Stefan Kretzschmar analysiert in seiner Kolumne regelmäßig die wichtigsten Themen aus der Welt des Handballs. Diesmal spricht er über den Dämpfer in Magdeburg und den tollen Auftritt des THW Kiel in der Champions League. Zudem blickt er auf das Spiel zwischen Tabellenführer und Meister voraus.
Die Rhein-Neckar Löwen haben das Topspiel am Sonntag in Magdeburg mit 32:28 (14:13) für sich entschieden. Es war ein absolutes Spitzenspiel mit viel Emotionalität und einer gesunden Härte. Wir haben eine sehr emotionale Magdeburger Mannschaft gesehen, die eine Reaktion zeigen wollte auf die Niederlage in Melsungen.
Allerdings haben sie in meinen Augen schon vor dem Spiel nervös gewirkt. Im Gegensatz dazu habe ich eine Mannschaft der Rhein-Neckar Löwen gesehen, die sehr viel Selbstvertrauen ausgestrahlt hat, sehr souverän auch in die Halle kam - teilweise auch zu ein paar Scherzen aufgelegt war. Die Löwen hatten die Statistik der letzten Jahre im Kopf, in Magdeburg haben sie so gut wie immer gewonnen.
Knall auf Knall
Zwei Niederlagen hintereinander sind schon ein Dämpfer für den SC Magdeburg im Kampf um die Meisterschaft. Ihre große Stärke ist die "Festung GETEC-Arena", da wollen sie möglichst keine Punkte abgeben. Aber ich glaube, dass am Ende die Meisterschaft mit mehr als zehn Minuspunkten vergeben wird. Das sagen mir mein Gefühl und mein Eindruck zurzeit.
Mit vier Minuspunkten ist in Magdeburg natürlich noch gar nix verloren, aber man muss ein paar Sachen ansprechen, man hat ein paar Probleme gesehen und das muss man dann natürlich schnellstmöglich bereinigen, weil es Woche für Woche Knall auf Knall geht. Die Löwen müssen am Donnerstag nach Melsungen, da können sie auch wiederum verlieren - es geht hoch und runter in der Bundesliga.
Schwierige Situation für Ziemer
Am Wochenende beim 31:26-Sieg der Füchse Berlin in Lemgo war vor allem Torhüter Dejan Milosavljev ein entscheidender Faktor. Trainer Velimir Petkovic hat sich dazu entschieden, die Nummer drei im Tor - Martin Ziemer - künftig nicht mehr auf der Bank sitzen zu lassen. Da hat man jetzt klare Verhältnisse geschaffen, denn die Situation war ungünstig für die Stimmung in der Mannschaft.
Es hat ja auch ganz praktische Gründe für den Rhythmus der Spieler: Wenn man drei Torhüter hat, muss man auch drei einwerfen. Das ganze Aufwärm-Programm verändert sich, das kann natürlich auch zu Irritationen führen, weswegen ich die Entscheidung nachvollziehen kann. Für Ziemer ist es natürlich eine unglückliche Situation, er hatte sich schon vorgestellt, zweiter Mann hinter Silvio Heinevetter zu sein. Aber Ziemer ist Profi genug, um das zu akzeptieren und wer weiß, was in dieser Saison noch passiert.
Wechselwirkungs-Prinzip im Handball
Nach dem überragenden Sieg des THW Kiel gegen Telekom Veszprem in der VELUX EHF Champions League, geht es für das Team von Filip Jicha am Mittwoch direkt weiter gegen HC Meshkow Brest (live und exklusiv ab 18:30 Uhr auf Sky Sport 1 HD). Kiel hat das überragend gemacht in Veszprem, es war ein toller Handball. Ich war beeindruckt vom Gegenstoß über Hendrik Pekeler, der es ähnlich wie Johannes Golla in Flensburg interpretiert und sofort weg und eine direkte Anspielstation für die erste Welle ist.
Aber Veszprem hat auch sehr einfallslos gespielt, ohne großes Konzept. Nur über Individualismus und Einzelleistung zum Erfolg zu kommen, reicht vielleicht doch nicht. Das hat aber auch damit zu tun, dass die Kieler eine gute Abwehr gespielt haben. Das ist immer ein Wechselwirkungs-Prinzip im Handball.
Ausfall von Weinhold schmerzt
Am Mittwoch müssen die Zebras auf Linkshänder Steffen Weinhold verzichten, er fällt verletzt aus. Aber die Kieler haben einen Kader, der groß genug ist. Sie können Weinhold mit Harald Reinkind kompensieren, der auch im letzten CL-Spiel eine überragende Leistung gezeigt hat. Man kann aber auch mal mit einem Rechtshänder auf der Halbrechten Position spielen.
Der THW hat ja auch für die CL verpflichtet, also eine Mannschaft, die beide Wettbewerbe spielen kann. Der Kader ist groß, trotz allem schmerzt der Ausfall von Weinhold - so etwas tut weh. Aber damit hat jede Bundesligamannschaft irgendwann in der Saison zu kämpfen, also mit Verletzungen und Spielerausfällen. Es sollten halt nicht zu viele werden, vor allem wenn wir wollen, dass die deutschen Mannschaften ins Final 4 kommen.
Bringt der Meister die Recken zu Fall?
Ein weiterer Knaller steht am Donnerstag in der LIQUI MOLY HBL an, dann trifft der aktuelle Tabellenführer TSV Hannover-Burgdorf auf den amtierenden Meister aus Flensburg-Handewitt (live und exklusiv ab 18:30 Uhr auf Sky Sport 2 HD). Alleine, dass wir uns die Frage stellen, ob Hannover in der Lage ist, den deutschen Meister zu besiegen, zeigt, wie gut sie dieses Jahr drauf sind. Ich traue es ihnen ohne Zweifel zu und das ist ein riesen Fortschritt im Vergleich zur letzten Saison.
Die Recken haben durchaus das Zeug dazu, Flensburg ordentlich in Bedrängnis zu bringen. Aber es ist auch der erste große Härtetest für die wiedererstarkten Hannoveraner, und ich bin selber gespannt, was sie da Flensburg entgegenzusetzen haben. Ich sehe Flensburg leicht favorisiert, traue es Hannover aber zu, weiter auf der Erfolgswelle zu schwimmen.