Gibt es 2023 zwei NFL-Spiele in Deutschland, Herr Steinforth?
25.12.2022 | 11:38 Uhr
Knapp ein Jahr ist Dr. Alexander Steinforth nun der "Deutschland-Chef" der NFL. Mit Sky hat er im Exklusiv-Interview über das erste Regular-Season-Spiel in Deutschland gesprochen und darüber, wie es mit der NFL hierzulande weitergeht.
Sky Sport: Herr Dr. Steinforth, wie textsicher waren Sie bei John Denvers "Country Roads"?
Dr. Alexander Steinforth: Sagen wir mal so: Der Refrain war bekannt, der gesamte Text aber nicht zu 100 Prozent (lacht). Umso schöner war es zu sehen, dass das ganze Stadion mit so viel Inbrunst mitgesungen hat und dass es jetzt auch seinen Weg in die USA zurückgefunden hat. Die Bucs (Tampa Bay Buccaneers, Anm. d. Red.) haben es jetzt auch bei ihren Heimspielen als "deutsche Tradition" übernommen.
Wie überrascht waren denn die Personen um sie herum, dass die Deutschen den Party-Hit so parat hatten? Man hatte auf den Zuschauerrängen den Eindruck, dass besonders die Amerikaner damit nicht gerechnet hätten.
Von außen ist es nicht immer ganz leicht zu überblicken, welche Songs in Deutschland aktuell sind. Wir haben tatsächlich vorher mit dem Stadion-DJ, der extra aus den USA mit angereist ist, die Musik ausgewählt. Aber am Ende weiß man nie, wie es bei den Zuschauern ankommt. Ich glaube, die Verwunderung bezüglich der Stimmung, die in der Allianz Arena geherrscht hat, war aus US- und internationaler Sicht schon groß. Das war für NFL-Standards nochmal einzigartig.
Wie breit war Ihre Brust, als Sie am 14. November morgens ins Büro gekommen sind beziehungsweise im ersten Meeting mit den Verantwortlichen aus den USA und UK?
Wir haben uns insgesamt als Liga, als alle, die mitgewirkt haben, extrem gefreut, dass das bei unseren Fans in Deutschland, die es bereits gibt oder bei denen, die dazugekommen sind, so gut funktioniert hat. Es herrschte viel Freude, viel Dankbarkeit. Es gibt uns auch gleich den Auftrag für das kommende Jahr: Wie geht es weiter? Wie kann man das - nicht unbedingt toppen -, aber noch einmal so hinbekommen und den Fans schöne Momente bescheren?
Wie fällt ihre Bilanz des ersten NFL-Deutschland-Spiels aus?
Highlights gibt es viele. Das Greifbarste war die super Stimmung im Stadion. Beim Owners Meeting, wurden den 32 Franchise-Eigentümern in der vergangenen Woche sogar nochmal ein Video mit den singenden Fans aus München vorgespielt. Da wurde das Ganze nochmal begeistert aufgenommen. Das zeigt, dass es bei allen relevanten Entscheidern Anklang gefunden hat. Wir sind überwältigt, wie das erste Jahr gelaufen ist, wissen aber trotzdem, was wir in den nächsten Jahren besser machen wollen.
Was wäre das?
Zum Beispiel, dass wir gesehen haben, dass es bisher noch kein Spiel in der Allianz Arena gab, bei dem die Menschen so früh angereist sind. Stunden vorher war der ÖPNV in München überlastet, weil die Fans schon so früh am Stadion sein und das Drumherum erleben wollten. Das ist eine schöne Bestätigung dafür, dass wir das Spiel nach Deutschland geholt haben. Ein Ansatz wäre, dass wir die Leute nochmal früher am Stadion erwarten. Die waren beim Spiel in München sogar früher am Stadion als die Fans beim Super Bowl. Das hat dann auch Einfluss auf die Security, die Verkaufsstände, die Fan-Shops. Wir sind für das erste Jahr aber sehr zufrieden.
Das Interesse war riesig. Rund 3 Millionen Menschen signalisierten Interesse an Karten. Nur 69.000 konnten dabei sein. Kritik gab es unter anderem daran, dass man pro Person 6 Tickets erwerben konnte. Gibt es Pläne daran etwas zu ändern?
