Timo Glock über Verstappen, Hamilton, Alonso, Sainz, Mick und Hülkenberg
Glock: "Hamilton wird sich wie das fünfte Rad am Wagen fühlen"
28.02.2024 | 11:18 Uhr
Timo Glock blickt im exklusiven Sky Interview auf die neue Saison in der Formel 1. Dabei äußert sich der Sky F1-Experte zum WM-Kampf, die Situation rund um Mercedes und Lewis Hamilton sowie Ferrari und Carlos Sainz. Außerdem spricht Glock über die Zukunft von Nico Hülkenberg und Mick Schumacher.
Skysport.de: Herr Glock, was waren Ihre Eindrücke von den Testtagen in Bahrain?
Timo Glock: "Bei den Testfahrten ist es natürlich immer schwer zu sagen, wer am Ende wirklich was gezeigt hat. Was überraschend war, waren die wenigen technischen Probleme bei allen Teams. Erschreckend war natürlich, dass sich ein Max Verstappen ins neue Auto gesetzt hat und von Anfang an sehr zufrieden war. Verstappen war sehr happy, hatte ein dickes und breites Grinsen im Gesicht. Die Balance am Red Bull stimmte, das Auto hat so reagiert, wie er es gerne hat. Das war beeindruckend, dass Red Bull mit dem neuen Konzept direkt so gut dasteht."
Skysport.de: Welche Teams können gegen Max Verstappen um den WM-Titel kämpfen?
Glock: "McLaren und Ferrari haben die besten Möglichkeiten, Red Bull 2024 anzugreifen. Beide sahen bei den Testfahrten sehr solide aus. Die Frage wird sein, was Mercedes aus dem neuen Paket herausholen kann. Sie haben ja vom Konzept den Red-Bull-Weg eingeschlagen. Das werden die Hauptkonkurrenten von Max Verstappen sein."
Schwierige Situation bei Mercedes
Skysport.de: Was würde es für Mercedes bedeuten, wenn Red Bull mit dem neuen Konzept - das ja an das von Mercedes von 2022 und 2023 erinnert - der Konkurrenz um die Ohren fahren würde?
Glock: "Das würde die eine oder andere Falte bei Mercedes auf die Stirn zaubern. Es ist noch nicht ganz der aggressive Weg, den damals Mercedes eingeschlagen hat, aber man hört ja schon, dass zum Japan-GP bereits ein Update kommen wird. Am Ende wird es ein Schlag ins Gesicht für Mercedes. Sie haben das Konzept mit Entwicklungszeit für rund zwei Jahre verfolgt und mussten es irgendwann abhaken, weil man es nicht verstanden hat und das Potenzial herausholen konnte. Dann kommt Red Bull um die Ecke, gehen den Weg, den Mercedes zuvor erfolglos gegangen ist, während alle anderen ja den Weg nun gegangen sind, den Red Bull zuvor eingeschlagen hat. Red Bull scheint das Mercedes-Konzept zum Arbeiten gebracht zu haben. Das zeigt die Grundstruktur bei Red Bull, sich nicht auf einem Konzept auszuruhen, sondern zu erkennen: 'Wir kriegen nicht mehr aus dem alten Paket heraus, wir müssen einen neuen Weg gehen'. Und das neue Auto funktioniert dann auf Anhieb von Runde eins. Das ist herausragend."
Skysport.de: Wie ist die Situation von Lewis Hamilton, der ja frühzeitig seinen Wechsel 2025 zu Ferrari bekanntgegeben hat, vor seinem letzten Jahr bei Mercedes?
Glock: "Wenn Lewis Hamilton merkt, dass er ein gutes Paket hat, wird er weiterhin sehr motiviert sein. Klar kommt dann auch aber irgendwann der Punkt, wo Hamilton sich wie das fünfte Rad am Wagen fühlen wird. Er wird dann in gewissen Gesprächen nicht mehr involviert sein, der Hauptfokus wird frühzeitig auf George Russell gelenkt sein. Somit keine einfache und eher eine ungewöhnliche Situation für Hamilton. Aber Hamilton ist offen und ehrlich mit seinen Partnern umgegangen und hat seine Entscheidung frühzeitig verkündet. Dennoch eine unangenehme Position für ihn und auch für Mercedes. Bei der Entwicklung liegt der Fokus jetzt nur noch auf einem Fahrer."
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Alonso oder Mick als Hamilton-Ersatz?
Skysport.de: Wer ist Ihrer Meinung nach der Favorit auf die Hamilton-Nachfolge?
