Kruse habe diesen Wechsel jedoch unbedingt gewollt, so Ruhnert, "daher haben wir uns mit dem VfL Wolfsburg entsprechend geeinigt." Die Ablöse soll sich nach Sky Infos auf drei Millionen Euro belaufen. Ein ordentlicher Deal für die Berliner, wenn man bedenkt, dass Kruses Vertrag nur noch bis zum Sommer Gültigkeit hatte.
Die Höhe der Ablöse und der "hoch dotierte Vertrag", von dem Kruse in seinem Abschiedsstatement spricht, zeigen, wie sehr der VfL Wolfsburg auf einen Transfer des Stürmers gepocht hat. Die Wölfe haben Verstärkung nötig. Sowohl für Kruse als auch für den VfL kann sich der Coup schnell auszahlen.
Darauf hofft der VfL Wolfsburg
Mit Kruse bekommen die Niedersachsen einen gestandenen Bundesliga-Stürmer, der weiß, wo das Tor steht, erprobt ist im Abstiegskampf und zudem das Wolfsburger Umfeld kennt. Kruse kann variabel eingesetzt werden und hat in seiner Laufbahn eigentlich jede Position in der Offensive schon gespielt.
Der in Berlin hauptsächlich als Mittelstürmer eingesetzte Kruse wird wahrscheinlich den abwanderungswilligen Wout Weghorst ersetzen, der kurz vor dem Absprung zum FC Burnley in die Premier League ist. Kruse statt Weghorst - was auf den ersten Blick qualitativ weniger nach einer Verbesserung klingt, was das Alter oder die direkte Torgefahr anbelangt, zeigt sich aber auf dem zweiten Blick als zumindest kurzfristiges Upgrade.
Kruse soll Offensive beleben
Der Niederländer möchte den Klub verlassen und ist beim VfL nicht mehr zufrieden. Ein Spieler, der sich im Abstiegskampf nicht vollends mit dem Klub identifizieren kann, ist fehl am Platz. Kruse ist dagegen ein mannschaftsdienlicher Spieler und bewies zuletzt in einer mental gefestigten Unioner Mannschaft und zuvor auch in Bremen Führungsqualitäten.
Nach dem Abgang des Ex-Kapitäns Josuha Guilavogui zu Girondins Bordeaux kann der VfL einen neuen Anführer im Team gut gebrauchen. Diese Qualitäten muss er bei den hinkenden Wölfen ebenfalls zeigen.
Das Wichtigste, was der Werksklub im Moment aber benötigt, ist Belebung in der Offensive. Diese kann Kruse durch seine technischen Fähigkeiten, seinen Tor-Riecher und seinen Abschluss definitiv herbeiführen.
Die Wolfsburger Offensive lahmt in dieser Saison auf erschreckende Art und Weise. Seit 309 Minuten warten zahnlose Wölfe nun auf ein Erfolgserlebnis. Nur 17 Tore in 20 Partien bedeuten die schlechteste Offensive zusammen mit dem Tabellenletzten Greuther Fürth. Kein Wunder, dass die Wolfsburger aktuell nur auf Platz 15 rangieren und mitten im Abstiegskampf stecken. Dort soll der gebürtige Reinbeker die Autostadt wieder herausführen und vor allem herausschießen. Dafür scheinen sie ihn auch entsprechend zu entlohnen.
Kruse bekommt "hoch dotierten" Vertrag
Andeutungen in diese Richtung machte Max Kruse in seinem Abschiedsstatement via Union Berlin: "Ich danke euch allen für euer Vertrauen in mich - und jetzt bitte ich euch um euer Verständnis für meine Entscheidung, ein Angebot, das langfristig und hoch dotiert ist, anzunehmen."
Dass das Gehalt bei einem Wechsel innerhalb der Bundesliga eine gewichtige Rolle spielt, dürfte niemanden, der sich für den Profi-Fußball interessiert, wirklich überraschen. Wechselt man von einem Anwärter auf die europäischen Plätze und gleichzeitig einem Klub, bei dem man sich wohlzufühlen scheint, zu einem abstiegsbedrohten Klub, mit dem man zuvor weniger gute Erfahrung gemacht hatte, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass es gute monetäre Gründe gab, hoch. Das kommunizierte Kruse auch öffentlich.
Mit 33 Jahren unterschreibt Kruse wahrscheinlich seinen letzten größeren Vertrag. Wenn der auch noch "langfristig und hoch dotiert" ist, dann ist das in erster Linie verlockend. Abgesehen von der aktuellen Situation ist der VfL ein Klub mit deutlich höheren Ansprüchen. Dass der Ex-Nationalspieler mit dem VfL auch nochmal europäisch spielt, ist nicht unwahrscheinlich. Diese Perspektive, basierend auf den höheren finanziellen Möglichkeiten des Klubs, dürfte den Ex-Freiburger ebenfalls gereizt haben. Seine Entscheidung unter anderem deshalb rein auf den persönlichen finanziellen Ertrag zu reduzieren, wäre zu kurz gesprungen.
Kohfeldt kennt neuen Stürmer bestens
Denn zwei weitere Gründe machen den Wechsel an den Mittellandkanal nachvollziehbarer. Grund eins: Kruse trifft auf einen alten Bekannten. Nur unter Lucien Favre hat Kruse mehr Bundesliga-Spiele absolviert als unter Florian Kohfeldt. Der ehemalige Bremer dürfte eine von Kohfeldts letzten Patronen sein. Der Ex-Trainer von Werder Bremen steht nach nur drei Siegen in 14 Pflichtspielen und einer Sieglosserie von elf Pflichtspielen mächtig unter Druck.
Er kennt seinen ehemaligen Schützling, der unter ihm in 61 Pflichtspielen 19 Tore und 25 Vorlagen machte, bestens. Gemeinsam verpassten sie mit Werder 2019 nur knapp die europäischen Plätze. Im zweiten Anlauf soll es nun erst aus dem Abstiegskampf gehen und dann wieder ins obere Tabellendrittel.
Kruse hat beim VfL noch eine Rechnung offen
Grund zwei: Der Olympia-Teilnehmer von 2021 hat in Wolfsburg noch eine Rechnung offen. Die Saison 2015/16 in Wolfsburg war bestenfalls ein Intermezzo. Es gehe mit seinem neuen alten Klub um einen Verein, so Kruse, "bei dem ich noch ein Kapitel offen habe, dass ich nun zu Ende schreiben kann." 43 Pflichtspiele absolvierte der gebürtige Reinbeker für Wolfsburg, schoss neun Tore und bereitete zwölf weitere vor.
Die Zeit bei den Wölfen war zeitweise von Eskapaden abseits des Platzes geprägt. Da gab es das vergessene Bargeld im Taxi oder der öffentlich gewordene Streit mit einer Reporterin in einer Berliner Disco. Ersteres bescherte ihm eine Geldstrafe, auferlegt vom VfL. Zweiteres kostete ihn seine Nationalmannschaftskarriere unter Joachim Löw und die Teilnahme bei der EM 2016.
Seitdem ist es ruhiger um geworden um Kruse und er war - abgesehen von Fenerbahce - erfolgreich bei seinen darauffolgenden Stationen. Der passionierte Pokerspieler hat etwas gut zu machen in Wolfsburg. Eine bessere Möglichkeit, als einen Klub aus dem Abstiegskampf zu befreien, gibt es kaum. Kruse muss nur noch den Medizincheck am Montag bestehen. Danach kann er beweisen, dass das Geld, was Wolfsburg in ihn steckt, auch gut investiert ist und er fähig ist, dem Kapitel Wolfsburg noch ein Happy End hinzuzufügen.
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