Nach dem Drama von Doha ist der deutsche Fußball am Tiefpunkt angekommen. Der zweite Gruppen-K.o. in Folge bei einer WM, dazwischen das EM-Aus im Achtelfinale im vergangenen Jahr. Nur drei Siege in zehn Spielen bei diesen drei Turnieren - so schlecht war die Nationalmannschaft noch nie.
DFB-Präsident Bernd Neuendorf hat am Tag nach dem Debakel bereits eine umfassende Aufarbeitung des WM-Scheiterns angekündigt: "Wir haben einen Fahrplan entwickelt. Der sieht vor, dass wir uns in der kommenden Woche zusammensetzen." Neben Neuendorf, Bundestrainer Hansi Flick und DFB-Geschäftsführer Oliver Bierhoff wird auch DFB-Vizepräsident Hans-Joachim Watzke an der Krisensitzung teilnehmen.
Wie Sky erfuhr, soll das Treffen am Mittwoch in der DFB-Zentrale in Frankfurt stattfinden. Zuvor wollen Neuendorf und Watzke sich Anfang der Woche bereits über ihre Erwartungshaltung und Herangehensweise an die Sitzung austauschen. Auch über mögliche Szenarien im Falle einer nicht überzeugenden Fehleranalyse der beiden Verantwortlichen.
Personelle Konsequenzen nicht ausgeschlossen
Klar ist: Mit so einer wachsweichen Aufarbeitung, wie Bierhoff und Ex-Bundestrainer Joachim Löw die Blamage in Russland 2018 erklärten, werden Bierhoff und Flick nicht durchkommen. Zu verheerend sind die Auswirkungen des dritten frühen Scheiterns in Folge bei einem großen Turnier.
Personelle Konsequenzen sind nach dem neuerlichen WM-K.o. nicht ausgeschossen, sondern wahrscheinlich. Er wolle "keine Wasserstandsmeldungen" abgeben, "sondern, wenn die Analyse beendet ist, mit einem Ergebnis" auf die Öffentlichkeit zukommen, erklärte Neuendorf vor der Abreise aus Katar.
An Flick und Bierhoff richtete er allerdings eine klare Forderung: "Meine Erwartung an die sportliche Leitung ist, dass sie zu diesem Treffen eine erste Analyse vornimmt, eine sportliche Analyse dieses Turniers", so der DFB-Präsident. Dabei müssten auch Perspektiven entwickelt werden "für die Zeit nach dem Turnier mit dem Blick auf die Europameisterschaft im eigenen Land".
Bierhoff wackelt
Nach Sky Informationen könnte es bei der Krisensitzung besonders für Bierhoff eng werden. Anders als Flick, der erst nach dem EM-Aus im vergangenen Jahr den Trainerposten übernahm, hat Bierhoff die dritte Turnierblamage in Folge zu verantworten. Als Geschäftsführer Nationalmannschaften und Akademie steht er der sportlichen Leitung des DFB vor.
Diese Verantwortung könnte der Ex-Nationalspieler nach dem erneuten Misserfolg verlieren. Nicht nur innerhalb des Verbandes mehren sich die kritischen Stimmen. Auch in der Liga findet Bierhoff kaum noch Rückhalt. Sky weiß: Die Manager mehrerer Bundesligaklubs sehen in ihm nicht mehr den richtigen Mann, um die sportlichen Geschicke in die richtige Richtung zu lenken.
Das Vertrauen in Bierhoff und seine Entscheidungen ist auf allen Ebenen geschwunden. Das ist auch Neuendorf und Watzke nicht verborgen geblieben. Aus DFB-Kreisen ist zu hören, dass Watzke - hauptamtlich als BVB-Geschäftsführer seit Jahren in die sportlichen Entscheidungen seines Vereins federführend involviert - mehr Macht in sportlichen Belangen gegeben werden soll. Ein Plan, der Veränderungen im Verband anschieben dürfte. Und ein Plan, der Bierhoff nicht gefallen dürfte.
"Die Mannschaft" zu abgehoben laut Watzke
Watzke gilt als Kritiker des Geschäftsführers. Er ist längst nicht der Einzige, aber ein entscheidender. Watzke machte sich Anfang des Jahres stark für die Abschaffung des Begriff "Die Mannschaft". Seine Begründung: "Zu abgehoben" und "respektlos gegenüber allen anderen erfolgreichen Mannschaften" sei die Formulierung. Er erhielt viel Zuspruch für sein Vorhaben, das wenig später umgesetzt wurde. Bierhoff war Initiator des Markenbegriffs.
Bierhoff selbst schloss einen Rücktritt unmittelbar nach dem Spiel gegen Costa Rica aus. Dass der DFB ihn entlässt, ist unwahrscheinlich. Dass er seine sportlichen Kompetenzen dagegen abtreten muss und künftig nur noch für die Akademie zuständig sein soll, ist eine durchaus mögliche Entwicklung.
Flick muss sich nach Sky Informationen dagegen keine Sorgen um seinen Job machen. Im Verband gibt es die Überzeugung, dass er trotz des schlechten Abschneidens in Katar weiter der richtige Trainer ist.
Tuchel oder Klopp als Flick-Ersatz?
Gäbe es überhaupt eine bessere Alternative als den ehemaligen Bayern-Coach für den Posten des Bundestrainers? Als erstes fallen stets die Namen Jürgen Thomas Tuchel und Jürgen Klopp. Nach Sky Informationen ist es sehr unwahrscheinlich, dass Tuchel bei einem Neuanfang für die Nationalelf als Trainer zur Verfügung stünde.
Tuchel hat derzeit (noch) kein Interesse die DFB-Elf zu coachen. Der 49-Jährige, der seit seiner Entlassung beim FC Chelsea vor knapp drei Monaten ohne Job ist, will lieber wieder bei einem Verein statt einer Nationalmannschaft arbeiten. Zu sehr reizt ihn nach wie vor die tägliche Arbeit mit Spielern statt das viele Reisen und beobachten als Nationaltrainer.
Auch Klopp, noch bis 2026 beim FC Liverpool unter Vertrag, hegt keine Ambitionen auf den DFB-Job. Gegenüber Sky erklärte sein Berater Marc Kosicke auf die Frage, ob Klopp bei einer Trennung des DFB und Flick als Trainer zur Verfügung stünde: "Das ist ein Medienthema. Jürgen hat in Liverpool einen Vertrag bis 2026 und er hat vor, diesen zu erfüllen."