An diesem Wochenende hätte das REWE Final4 2020 in Hamburg stattgefunden. Das Coronavirus macht jedoch allen Handball-Liebhabern einen Strich durch die Rechnung. Das Finale wurde nun auf den 27. und 28. Juni verschoben. Zeit, um einen Blick in die Historie des deutschen Pokalwettbewerbs zu werfen.
Was anfangs kaum in die Gänge kam, entwickelte sich mit der Zeit zu einem Wettbewerb, der sogar der EHF zum Vorbild werden sollte. Doch der Reihe nach.
Holpriger Start des Pokalwettbewerbs
Die Geschichte um den DHB Pokal beginnt 1974. Auf einem Kongress der IHF, die damals auch alle europäischen Aufgaben koordinierte, beschloss man einen Europacup der Pokalsieger ins Leben zu rufen. Auch die Handball-Bundesliga musste den Gedanken der IHF Folge leisten und einen Pokalwettbewerb gründen.
Um am Europapokal im nächsten Jahr auch einen deutschen Teilnehmer zu stellen, entstand kurzerhand ein erster deutscher Pokalmodus. In diesem Modus duellierten sich drei Teams: Der Verlierer des Meisterschaftsfinals trat im Pokalfinale gegen den Gewinner der unterlegenen Halbfinalisten der Meisterschaft an (bis zur Einführung der eingleisigen Bundesliga 1977 wurde der Meister in Halbfinale und Finale aus Teams der Nord- und Südstaffel ermittelt; Anm. d. Red.).
Gummersbach entwickelt sich zur Übermannschaft - auch im Pokal
Doch bereits in der Saison 1976/1977 wandelte sich der deutsche Pokalwettbewerb und ähnelte dem des Fußballs immer mehr. 64 Mannschaften nahmen nun am Pokal teil. Darunter 13 Oberligisten und elf Teams aus den unteren Spielklassen. Zwar wurde der Wettbewerb immer größer und attraktiver, das Hauptaugenmerk lag allerdings noch immer auf der Ermittlung des Teilnehmers des Europapokals der Pokalsieger.
In dieser Saison nahm der VfL Gummersbach, die Ausnahme-Mannschaft der Siebziger und Achtziger Jahre, das erste Mal am deutschen Pokal teil. Zuvor war eine Teilnahme wegen des gewonnenen Meistertitels nicht möglich. Bereits in der zweiten Pokalrunde kam es zu einem Knaller: Der VfL musste beim Titelverteidiger aus Dankersen ran. In spektakulären 60 Minuten konnten die Gummersbacher knapp mit 21:20 gewinnen. Im weiteren Pokalverlauf sicherten sie sich schließlich den Pott. Das gelang dem VfL in der gesamten Pokalgeschichte ganze fünf Mal (1977, 1978, 1982, 1983, 1985). Den Europacup der Pokalsieger konnte der Klub 1978 und 1979 ebenfalls gewinnen.
Auch Final4 mit großen Startschwierigkeiten
In der Zeit von 1981 bis 1992 wurde das Pokalfinale in Hin- und Rückspiel ausgetragen. Doch dieser Modus schien veraltet zu sein und schon bald wollten die Klubverantwortlichen den Pokal attraktiver gestalten - das Final4 war geschaffen. Zum ersten Mal spielten die vier besten Teams des Wettbewerbs ihren Sieger in Turnierform an einem Wochenende aus.
Doch der Final4-Standort Frankfurt stellte sich als nicht optimal heraus. Zudem hatte man mit einem parallel laufenden spannenden Meisterschaftsrennen in der Fußball-Bundesliga am 5. Juni vielleicht nicht den optimalen Zeitpunkt für das erste Final4 ausgewählt.
SCM beschert Alsterdorfer Sporthalle legendäres Finalwochenende
Man sah ein, dass Frankfurt kein gut gewählter Ort für die Pokalendrunde war und entschloss sich, den Wettbewerb nach Hamburg zu verlegen. Und der Umzug stellte sich als profitabel und äußerst klug heraus. Bereits 1995, im Jahr des Umzugs, war der Andrang ungewöhnlich groß und die Alsterdorfer Sporthalle restlos ausverkauft. Bis auf wenige Ausnahmen, war dies auch die Regel. Die Zahlen stimmten und die Attraktivität der Sportart, als auch des Wettbewerbs, stiegen rasant an. Grund dafür waren unter anderem spannende Spiele, wie etwa das Halbfinale zwischen Magdeburg und Nordhorn im Jahr 2002.
In der Liga war die HSG die bessere Mannschaft. Für die Meisterschaft reichte es zwar nicht ganz, den Vorjahresmeister aus Magdeburg ließ man jedoch auf dem sechsten Tabellenplatz zurück. Im Pokal sah das alles ganz anders aus. Die beiden Mannschaften waren nach 80 elektrisierenden Minuten immer noch auf Augenhöhe. Nach dem Ende der zweiten Verlängerung stand es 34:34.
