Charakter-Sieg sichert Spiel um Platz fünf! DHB-Team fertigt Österreich ab
22.01.2020 | 09:51 Uhr
Die deutschen Handballer haben sich nach dem Drama gegen Kroatien wieder aufgerappelt und spielen nach dem Sieg gegen Österreich am Samstag in Stockholm um EM-Platz fünf.
Stolz nahm Johannes Bitter die Ehrung als "Man of the Match" entgegen, an der Seitenlinie applaudierte Bundestrainer Christian Prokop seinem Torhüter fast ein wenig gerührt. Der beste Spieler der Partie war beim 34:22 (16:13)-Sieg der deutschen Handballer gegen Österreich mit vollem Einsatz vorangegangen und machte sich anschließend ein bisschen Gedanken darüber, ob seine beiden Söhne das wohl miterleben durften: "Ich muss gleich mal zu Hause anrufen, ob sie es gesehen haben."
Derweil atmete Prokop am ARD-Mikrofon tief durch. "Genießen konnte ich vielleicht die letzten zehn Minuten, das war mental schon eine große Herausforderung", sagte der 41-Jährige. ARD-Experte Dominik Klein forderte "öffentliche Rückendeckung für den Trainer", und Prokop selbst fand es "schon sehr bitter, dass wir gegen Kroatien mit einem Tor verlieren, und dann wird wegen dem Trainer so ein Fass aufgemacht. Diese Mannschaft entwickelt jedenfalls gerade ein sehr gutes Gefühl für sich."
Den Charaktertest gegen Österreich hat Deutschland jedenfalls mit Bravour bestanden. Gestützt auf den bärenstarken Bitter und mit einer Top-Einstellung wurde das Schlüsselspiel gegen den Gastgeber in der Wiener Stadthalle gewonnen. Der Flug zum Platzierungsspiel am Samstag in Stockholm ist gebucht, das Hauptrunden-Finale am Mittwoch gegen Tschechien (20.30 Uhr) hat darauf keinen Einfluss mehr.
Bester Werfer in einer hochmotivierten Mannschaft war einmal mehr Kastening auf Rechtsaußen, "Mr. Steal Deal" war überall und profitierte von seinen schnellen Beinen und dem perfekten Zusammenspiel mit Bitter. Sechsmal versenkte Kastening den Ball im Tor der Österreicher, fünfmal traf der von ihm auf Rechtsaußen "entthronte" Tobias Reichmann vom Siebenmeterpunkt.
Auch ein missglückter Start konnte das hochmotivierte deutsche Team nicht aufhalten. Zunächst lief es zu ideenlos im Angriff und zu passiv in der Abwehr, viele technische Fehler brachten die Österreicher ins Spiel. Gegen die defensive Deckung der Gastgeber fiel dem deutschen Rückraum nicht viel ein, hinten musste Andreas Wolff zu oft den Ball aus dem Tor holen.
Dann schlug nach 15 Minuten bei einem 7:9-Rückstand die Stunde von Johannes Bitter, und für die gesamte Mannschaft war es eine Art Weckruf. Der mit Sprechchören gefeierte Bitter parierte schon bis zur Halbzeit sechs von neun Würfen auf seinen Kasten, mit zentimetergenauen Anspielen in den Gegenstoß setzte er außerdem Kastening perfekt in Szene. Nicht mehr dabei war zu dem Zeitpunkt bereits Abwehrhüne Patrick Wiencek, der Kieler klagte über Knieprobleme und kam auch in der zweiten Hälfte nicht zurück ins Spiel.
Seinen Part übernahm Johannes Golla, der im Kroatien-Spiel wegen kurzfristig aufgetretener Übelkeit nicht dabei sein konnte. Der 22-Jährige organisierte gemeinsam mit dem vorgezogen spielenden Hendrik Pekeler die Deckung, Deutschland kam nun immer besser ins Spiel. Beim Stand von 15:13 wechselte die Abwehr wieder auf 6:0, und auch dagegen fanden die Österreicher kein Mittel.
In der zweiten Halbzeit blieb die deutsche Mannschaft kompromisslos dran, es gab keine Schwächephase gegen einen verzweifelt kämpfenden Gastgeber, für den es noch um einen Platz in einem Olympia-Qualifikationsturnier geht. Fast mühelos gelangen die Spielzüge, und wenn es hinten doch einmal eng wurde, war wieder Johannes Bitter da. Nach jeder gelungenen Aktion ging er zur Bank und klatschte mit Wolff ab - die Chemie zwischen den beiden Keepern stimmt in jeder Situation.
In der 49. Minute warf Hendrik Pekeler den Ball zum 29:19 ins leere österreichische Tor, es war die erste Zehn-Tore-Führung für die deutsche Mannschaft. Die Quote von Bitter lag zu diesem Zeitpunkt bei grandiosen 50 Prozent. Das Spiel war gelaufen, Deutschland wich keinen Zentimeter zurück, und Österreich kassierte seine höchste Niederlage im Turnierverlauf. Lässig mit den Händen in den Hosentaschen verfolgte Prokop die letzten Sekunden bis zur Schlusssirene, seine Mannschaft ließ nichts mehr anbrennen.