Superstar Andy Schmid verspürt Leere
03.06.2018 | 17:24 Uhr
10. Mai, 20:34 Uhr, SAP Arena Mannheim - der ohnehin schon souveräne Tabellenführer, die Rhein-Neckar Löwen, besiegen jetzt auch noch die zuvor heißgelaufenen Magdeburger (15 Spiele ungeschlagen in der HBL). Die dritte Meisterschaft in Serie war damit in der Tasche - zumindest gefühlt.
Wenige Tage zuvor hatten die Löwen bereits ihr episches Pokal-Trauma überwunden. Im zwölften Final4-Anlauf gelang endlich der ersehnte erste Pokalsieg. Vergleiche mit dem THW Kiel zu allerbesten Zeiten wurden gezogen und zusehends für angemessen befunden. Kurzum: Die Löwen besetzten den deutschen Handball Thron unangefochten. Scheinbar.
Was danach passierte, ist nicht ganz einfach zu erklären. Zunächst die Niederlage bei den Adrenalin-Monstern in Berlin- ok, irgendwo nachvollziehbar, nach so einem Programm. Jedoch: was anfangs von außen so nicht wahrgenommen wurde, diese Niederlage ging tiefer.
In Erlangen und gegen Melsungen schleppten die Mannen um Andy Schmid etwas Bleischweres mit sich herum. 1:5 Punkte aus diesen drei Partien, Tabellenführung futsch. Wer das so vorhergesehen hat, der sollte sich sofort mit Lotto-Spielen beschäftigen. 6 Richtige dürften kein Problem sein.
Eine Handball-Mannschaft ist ein sehr komplexes Gefüge. Dennoch definierten sich die Löwen in den vergangenen, sehr erfolgreichen Jahren, vor allem über drei Dinge: Abwehr, Torhüter, Andy Schmid.
Nichts und niemand davon performte auch nur einigermaßen zuverlässig in den besagten drei Partien. Auf einen Schlag fielen Schlüsselspieler wie Appelgren, Palicka und Pekeler in ein großes Leistungsloch. Unvermutet, massiv und zeitgleich. Sonderbar.
Insbesondere der genauere Blick auf Andy Schmid lohnt. Dieser gleichermaßen geniale wie sensible Schweizer Handball Virtuose sprach nach dem Pokalsieg in Hamburg nämlich weit weniger von Freude, als von Leere. Der Druck war offenbar fast übermächtig geworden. Viele Löwen kostete das Wochenende in Hamburg brutal viel Kraft, aber keinen hat es so ausgezehrt wie Schmid.
Wagen wir also einen ganzheitlichen Ansatz. Energetisch betrachtet war der Preis für diesen ersten Triumph im DHB-Pokal offenbar sehr hoch. Zu hoch, wie es aussieht.
Die Führung der RNL muss daraus ihre Schlüsse ziehen. Einer, und womöglich der entscheidende, könnte sein, in Zukunft offensiv weniger abhängig von Schmid zu werden. Der Schweizer ist bereits 34, wird seine Handball-Schuhe wohl spätestens in 2 Jahren an den Nagel hängen. Was er im Angriff tragen und verantworten musste in den vergangenen Jahren, war ungeheuerlich.
Anderen muss nun sukzessiv Anteile dieser Last übertragen werden. Das scheint mir die wichtigste Aufgabe von Trainer Nikolai Jacobsen in seinem letzten Jahr bei den Löwen zu sein.
Die RNL waren auch in dieser Saison für mich die beste deutsche Handball Mannschaft. Aber sehr wahrscheinlich werden sie am kommenden Sonntag nicht zum dritten Mal in Folge deutscher Meister. Wobei, so verrückt wie diese Saison teilweise war - wer weiß, vielleicht bekommt jetzt Flensburg noch die große Flatter. Das wäre dann ebenfalls nur sehr schwer zu erklären.