Glock: "Bei der Nachfolge von Hamilton muss Toto Wolff eine Entscheidung treffen, um das Maximum aus dem Team herauszuholen. Da brauche ich dann einen erfahrenen Piloten in dieser Situation, auf den ich mich blind verlassen kann. Ein Fernando Alonso im Mercedes wäre schon Wahnsinn. Mit der deutschen Brille gesehen natürlich Mick Schumacher, wenn er die Möglichkeit bekommen würde. Er ist im Team involviert, kennt die Abläufe und hat zwei Jahre Erfahrung in der Formel 1 als Stammpilot gesammelt. Der erst 17-jährige Kimi Antonelli ist ein Riesentalent, aber meiner Meinung nach noch ein Ticken zu früh, ihm muss man noch etwas mehr Zeit geben, vielleicht auch ein Vorbereitungsjahr in einem Kundenteam. Da könnte Alonso natürlich auch der perfekte Austausch sein, wenn er nur noch ein oder zwei Jahre fahren will, dafür aber in einem Topteam. Dann könnte er seine Karriere auf einem Höhepunkt eventuell beenden. Bei Alonso könnte ich mir aber auch vorstellen, dass er bis 47, 48 oder 49 Jahre fahren will. Da ist die Frage, wann der nächste Dominostein in den Fahrerverhandlungen fällt und dann Bewegung hineinkommt."
Skysport.de: Viele Fahrerverträge laufen Ende 2024 aus. Wie stehen die Chancen generell für Mick Schumacher in die F1 zurückzukehren?
Glock: "Mick muss jetzt die Möglichkeiten, die er in der WEC hat, nutzen und zeigen, was er kann. Mercedes hat bestimmt genügend Erfahrung aus den Simulator-Tagen mit Mick. Er kann sich eventuell auch über Alpine für die Formel 1 platzieren. Die Türen für ihn gehen definitiv auf. Er muss parat sein, auch wenn sich mal eine Möglichkeit ergibt über das Jahr hinweg als Reservefahrer bei Mercedes - wenn Hamilton mal einen schlechten Tag hat oder Magenverstimmungen. Dann muss er da sein und liefern."
Sainz wird keine Rücksicht mehr nehmen
Skysport.de: Der große Verlierer beim Hamilton-Wechsel ist erst einmal Carlos Sainz, der nun für 2025 noch ohne Cockpit dasteht. Wie sehen Sie die Situation bei Ferrari in dieser Saison auch teamintern mit Charles Leclerc?
Glock: "Ich glaube, dass Carlos Sainz keine Rücksicht auf irgendwelche Verluste nehmen wird. Der wird vollkommen aggressiv vorangehen, auch teamintern gegen Charles Leclerc. Er wird zeigen wollen, dass es eine Fehlentscheidung war, ihn vor die Tür zu setzen. Er will sich auch positionieren für Topteams und alle wissen, wie gut Sainz ist, das hat er gezeigt, egal in welchem Team er war. Sainz hat überall performt und eine sehr konstante Leistung gebracht. Von daher ist er in einer sehr guten Position, was seine Zukunft angeht."
Skysport.de: Auch Nico Hülkenberg geht bei Haas in sein letztes Vertragsjahr. Wie stehen die Chancen, dass der Deutsche 2024 viel Eigenwerbung für einen neuen Vertrag - vielleicht auch bei einem Topteam - betreiben kann?
Glock: "Es kann natürlich sein, dass es noch schlechter wird als in 2023. Denn Haas hat Ende letzten Jahres ja ein neues Paket ans Auto gebracht, mit dem macht man wohl weiter. Alle anderen Teams kommen mit neuen Autos. Die einzige Hoffnung für Haas ist es, dass man verstehen konnte, wieso man sich beim Reifenmanagement so schwergetan hat. Die Rennpace muss besser sein, dass man dann da zur Stelle ist, wenn es Punkte abzugreifen gibt. Für Nico Hülkenberg wird es ein zähes Jahr. In der Formel 1 wird schnell vergessen, wie gut man ist. Nico hat es in vielen Qualifyings im Vorjahr zeigen können, aber mit den Steigerungen der anderen Teams wird es für ihn noch schwerer werden zu zeigen, wie gut er ist. Keine einfache Situation für ihn, vielleicht gibt es aber Updates, um dieses Paket zu verbessern. Er hat sich sicherlich schon in Gesprächen auch mit anderen Teams mit Blick auf 2025 positioniert. Ich hoffe, dann wird er noch mal einen guten Schritt machen können."
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