Es ging also ins Siebenmeterwerfen. Und auch hier schenkten sich beide Teams zunächst nichts. Erst in der Verlängerung des Siebenmeterwerfens fiel die Entscheidung. Magdeburg-Keeper Gaudin hält den Siebenmeter von Skrbic und Stefansson warf Magdeburg zum emotionalen Sieg über die HSG. Im anschließenden Endspiel des Final4 sicherte sich jedoch der TBV Lemgo seinen dritten DHB Pokalsieg. Zu groß war die Anstrengung der Magdeburger am Vortag. Was für ein sensationeller Abschied aus der Alsterdorfer Sporthalle.
Final4 wird in Barclaycard Arena zu Riesen-Event
Nun wollte die Handball-Bundesliga auf zu neuen Dimensionen. Und was bietet sich dafür mehr an als eine gigantische, neu erbaute Color Line Arena, die während des gesamten Final4 mehr als 12.000 Handballbegeisterte Zuschauer fasst? Trotz einiger Befürchtungen wurden alle Karten verkauft.
Doch das sollte nicht die einzige Endspielrunde sein, in der der Ansturm auf die Tickets so groß ist. Die Barclaycard Arena, wie sie mittlerweile heißt, ist bei fast allen Spielen des Final4 ausverkauft. Die Endrunde des Pokalwettbewerbs stellt nicht nur einen Zuschauermagneten, sondern auch ein mediales Groß-Event dar, welches finanziell betrachtet durchaus lukrativ ist. "Im Laufe vieler Jahre", sagt Liga-Geschäftsführer Frank Bohmann auf der Webseite der LIQUI MOLY HBL, "ist es uns gelungen, das Pokalfinale zu einem einmaligen Erlebnis für Spieler, Zuschauer, Sponsoren und Medien in aller Welt zu entwickeln."
EHF nimmt sich DHB Final Four zum Vorbild
Dass das Pokal-Final4 auch auf europäischer Ebene große Anerkennung genießt, zeigt die Entwicklung der EHF Champions League. Seit der CL-Saison 2009/2010 wird auch die Endrunde dieses Turniers im Final4-Modus ausgespielt. Man wolle "die EHF Champions League der Männer auf ein höheres Level bringen", so die Europäische Handball-Föderation. Seitdem wird das VELUX EHF Final4 in der Lanxess Arena in Köln unter dem Jubel tausender Zuschauer aus ganz Europa ausgetragen.
THW das Maß aller Dinge
Wie in der Liga, so auch im Pokal. Die Zebras sind im DHB-Pokal das Maß aller Dinge. Der Rekordmeister aus Kiel konnte sich in 14 Finalteilnahmen den Titel bereits elf Mal sichern. Auch in diesem Jahr konnte der THW das Ticket nach Hamburg lösen. Gegen Baunatal und Emsdetten konnte man souveräne Siege einfahren. Ganz anders hingegen sah es bei den Spielen gegen Wetzlar und Stuttgart aus. In beiden Spielen mussten die Zebras zittern, konnten sich jedoch in beiden Partien mit je einem Tor Vorsprung den Einzug in die nächste Runde sichern.
REWE Final4 am 27. und 28. Juni
Aufgrund der Coronakrise wurde das REWE Final4 2020 nun verschoben. Ursprünglich war die Austragung an diesem Wochenende (4./5. April) geplant. Nun wurde die Endrunde des Pokals auf den 27. und 28. Juni verschoben. Ob es zur Austragung kommt, ist derzeit noch fraglich.
Sollte es aber dazu kommen, dann trifft im diesjährigen Halbfinale der Titelverteidiger auf den TBV Lemgo. "Wenn man auf die Tabelle schaut, kann man vielleicht vermuten, dass das ein sportlich vermeintlich einfacher Gegner ist", sagt THW-Geschäftsführer Viktor Szilagyi. „Spannung ist vorprogrammiert, es waren in Hamburg meist enge, knappe Spiele."
Im anderen Halbfinale stehen sich der TSV Hannover-Burgdorf und die MT Melsungen gegenüber. In den vergangenen beiden Runden konnte die TSV den Meister aus Flensburg als auch den Pokalsieger von 2018, die Rhein-Neckar Löwen aus dem Rennen werfen.
Der DHB sprach Anfang April eine Empfehlung aus, in diesem Jahr keine nationalen Pokalwettbewerbe stattfinden zu lassen. Das würde bedeuten, dass das REWE Final4 2020 in Hamburg nicht stattfindet. Die Zuständigkeit für diese Entscheidung liegt schlussendlich beim Ligaverband HBL.