Kretzschmar: Herzlichen Glückwunsch, SG Flensburg-Handewitt!
Die Handball-Kolumne
18.06.2018 | 18:51 Uhr
Die Saison 2017/18 ist Geschichte und Flensburg feiert zum zweiten Mal in der Vereinsgeschichte die deutsche Meisterschaft. Herzlichen Glückwunsch dazu, der SG ist dieser Triumph absolut zu gönnen!
Als erstes freut es mich für Maik Machulla, dem Viele diesen Job gar nicht zugetraut hatten. Es gab Zweifel, dass er schon bereit ist in Ljubomir Vranjes' Fußstapfen zu treten und diese Spitzenmannschaft zu übernehmen. Vranjes hat den Grundstein für diesen Titel gelegt, aber Machulla hat sie weiterentwickelt und die Aufgabe selbst auf sehr sympathische Art gelöst! Dass er im ersten Jahr als Cheftrainer Meister wird, ist eine tolle Cinderella-Story. Diese Meisterschaft kann ihm keiner mehr nehmen!
Eine tolle Geschichte ist auch, dass sich Thomas Mogensen und Mattias Andersson mit dem Titel verabschieden. Sie waren für mich in den letzten Jahren Herz und Seele des Vereins. Ich könnte die Liste noch lange fortführen: Holger Glandorf feierte seinen gefühlt 15. Frühling, Tobias Karlsson ist ein echtes Vorbild in puncto Einstellung und Jacob Heinl verlässt den Klub nach unglaublichen 24 Jahren…
Die Entscheidung war letztlich denkbar knapp: Dass die SG das letzte Spiel mit nur einem Tor gegen dezimierte Göppinger gewann zeigt, wie groß der Druck war. Thomas Mogensen sagte, die Spieler hätten die ganze Woche vor der Partie nicht mehr geschlafen. Jeder hatte das Finale und diese Riesen-Chance im Kopf - und die Angst vor dem Versagen. Alles total menschliche Züge und selbst für Leistungssportler absolut nachvollziehbar!
Ich muss auch meinen Hut ziehen vor der Leistung von Frisch Auf: Mit sieben Feldspielern angereist haben sie alles gegeben und die Meisterschafts-Entscheidung bis in die letzte Minute spannend gehalten. Respekt! Für den neutralen Handball-Fan hätte es kein besseres Saisonfinale geben können.
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SG-Familie versprüht Zusammenhalt
Für mich war Flensburg über die letzten Jahre hinweg die beste Mannschaft der Bundesliga. Wenn man sieht, welcher Teamgeist dort herrscht und wie eng die Verbindung zu den Fans ist, wie der Begriff der "SG-Familie" dort im hohen Norden gelebt wird, dann muss man sagen, dass sie die beste Einheit sind, die es in der Bundesliga gibt. Sie haben nicht die ganz großen Superstars, aber als Verbund stehen sie ganz oben. Deshalb ist die Meisterschaft auch verdient.
Denn die souveränste Mannschaft, die über die ganze Saison den schönsten Handball gespielt hat, hat in der entscheidenden Phase geschwächelt! Dass der Rückstand auf die Löwen noch nicht zu groß war, ist ein Indiz für die grandiose Saison der SG.
Jetzt steht bei der SG ein Umbruch bevor. Ich finde die Personalpolitik der Flensburger in den letzten Jahren sehr sympathisch, Dierk Schmäschke macht einen tollen Job. Man sucht vor allem auf dem skandinavischen Markt: Wer sind die kommenden Talente und wer passt spielerisch in das Konzept? Vor allem wird viel Wert auf die menschliche Komponente gelegt. Das ist die Grundvoraussetzung für eine funktionierende Mannschaft. Das passt in dieser „SG-Familie" einfach. Die Flensburger sind traditionell harte Arbeiter, die in erster Linie in der Abwehr ihre Spiele gewinnen.
Dass die SG als deutscher Meister eine besondere Verantwortung hat, vermehrt auf deutsche Spieler zu setzen, sehe ich nicht. Ich sehe eher eine Verantwortung, den Nachwuchs zu fördern. Und da schafft man in Flensburg aktuell gute Voraussetzungen. Schließlich ist es ja auch nicht so, dass man an den deutschen Nationalspielern nicht interessiert wäre. Oftmals entscheiden die sich aber anders, und Flensburg war schon immer eine Hochburg für skandinavische Spieler.
Auch wenn der Umbruch im Sommer groß ist: Ich finde es gut, dass der Kader konsequent verjüngt wird. Die SG wird auch in den nächsten Jahren um die Champions League mitspielen. Ob es dann zur Meisterschaft reicht? Das entscheiden Nuancen, wie wir in dieser Spielzeit gesehen haben. Aufgrund der Neuzugänge sind die Löwen für mich aber auch nächstes Jahr wieder der große Favorit.
Löwen haben keine schlechte Saison gespielt
Damit kommen wir zum Verlierer dieses Wochenendes. Auch wenn die Löwen in dieser Saison endlich den Pokal gewonnen haben - diese Meisterschaft noch aus der Hand gegeben zu haben ist für die Mannheimer schon bitter! Es ist hart, auf der Zielgeraden den eigentlich komfortablen Vorsprung noch zu verspielen.
Allerdings weigere ich mich zu sagen, dass die Löwen eine enttäuschende Saison gespielt hätten! Sie waren bis vier Spieltage vor Schluss die überragende Mannschaft in Deutschland, haben den schönsten Handball gespielt und stellen den MVP der Liga.
Am Ende waren die zwei schlechten Spiele beim HC Erlangen und gegen Melsungen ausschlaggebend, dass es nicht zur Meisterschaft gereicht hat. Brutal für die Löwen - aber ein sensationelles Saisonfinale für die neutralen Handball-Fans!