Kretzschmar: Mein Bauchgefühl tendiert zu den Löwen
Die Handball-Kolumne
14.03.2018 | 11:06 Uhr
Sky Experte Stefan Kretzschmar beleuchtet in seiner Kolumne jede Woche die wichtigsten Themen aus der Welt des Handballs. Dieses Mal analysiert der ehemalige Weltklasse-Linksaußen das vergangene DHB-Pokal-Viertelfinale der Füchse gegen Magdeburg und wirft einen Blick auf das REWE Final Four.
Was war das für ein emotionales Spiel am Mittwochabend! Das Ost-Derby im Pokal-Viertelfinale zwischen den Füchsen Berlin und dem SC Magdeburg hat genau das gehalten, was es versprochen hat. Beide Mannschaften haben Werbung für den Handball gemacht: Das Spiel war spannend, die Qualität im Angriff war überwiegend hoch und die Stimmung in der Halle geil. Am Ende war Magdeburg eben den Ticken besser und hat auch verdient gewonnen.
Respekt, Robert Weber!
Überragender Spieler war sicherlich Robert Weber. Es freut mich für ihn, dass er so ein wahnsinniges Spiel hingelegt hat. 14 Tore bei 14 Versuchen - ganz ehrlich, das habe ich so nicht erwartet. Nach dem wichtigen, aber vergebenen Siebenmeter im Ligaspiel war er am Mittwoch wirklich eine coole Sau. Ich kenne das selbst noch aus meiner aktiven Karriere. Was solche negativen Momente mit einem psychologisch machen. Respekt, wie er das weggesteckt hat und wie er der Situation nervlich gewachsen war!
Auf der anderen Seite hat natürlich auch Silvio Heinevetter mit seinem Torwartspiel wieder für Furore gesorgt. Er ist einfach positiv verrückt. Natürlich immer am Rande der Legalität und am Rande dessen, was vertretbar ist, aber es gehört zu seinem Spiel einfach dazu. Deswegen ist er in den Köpfen vieler Spieler verankert und hat oft einen psychologischen Vorteil. Die Aktion mit Marko Bezjak habe ich mir drei Mal in der Zeitlupe angeschaut: Das braucht man nicht an die große Glocke hängen. Keiner hat sich verletzt und beide haben eine Zeitstrafe bekommen. Da ist keiner der alleinige Schuldige.
Löwen sollten Pokalfluch besiegen
In den Halbfinals gibt es wieder zwei spannende Partien: Hannover gegen Wetzlar und Magdeburg gegen die Löwen. Erstmal Glückwunsch an Hannover und Wetzlar, dass sie den Sprung nach Hamburg geschafft haben. Beide Teams haben sich das auf jeden Fall verdient. Magdeburg ist die einzige Mannschaft, die den Pokal schon mal gewonnen hat: das letzte Mal vor zwei Jahren. Die Löwen sind im Moment das Stärkste, was der deutsche Handball zu bieten hat. Ich glaube, dass sie schon mal dran sind und ihren Pokalfluch besiegen sollten. Drei Mal haben es die Mannheimer bis jetzt ins Finale geschafft und drei Mal sind sie knapp gescheitert.
Klar, der Pokal hat bekanntlich seine eigenen Regeln. Das hat auch die Vergangenheit gezeigt. Es gibt keinen klaren Favoriten, alle haben die Chance zu gewinnen und für Furore zu sorgen. Alles ist möglich. Doch mein Bauchgefühl tendiert zu den Löwen. Wenn sie in der Lage sind, ihren psychologischen Final-Fluch zu besiegen. Spielerisch sind sie auf jeden Fall die stärkste Mannschaft! Deshalb wollte sie auch sicherlich keiner als Gegner haben. Mit Magdeburg hat es jetzt eine mental sehr starke Mannschaft getroffen. Mit den Fans im Rücken weiß sich der SCM zu steigern.
Torhüter-Duell ist mit ausschlaggebend
Eine Prognose in diesem Duell abzugeben, ist schwer. Beide Mannschaften haben schlaue Angriffsreihen und eine hohe Qualität im Spiel nach vorn. Hinten haben beide hervorragende Torhüter. Andreas Palicka und Mikael Appelgren bei den Löwen. Das vielleicht beste Torhüter-Duo in der Bundesliga. Beide halten überragend - da kannst du im Moment reinstellen, wen du willst. Ihnen gegenüber: Jannick Green und Dario Quenstedt. Beide haben gerade im Viertelfinale gegen Berlin gezeigt, was sie können. Also im vornherein ist hier noch nichts entschieden! In der Defensive sind beide auch gut aufgestellt. Die Verletzung des Löwen-Abwehrchefs Gedeon Guardiola ist natürlich hart. Sicherlich muss man schauen wie die Mannheimer das kompensieren. Dafür haben sie ja auch teilweise Kim Ekdahl du Rietz zurückgeholt.
Zu Ekdahl du Rietz muss man natürlich auch ein paar Sätze sagen. Nach seiner neunmonatigen Handballpause ist er zurück und natürlich eine Verstärkung. Klar, die Löwen waren auch ohne ihn schon das Maß aller Dinge im deutschen Handball. Aber er ist frisch und hat den Kopf frei. Er scheint sofort wieder im Spiel und im System der Löwen integriert zu sein. Sicherlich hat er athletisch noch Defizite, aber das ist ja auch ganz normal. Die Verantwortung liegt ja auch nicht auf ihm. Entscheidend sind vielmehr Spieler wie Andy Schmid, Hendrik Pekeler und das angesprochene Torhüter-Duo.
Hannover ist vielleicht Favorit
Die zweite Begegnung zwischen Hannover und Wetzlar ist nicht minder reizvoll. Favorit ist vielleicht Hannover, weil sie individuell besser aufgestellt sind. Kai Häfner auf Halbrechts, Caspar Mortensen auf Linksaußen, Morten Olsen als Spielmacher sowie die beiden Torhüter Martin Ziemer und Malte Semisch - viele Bausteine, die den bisherigen Erfolg begründen. Olsen ist das Gehirn, das Genie dieser Mannschaft. Einer meiner Lieblingsspieler in der Bundesliga. Er gibt den Recken das gewisse Extra und die Kreativität, das gefällt mir gut.
Aber Wetzlar wird nicht als der typischen Underdog auftreten, da bin ich mir sicher. Sie haben schon den THW Kiel in der Bundesliga geärgert und haben mit Kai Wandschneider einen genialen Trainer an der Seitenlinie. Der wird den Spielern klar machen, dass sie sich vor niemandem verstecken müssen und dass sie im Duell ebenbürtig sind. Wetzlar wird mit viel Selbstbewusstsein auf die Platte gehen.
Festhalten kann man eines: Das Spiel am Mittwoch hat Werbung für den Handballsport gemacht! Es hat gezeigt, wie geil diese Sportart ist. Genau das richtige Zeichen für den Endspurt in der Liga.