Sky Experte Stefan Kretzschmar beleuchtet in seiner Kolumne jede Woche die wichtigsten Themen aus der Welt des Handballs. Dieses Mal blickt der ehemalige Weltklasse-Linksaußen voraus auf das große Saisonfinale in der DKB Handball-Bundesliga.
Showdown in der DKB Handball-Bundesliga! Am Sonntag wissen wir endlich, wer deutscher Meister 2018 wird (ab 14:00 Uhr live und exklusiv auf Sky). Tabellenführer Flensburg empfängt Göppingen, Verfolger Rhein-Neckar Löwen spielt zuhause gegen Leipzig. Ich glaube nicht, dass sich Flensburg den Matchball nehmen lässt, den sie von den Löwen zugespielt bekommen haben.
Mit der Chance auf den zweiten Meistertitel der Vereinsgeschichte haben die Norddeutschen ja selbst nicht mehr gerechnet. Die Löwen haben eine grandiose Saison gespielt, machten so einen stabilen Eindruck. Doch dann kam der Pokaltriumph. Nachdem man im elften Anlauf endlich den Fluch beendet hatte, schien den Löwen ein Quäntchen Konzentration abhandengekommen zu sein. Dann kannst du in dieser Liga gegen jedes Team verlieren. Trotzdem konnte sich keiner vorstellen, dass sie in den letzten Spielen noch so viele Punkte liegen lassen.
Holt Machulla in seinem ersten Jahr den Titel?
Aber das haben sie. Und jetzt ist Flensburg in der Pole Position. Dass die SG doch noch Meister werden kann, hätte ich selbst nicht für möglich gehalten. Das ganze gleicht einer Cinderella-Story: Ljubomir Vranjes verlässt den Klub und hinterlässt riesige Fußstapfen. Und dann wird das Team im ersten Jahr unter Maik Machulla deutscher Meister. Was wäre das für eine geile Geschichte!
Für mich wird das Spiel der SG gegen Göppingen auch deshalb so interessant, weil Thomas Mogensen, Mattias Andersson und einige weitere verdiente Spieler danach ja aufhören bzw. den Klub verlassen. Das wird hoch emotional! Zugleich kommt ihnen aber nochmal eine extrem wichtige Rolle zu.
Brutale Situation
Denn Flensburg muss ja Göppingen erstmal besiegen. Ich habe so eine Situation 2001 mit Magdeburg selbst erlebt: Wir mussten das letzte Saisonspiel gegen Flensburg gewinnen, um deutscher Meister zu werden. Das ist brutal. Du schläfst eine ganze Woche lang davor nicht. Die Trainer arbeiten im Akkord, analysieren jedes Fitzelchen bis in's kleinste Detail.
Am Spieltag selbst sind die Älteren, die Persönlichkeiten gefragt. Die müssen das Tempo und den Takt vorgeben und in der Kabine nochmal das Wort ergreifen. Und dann braucht jeder im Team diese einhundert-prozentige Konzentration auf das Ziel.
SG-Stars sehnen sich nach dem Titel
Natürlich kann es sein, dass die SG-Spieler supernervös und angespannt sind. Jetzt, wo alles bereitet ist für den Titel, zu versagen und die Schale nach Mannheim schicken zu müssen, wäre der Super-GAU. Das kann ich mir aber wirklich nicht vorstellen. Sie spielen gegen ein Team, das sie schlagen können. Göppingen ist sicher keine einfach zu bespielende Mannschaft, aber ich schätze das Team von Maik Machulla doch stark genug dafür ein. Die Sehnsucht der Spieler nach diesem Titel ist so groß, dass sie morgen ein Feuerwerk abbrennen werden!
Und dann wäre der Meistertitel für Flensburg auch verdient! Auch wenn die meiste Zeit die Löwen vorne waren, hat die SG das Rennen immer offen gehalten. Generell war es eine der spannendsten Bundesliga-Saisons aller Zeiten! Es gab gleich mehrere Teams, die sich an die Spitze spielen konnten. Ich erinnere an Hannover und Berlin, das fast bis zum Schluss im Meisterschaftsrennen dabei war. Wer dann am Ende oben steht, steht dort auch zurecht. Wenn es eines Beweises bedarf, dass das die stärkste Liga der Welt ist, dann waren das die letzten Wochen. Die Löwen lassen einen Punkt bei Mittelklasse-Team Erlangen, und verlieren gegen Melsungen, das sowas wie die Enttäuschung der Saison war.
Löwen wollen die Mini-Chance wahren
Am letzten Spieltag gegen Leipzig wollen sich die Mannheimer jetzt versöhnlich von ihren Fans verabschieden und die Mini-Chance wahren, doch noch Meister zu werden. Man überlege sich nur mal, Flensburg patzt gegen Göppingen und die Löwen verlieren parallel gegen Leipzig - unvorstellbar!
Auch im Tabellenkeller geht es noch um alles
Flensburg oder Löwen - nicht die einzige Entscheidung, die am Sonntag fällt. Im Abstiegskampf hoffen mit Hüttenberg, Ludwigshafen und Lübbecke noch drei Teams auf den Klassenerhalt. Im normalen Bundesligaverlauf würde ich sagen: Die Tabelle bleibt so, wie sie ist. Dann würden Hüttenberg und Ludwigshafen runter gehen. Wir sprechen aber von keinen normalen Partien, sondern vom letzten Spieltag. Was ich da schon alles erlebt habe…
Für alle drei Gegner der Abstiegskandidaten geht es um nichts mehr. Am Ende wird die Moral dieser Teams ausschlaggebend sein. Es ist zu erwarten, dass sie nochmal alles geben. Bei normaler Konstellation bleibt die Tabelle also so. Aber was ist schon normal am letzten Spieltag? Keine Ahnung, was morgen passiert und wer absteigt! Da halte ich mich mit einer Einschätzung zurück.