Trotz aller Treuebekenntnisse von den DHB-Verantwortlichen während der EM, muss Christian Prokop seinen Bundestrainerjob für Alfred Gislason räumen. Bob Hanning, Vizepräsident des Deutschen Handballbundes, hat selbstkritisch auf die Umstände rund um den Trainerwechsel reagiert.
Elf Tage nach dem Ende der EM hat der DHB am Donnerstag die Trennung von Bundestrainer Christian Prokop verkündet und den früheren Kieler Meistertrainer Alfred Gislason als Nachfolger vorgestellt. Trotz des ausgesprochenen Vertrauens an Prokop, hatte der DHB nach einer internen Analyse aber zu Wochenbeginn Kontakte zu Gislason geknüpft. Am Donnerstag informierte Hanning den Leipziger dann telefonisch von dessen Beurlaubung.
Bob Hanning, für die Öffentlichkeit kam die Nachricht des Bundestrainer-Wechsels von Christian Prokop zu Alfred Gislason überraschend. Wie überraschend war für Sie der Drang des Präsidiums auf eine Veränderung nach der EM?
Bob Hanning: "Wir haben am Montag zusammengesessen und noch einmal sehr ausführlich über die Europameisterschaft, aber auch die gesamte Entwicklung gesprochen. Wir sind dann zu dem Schluss gekommen, dass wir glauben, dass der Erfolg bei der Qualifikation, aber vor allem bei den Olympischen Spielen mit Alfred nochmal ein Stück wahrscheinlicher ist. Dementsprechend hat sich das Präsidium entschieden."
"Es tut mir weh"
Sie sind sehr eng mit der Personalie Christian Prokop verbunden. Inwiefern tragen Sie die Entscheidung mit, inwiefern tut Sie Ihnen weh?
Hanning: "Es tut mir weh, das ist keine Frage. Aber ich trage sie vollumfänglich mit. Wir sind in einem demokratischen Prozess, wir haben die Themenfelder abgewogen und sind dann zu dem Entschluss gekommen. Ich bin immer ein Freund davon, dass man sich in solchen Stunden nicht auseinander dividieren lässt."
Das Bild, das der DHB abgegeben hat, ist mindestens unglücklich. In Wien hat der Verband ein klares Statement pro Prokop abgegeben, nun ist zwei Wochen später plötzlich alles anders.
Hanning: "Für die Kritik habe ich volles Verständnis, sie ist auch absolut angebracht. Wir haben das definitiv nicht gut gelöst und haben uns in der Situation ein bisschen dem Druck ergeben, einmal durchatmen zu können. Das war sicherlich nicht so, wie es einem Verband gerecht wird."
"Für mich gibt es nur noch diese Wahlperiode"
Spüren Sie im Verband noch das Vertrauen, als starke Führungsfigur in Erscheinung treten zu können oder haben Sie auch über persönliche Konsequenzen nachgedacht?
Hanning: "Ich hätte tatsächlich die persönlichen Konsequenzen gezogen, wenn wir nach dem Abschneiden 2018 den Trainer gewechselt hätten. Diesmal ist es eine etwas andere Ausgangsposition, unabhängig davon, dass die Präsidiumsmitglieder und auch die Bundesliga schon längst darüber unterrichtet sind, dass es für mich nur noch diese Wahlperiode gibt.
Ich finde, wenn man sieben, acht Jahre für den Verband und früher für die HBL gearbeitet hat, hat man auch das Recht auf ein bisschen mehr Privatleben. Ich habe es damals gemacht, weil es notwendig war, den Verband umzustrukturieren und wieder Weltmeisterschaften und Europameisterschaften nach Deutschland zu holen, wieder an die Nationalmannschaft zu glauben und dann auch vorneweg zu gehen. Alles hat seine Zeit im Leben, auch meine ist endlich und ich freue mich auch, wenn es ab 2021 andere noch besser machen dürfen."
"Gislason hat eine unglaubliche Ausstrahlung und Autorität"
Was stimmt Sie optimistisch, dass Gislason den DHB zum Erfolg führen kann?
Hanning: "Ich wollte Alfred schon zum Anfang meiner Amtszeit holen. Wir haben damals intensiv verhandelt, aber Alfred hat sich entschieden, in Kiel zu bleiben. Die Füchse Berlin, also mein Klub, haben dann Dagur Sigurdsson freigegeben. Schon damals war Gislason einer der erfolgreichsten Trainer der Welt. Er hat eine unglaubliche Ausstrahlung, eine unglaubliche Autorität. Er hat die wesentlichen Spieler für die Abwehr des THW Kiel trainiert. Wir spielen gestützt auf die Leistungsträger auch teilweise schon Stücke des Systems von ihm.
Ich glaube, dass er die Arbeit sehr erfolgreich fortsetzen wird. Ich bin sehr glücklich, dass die Lösung Alfred Gislason heißt. Ich bin der festen Überzeugung, dass sich die Spieler auf Alfred Gislason freuen und der festen Überzeugung sind, dass er sie zu den Medaillen bei den Olympischen Spielen führen kann."