Grundsätzlich muss man sagen, dass man es, wenn das Verhältnis zwischen Anfragen und Tickets so extrem ist, nicht verhindern kann, dass es am Ende enttäuschte Gesichter gibt. Es ist nicht möglich, jedem zu einem Ticket zu verhelfen. Erstmal sind wir froh gewesen, dass der Shop unter dieser Riesenlast gehalten hat. Klar ist, auch da werden wir uns anschauen, was wir für nächstes Jahr besser machen können. Die Ansätze, die wir für 2022 mit hineingenommen haben, sind Erfahrungswerte aus 15 Jahre London Games. Dort war es eben der explizite Wunsch der Fans, auch in Gruppen kommen zu können, dass Familien nicht auseinandergerissen werden. Es gibt immer die eine oder andere Partei, die es besser oder schlechter findet, aber auch das schauen wir uns natürlich an.
Abgesehen vom Sportlichen, gab es auch wirtschaftliche Highlights, die Sie überrascht haben?
Sehr viele. Zum Beispiel war es tatsächlich das erfolgreichste Spiel außerhalb der USA, was den Verkauf von Fan-Artikeln anbelangt. Auch da nehmen wir das Feedback auf, dass sich die Leute mehr Verkaufsstände und ein größeres Sortiment gewünscht hätten. Zudem war es, was die TV-Quoten angeht, das erfolgreichste International Game, das je in den USA gezeigt wurde. Das sind Dinge, auf die wir aufbauen können.
Zu sagen, dass die NFL in Deutschland boomt, wirkt fast untertrieben. Wo soll es mit dem American Football in Deutschland hingehen? Können Sie uns einen Ausblick geben?
Es sind viele Themen, die parallel laufen. Das Spiel ist natürlich das wichtigste Event. Da sind wir in den Planungen, wie es im kommenden Jahr aussieht. Wann wird gespielt? Wo wird gespielt? Welche Teams sind dabei? Teams, Ligen, Scheduling Department: Das sind komplexe Diskussionen mit ganz vielen Beteiligten. Darüber hinaus geht es für uns darum, eine ganzjährige Präsenz zu schaffen. Das sind wir im ersten Jahr schon angegangen, zum Beispiel mit Besuchen von Spielern, mit Fan-Events, vor allen Dingen auch dem großen Flag-Programm, was zu unserer Freude eine nachhaltige Entwicklung angestoßen hat. Das wird im kommenden Jahr so weitergehen.
Sie haben das "Highlight" schon angesprochen, aber nur vom "Event" gesprochen - Einzahl. Können Sie den Fans denn Hoffnung machen, dass es "Events" - Mehrzahl - werden?
Wir sind im Moment dabei, uns das genau anzuschauen und sprechen mit allen Beteiligten. Wenn es etwas zu verkünden gibt, dann werden wir das natürlich machen.
Können Sie den Fans auch keinen Ausblick auf die Chancen eines zweiten Spiels in Deutschland geben?
Sobald es etwas zu verkünden gibt, machen wir das natürlich gerne (schmunzelt).
Sie sind im Februar ein Jahr im Amt. Wie war Ihr Einstieg bei der NFL und wie fällt Ihre Bilanz aus?
Es war ein guter Einstieg. Es war jedoch so, als würde man versuchen, auf einen rasenden Schnellzug aufspringen zu wollen. Im Februar haben wir es verkündet. Ich hatte schon das Glück, in den Monaten zuvor in die Themen reinzukommen. Wir haben hier eine Organisation und ein Team aufgebaut, mussten einen Standort finden und das große Spiel zusammen mit den Kollegen planen. Wir waren Ansprechpartner für die Teams, haben uns hier ein Netzwerk aufgebaut, Sponsoren gefunden und akquiriert. Und auch Flag-Football war ein Riesenthema, wenn man versucht, ein deutschlandweites Programm aus dem Boden zu stampfen. Uns ist zu keinem Zeitpunkt langweilig geworden, im Gegenteil. Egal, mit wem wir sprechen, ob Politik, Sponsoren oder Fans, alle haben unheimlich Lust auf das Thema.
Wieso haben denn die Menschen hierzulande so viel Bock auf American Football? Gerade hier, in einem Fußball-Land wie Deutschland.
