Für den unvergleichlichen Lionel Messi ist die WM in Russland die wohl letzte Chance auf den Titel. Nicht nur deshalb steht der Superstar unter gewaltigem Druck. Los geht die WM-Mission für ihn und Argentinien gegen Island in Moskau.
Von der "Pistole an seiner Schläfe" war bei Lionel Messi dieser Tage nicht viel zu merken. Entspannt lächelte Argentiniens größte Hoffnung auf den dritten WM-Titel beim Training in Bronnitsy. Unbekümmert kickte er mit den anderen 30-Jährigen hin und her. Was in Russland auf dem Spiel steht, weiß jeder der oft harsch kritisierten "Generation der Verlierer". Und alle sind sich einig: Nur Messi kann sie retten.
"Er kann eine Mannschaft auf seinen Schultern tragen", sagte Argentiniens Trainer Jorge Sampaoli vor dem WM-Auftakt am Samstag (ab 14:45 Uhr LIVE auf Sky Sport UHD und hier im Live-Kommentar) gegen Island in Moskau. Er steht aber damit auch unter gewaltigem Druck. Messi, sagte Sampaoli einst martialisch, "hat eine Pistole an seinem Kopf, die sich WM-Titel nennt. Wenn er nicht gewinnt, wird er erschossen und getötet."
Sampaolis Einschätzung wirkt selbsterklärend - bei 61 Toren in 124 Länderspielen und der Vita, die vor Weltfußballer-Auszeichnungen (fünf!) nur so strotzt. Dass Messi den Vizeweltmeister von 2014 jedoch auf seinen Schultern tragen MUSS, ist eher eine beunruhigende Wahrheit.
Im Kader der Gauchos stehen verdiente Stars wie Gonzalo Higuain, Angel Di Maria und Sergio Agüero, einst Weltklassespieler, doch mittlerweile scheinbar über ihren Zenit hinaus. Wie Messi sind sie schon 30 Jahre alt, aber im Gegensatz zum Superstar des FC Barcelona liegen ihre größten Taten schon ein paar Jahre zurück. Das wissen auch die Fans: Beim ersten Training stand einzig Messi im Mittelpunkt. 400 Anhänger der Albiceleste - unter ihnen Botschafter Ernesto Lagorio - feierten ihren Liebling mit Sprechchören und wehenden Fahnen.
Schon gegen Island muss Messi liefern. Nichts anderes als ein Sieg ist vorstellbar, denn die kommenden Gruppenspiele gegen Nigeria und Kroatien werden schwer genug. Aber auch den EM-Viertelfinalisten von 2016 nehmen die Südamerikaner durchaus ernst. "Island hat bei der EM gezeigt, dass es mit jedem mithalten kann", sagte Messi. Eine steile These, wenn man bedenkt, dass der gesamte argentinische Kader 699 Millionen Euro auf die Waage bringt, die Isländer dagegen nur 76,05 Millionen wert sind. Annähernd soviel, nämlich 71 Millionen, kassiert Messi an Gehalt in einem Jahr.
Doch was Messi wirklich will, kann er sich nicht kaufen. Vier Champions-League-Siege und seine Weltfußballer-Titel bringen ihn nicht in die Kategorie der südamerikanischen Legenden Pele und Diego Maradona. Dafür muss er Weltmeister werden. "Tatsache ist, dass der Fußball ihm einen WM-Titel schuldet, und wir haben die Chance, das in Russland möglich zu machen", sagte Trainer Sampaoli.
Es ist wahrscheinlich die letzte Chance für Messi und die "Generation der Verlierer". Auch wenn Sampaoli sich seine Nationalmannschaft ohne Messi noch nicht vorstellen mag: "Ich glaube nicht, dass es seine letzte WM sein sollte. So wie er spielt, ist er jemand, der selbst entscheiden sollte, wie lange er spielt." Bis Messi endlich den goldenen Pokal in den Händen hält, wenn es nach ihm geht. (sid)