Oft wurde bei Frankreich zuletzt bei Großturnieren über die Spieler gesprochen, die sportlich zu schlecht waren, um es in den Kader zu schaffen. Nach dem Ausfall von Karim Benzema stellt sich die Frage: Wie üppig ist das Reservoir an guten Spielern bei der Equipe Tricolore wirklich?
Der Fußballgott meint es normalerweise gut mit den Franzosen. Oft blickten andere Nationen in der Vergangenheit neidisch zum zweifachen Weltmeister hinüber und sahen erstaunt, dass zahlreiche Stars es nicht in den jeweiligen EM- oder WM-Kader der Franzosen geschafft haben. Spieler, die in den meisten Ländern unumstrittene Stammspieler wären, waren nicht in der Equipe Tricolore nicht einmal gut genug für die Bank.
Viele Nackenschläge für Frankreich
Sollte Frankreich am 18. Dezember aber erneut den WM-Pokal gewinnen, kann wohl niemand behaupten, dass der Fußballgott dieses Mal auf der Seite der Mannschaft von Didier Deschamps war. Der amtierende Weltmeister muss bereits seit Monaten Nackenschläge in schöner Regelmäßigkeit wegstecken.
Schon länger steht beispielsweise fest, dass das der Champion von 2018 auf sein Herzstück im Mittelfeld vom Titelgewinn in Russland verzichten muss. Paul Pogba von Juventus und Chelseas N'Golo Kante verletzten sich bei ihren Vereinen früh in der Saison und fehlen ebenso WM-Kader der Franzosen wie auch PSG-Abwehrstar Presnel Kimpembe.
Selbst nach der Kadernominierung gab es noch zwei Hiobsbotschaften: Vor wenigen Tagen reiste Bundesliga-Toptorjäger Christopher Nkunku aufgrund eines Risses des Außenbandes im linken Knie aus dem Trainingslager ab und kehrte nach Leipzig zurück. Am Samstag vor dem Turnierstart dann der große Schock: Auch Weltfußballer Karim Benzema wird das Turnier in Katar verletzungsbedingt verpassen. Der Stürmer erlitt eine Muskelverletzung im Training, die ihn drei Wochen außer Gefecht setzt.
Benzema verletzt sich im Training
"Ich habe in meinem Leben noch nie aufgegeben, aber ich muss an das Team denken, wie ich es immer getan habe", schrieb Benzema bei Instagram. "Die Vernunft sagt mir, dass ich meinen Platz für jemanden räumen muss, der unserer Mannschaft helfen kann, eine gute WM zu spielen."
Aber ist Frankreich bei all diesen Ausfällen tatsächlich in der Lage eine gute WM zu spielen? Die Leistungsdichte, wegen der Frankreich früher oft beneidet wurde, wird aktuell auf eine harte Probe gestellt. Doch Mitleid ist bei einem Blick auf die französische Offensive dennoch Fehl am Platz. Deschamps könnte beispielsweise einen Dreiersturm aus Ousmane Dembele (FC Barcelona, rechts), Kylian Mbappe (Paris St. Germain, Mitte) und Kingsley Coman (FC Bayern, links) aufbieten.
Wenn Mbappe nicht im Zentrum spielen will, hat Deschamps mit Olivier Giroud zudem noch den Mittelstürmer in der Hinterhand, der beim Titelgewinn vor vier Jahren gesetzt war und auch ohne eigenen Torerfolg großen Anteil am Triumph hatte. Weitere Optionen? Gladbachs Marcus Thuram, Antoine Griezmann oder Randal Kolo Muani, der für Nkunku ins Team rutschte. Und natürlich dürfte Deschamps auch für Benzema einen Spieler nachnominieren.
Deschamps will keinen Ersatz nachnominieren
Laut der L'Equipe waren Leverkusens Moussa Diaby, Wissam Ben Yedder (AS Monaco) oder Anthony Martial von Manchester United die aussichtsreichsten Kandidaten. Favorit soll der Monaco-Kapitän gewesen sein, da er bereits mit seiner Familie Urlaub in Doha macht. Aber Deschamps entschloss sich kurzerhand, das Turnier einfach mit nur 25 Spielern zu bestreiten und verzichtete auf einen Benzema-Ersatz.
Dies zeigt, dass die Verletzung des aktuellen Ballon-d'Or-Siegers von Real Madrid Frankreich zwar sicherlich weh tut, aber wenn jemand einen derart hochkarätigen Ausfall kompensieren kann, ist es wohl der aktuelle Titelträger. Und dennoch ist auch zu merken, dass das Reservoir an hochkarätigen Spitzenkräften auch bei unserem westlichen Nachbarn nicht unendlich ist, wie ein Blick aufs Mittelfeld zeigt.
Mittelfeld lässt Fragen offen
Dort tummeln sich neben den beiden jungen Real-Stars Eduardo Camavinga (20 Jahre) und Aurelien Tschouameni (22), die bei den Königlichen aber nicht immer gesetzt sind, auch noch die Youngster Youssouf Fofana (AS Monaco, 23), Matteo Guendouzi (Olympique Marseille, 23), der international völlig unerfahrene Jordan Veretout (29, Marseille) sowie Adrien Rabiot von Juventus, der in der Vergangenheit schon des Öfteren mit Deschamps aneinander geriet und den die alte Dame im Sommer unbedingt abgeben wollte.
Die große Stärke von 2018 - die Kompaktheit in der Mitte - ist beim nun anstehenden Turnier also nicht garantiert. Im Gegenteil: Das Mittelfeld der Franzosen ist die große Unbekannte. Abgesehen von Rabiot, der schon bei der Euro 2021 zum Kader zählte, ist es schließlich für jeden Mittelfeldspieler das erste Großturnier überhaupt. An einem Pogba oder Kante können sich die Spieler in Katar aber nicht hochziehen oder orientieren.
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Dies ist wohl auch der Grund, warum zuerst andere Teams genannt werden, wenn es um die Favoriten geht, die am 18. Dezember den WM-Pokal gewinnen könnten. Und auch wenn er es normalerweise gut meint mit den Franzosen - dafür hat am Ende sicherlich auch ein wenig der Fußballgott gesorgt...