Was wir von den Fans gespiegelt bekommen, ist der Sport an sich dafür verantwortlich. Es ist ein hochklassiger Sport mit tollen Athleten und meistens mit Spannung bis zum Ende. Es gibt eine ausgeglichene Liga mit einem sehr guten Ligasystem und klaren Regeln, die sehr dazu beitragen, dass es einen spannenden Wettbewerb gibt, sei es der Salary-Cap oder das Draft-System. Davon abgesehen gibt es einen großen Appetit von Sportfans auf die Verbindung von Sport und Entertainment. Sei es eine Halftime-Show oder wie es bei uns war eine Pre-Game-Show, Tailgaiting, wie wir es vor dem Stadion aufgebaut haben oder unser Versuch, die ganze Woche davor schon in der Stadt sichtbar zu sein.
Kann die Fußball-Bundesliga diesbezüglich etwas lernen?
Wir sind nicht in der Position, das zu beurteilen. Die Bundesliga ist eine sehr professionell geführte Liga, die größte Sportliga in Deutschland. Da gibt es Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Da wo es Gemeinsamkeiten gibt, freut es uns zusammenzuarbeiten. Wir schauen da interessiert drauf und versuchen das im Rahmen unserer Partnerschaft bestmöglich für beide Seiten zu nutzen.
Dann sind Sie aber in der Position das aus der umgekehrten Position heraus zu bewerten. Was kann die NFL von der Bundesliga lernen?
Ich glaube, dass die Bundesliga und ihre Teams in den vergangenen Jahrzehnten einen super Job darin gemacht haben, ihre Fans zu binden und emotionale Verbindungen zu schaffen. Da ist die Bundesliga den anderen Fußballligen nochmal eins voraus. Zudem ist die Liga in vielen Bereichen professionell aufgestellt. Wir freuen uns über den engen Austausch, den wir mit der Liga haben.
Liga-Chefin Donata Hopfen hat die DFL verlassen. Mit ihr in der Verantwortung hat die NFL eine Partnerschaft mit der DFL geschlossen. Wie sieht die Zusammenarbeit künftig aus?
Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit der kommenden Führungsriege, die erstmal eine Interimslösung ist. Wir hatten immer mal wieder auch einen Austausch mit Axel Hellmann (Vorstandssprecher von Eintracht Frankfurt und aktuell Interims-Geschäftsführer der DFL) bezüglich Frankfurt als Spielort. Wir sind sehr gespannt, wie es auf DFL-Seite über den Sommer hinaus weitergeht. Wir sind sehr daran interessiert, diese gute Zusammenarbeit fortzuführen.
Und inhaltlich?
In München war schon gut zu sehen, dass wir versuchen, der DFL zu helfen, die größtmögliche Sichtbarkeit in den USA zu bekommen, einem der größten Zielmärkte der Liga. Wir wollen sicherstellen, dass beide Seiten davon profitieren, zum Beispiel in den Bereichen Marketing, Events, Produktion.
Haben Sie ein konkretes Beispiel?
Ein kleines Beispiel ist, dass wir die gesamte Vorwoche mit unserem TV-Sender in den USA, NFL Network, aus München berichtet haben. Es war unser Ziel möglichst viel Bundesliga und Fußball unterzubringen. Wir hatten Gäste vom FC Bayern, waren am Dienstag zuvor auch beim Spiel (gegen Bremen) in der Arena. Darüber hinaus haben wir viel Content gemeinsam produziert.
Abschließend: Gibt es für den NFL-Deutschland-Chef eine besinnliche Weihnachtszeit oder sind Sie weiterhin, wie die ganze NFL voll im Betriebsmodus?
Es werden hoffentlich besinnliche Weihnachten (schmunzelt). Klar, dadurch, dass die Liga weiterläuft, kann man sich nie ganz herausziehen. Es wird für die nächste Woche aber schon ein Stück weit ruhiger.
Letzte Frage und ich versuche es noch einmal. Wann, wo und wie oft wird 2023 die NFL mit einem Spiel in Deutschland zu Gast sein?
Sobald wir was verkünden können, werden wir etwas verkünden. Aber guter Versuch!
Das Interview führte Max Georg Brand.