WM 2018: Die Gründe für das deutsche Debakel - und die Folgen
28.06.2018 | 19:51 Uhr
Aus in der Vorrunde. Das gab es in der WM-Geschichte der deutschen Nationalmannschaft noch nie. Wer trägt die Schuld? War es das für Jogi Löw? Sky Sport nennt die Gründe für das deutsche WM-Debakel und zählt die möglichen Konsequenzen auf.
Der Capitano brachte es auf den Punkt. "Mit einer schlechten Mannschaft kann man immer früh ausscheiden, aber nicht mit einer Mannschaft wie dieser", schrieb Michael Ballack nach dem historischen und blamablen WM-Aus auf Twitter.
"Führung? Persönlichkeit? Mentalität?", fragte der ehemalige DFB-Kapitän auf Englisch und forderte eine "ehrliche Bewertung". Die größte Blamage in der Geschichte der deutschen Nationalmannschaft muss und wird aufgearbeitet werden.
DIE GRÜNDE:
Keine Form:
"Das letzte Spiel, das wir überzeugend abgeliefert haben, war im Herbst 2017", sagte Mats Hummels nach dem 0:2 gegen Südkorea im ZDF. Im September gewann das DFB-Team in der WM-Quali 2:1 in Tschechien und 6:0 gegen Norwegen. Seitdem gab es - abgesehen vom 1:1 gegen Spanien - nur enttäuschende Auftritte. "Wir haben in keinem Spiel überzeugt. Das ist bitter und erbärmlich", sagte Kapitän Manuel Neuer.
Keine Mannschaft:
In der WM-Vorbereitung sollte die Mannschaft zu einer Einheit werden. Dafür hatte sich der DFB eigens den Hashtag #zsmmn ausgedacht. Doch es blieb beim Marketing-Slogan. Die Mannschaft war keine Einheit. Auf dem Platz wurde gestritten, schon beim 0:1 gegen Mexiko. Angeblich rauften sich danach alle zusammen - gegen Südkorea war davon aber nichts mehr zu sehen.
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Keine Führung:
Außer Neuer, der nach seinem Mittelfußbruch auf den Punkt fit war, erreichte keiner der Weltmeister von 2014 seine Normalform, allenfalls noch Mats Hummels im Spiel gegen Südkorea. Toni Kroos glänzte nur mit seinem Geniestreich gegen Schweden, Özil, Thomas Müller und Sami Khedira waren Totalausfälle. Auch die DFB-Führung hat versagt. Der Umgang mit der Erdogan-Affäre war - gelinde gesagt - unglücklich.
Störfeuer durch Erdogan-Affäre:
Die Bilder von Mesut Özil und Ilkay Gündogan mit dem türkischen Staatspräsidenten Erdogan und das folgende Echo haben die Mannschaft beschäftigt und auch belastet. Das gab Neuer im Trainingslager in Eppan zu. Gündogan weinte nach den Pfiffen in Leverkusen beim Spiel gegen Saudi-Arabien, Özil, der sich nie zu dem Thema äußerte, wirkte gegen Mexiko und Südkorea wie ein Schatten seiner selbst.
Keine Einstellung, kein Plan:
"Wir hatten die Möglichkeit, selber wieder Geschichte zu schreiben. Das haben wir nicht mit einer 100-prozentigen Bereitschaft angenommen. Das ist der ausschlaggebende Punkt", sagte Neuer. "Ich hatte das Gefühl, dass vor dem Mexiko-Spiel eine Selbstherrlichkeit vorhanden war, dass man auf Knopfdruck reagieren könne", meinte Löw.
Der Bundestrainer konnte die Fehler, die sich bereits in der Vorbereitung abgezeichnet hatten, nie abstellen. Im deutschen Spiel fehlte es an Tempo - und vor allem an Ideen in der Offensive. Nur zwei Tore in drei Spielen, nur eins aus dem Spiel heraus. Diese Bilanz sagt alles.
Nach dem 2:1 gegen Schweden wechselte Löw auf fünf Positionen. Zwei davon wegen Boatengs Sperre und Rudys Verletzung, aber die restlichen Wechsel schienen die Mannschaft eher zu verwirren.
DIE KONSEQUENZEN
Tritt Löw zurück?
"Ich bin der Erste, der sich hinterfragen muss, welche Dinge schief gelaufen sind", sagte der Bundestrainer im ZDF. Für eine Entscheidung braucht er noch Zeit. "Da muss ich auch mal eine Nacht drüber schlafen, denn das ist zu früh für mich. Morgen muss man dann mal Gespräche führen und sehen, wie es weitergeht."
Wer könnte Löw ablösen?
Jürgen Klopp hat mit Liverpool noch viel vor, Thomas Tuchel hat gerade erst in Paris angefangen. Wer könnte für den Fall, dass Löw hinschmeißt, der Nachfolger sein? Ein möglicher Kandidat wäre Matthias Sammer. Der ehemalige BVB-Trainer und DFB-Sportdirektor ist nah dran an der Bundesliga und kennt die Strukturen des DFB. Er wäre auch der richtige Mann, um die dringend erforderlichen Verbesserungen in der Nachwuchsarbeit anzuschieben. Allerdings müsste Sammer für den Bundestrainer-Posten wohl seinen Berater-Job bei Borussia Dortmund aufgeben.
Welche Spieler werden aufhören?
Für Sami Khedira (32) und Mario Gomez (32) war die WM wahrscheinlich das letzte Turnier, auch Neuer ist 32, hat aber kürzlich erklärt, er wolle noch Europameister werden. Mats Hummels, Jerome Boateng und Mesut Özil sind alle 29, doch während Hummels und Boateng bei einem Neuaufbau Führungsrollen übernehmen könnten, scheint Özils Zeit im DFB-Team abgelaufen zu sein. Wenn Thomas Müller (28) wieder zu seiner alten Form findet, kann auch er noch eine wichtige Rolle spielen.
Wer rückt nach?
Timo Werner, Joshua Kimmich, Leon Goretzka, Niklas Süle und Julian Brandt waren die jüngsten Spieler im deutschen WM-Kader. Ihnen gehört die Zukunft. Leroy Sane, den Löw aus dem vorläufigen Kader strich, kommt dazu, genau wie Jonathan Tah und Serge Gnabry. Von den U21-Europameistern 2017 könnte noch der Berliner Niklas Stark den Sprung ins DFB-Team schaffen.