Ohne Tobias Obauer-Bannerfeld würden die Sky Zuschauer bei der Formel-1-Übertragung in die Röhre schauen. Er ist als Produktionsleiter nicht nur für viele technische Komponenten verantwortlich, der Bayer sorgt als Kameramann auch dafür, dass wir Ralf Schumacher und Timo Glock auf Schritt und Tritt begleiten können.
Sky Sport: Hallo Tobias, du bist seit einigen Jahren Produktionsleiter und Kameramann für die Formel 1 bei Sky. Beschreibe doch mal in groben Zügen deine Aufgaben an einem normalen Rennwochenende.
Tobias Obauer-Bannerfeld: Ich reise immer ein paar Tage vor allen anderen an. Das heißt für Miami, dass ich Montagfrüh losfliegen werde. Dienstag und Mittwoch sind die klassischen Aufbautage. Dann machen wir einen Check der Kommentator-Kabine, in der Sascha Roos, Ralf Schumacher und Timo Glock sitzen. Dort wird gecheckt, ob alle Bild- und Ton-Leitungen nach München stehen. Mittwoch kommen die Redaktion und die Experten dazu. Am Donnerstag machen wir meistens ein Interview mit Mick (Schumacher; Anm. d. Red.), schalten ein paar News, drehen Bilder für Filme und machen das Warmup. Bei den Interviews hängt es immer davon ab, wie viele wir bekommen. Freitag, Samstag und Sonntag folgen ganz normal die Sessions. Da bin ich bei den Interviews mit den Fahrern, Teamchefs oder anderen Personen dabei. Sonntag, nachdem das Rennen und die Sendung zu Ende sind, reist die Redaktion wieder ins Hotel zurück, wir bauen dann noch ab. Montag fliege ich wieder heim und bin Dienstag wieder im Büro.
Wie sieht es am Rennsonntag vor dem Start aus?
Wir haben am Sonntag eineinhalb Stunden Vorlauf. Eine Hälfte davon sind wir auf dem Grid, die andere Hälfte sind wir entweder in der Pitlane oder im Fahrerlager. Ich stehe parat, wenn wir mit unseren Gästen Interviews führen. Die spannendste Phase ist das Grid, weil da so viel Gewusel ist. Du kommst so nah dran an die Fahrer, die Teamchefs, die Renningenieure und die Autos. Dabei möchte ich immer gerne extrem viel zeigen. Ich sehe mich als verlängerter Arm des Zuschauers.
Wie meinst du das?
Der Zuschauer sitzt zu Hause auf der Couch und ich könnte mir vorstellen, dass sich 90 Prozent von denen wünschen, dort zu sein, wo ich gerade bin und die Autos gerne mal live sehen würden. Und für diese Zuschauer sage ich mir: Okay, ich gehe jetzt noch näher heran. Vielleicht ist es in manchen Momenten auch zu nah, aber das ist mir wurscht, weil ich mir denke: Jetzt musst du das Ding zeigen! Dabei muss ich mir immer den Weg bahnen und aufpassen, denn die Mechaniker laufen dort ohne Rücksicht auf Verluste durch. Wir pflügen uns in dieser Zeit von hinten nach vorne durch, haben Gesprächspartner und können viel an den Autos zeigen. Schön ist es, wenn wir am Ende beim Polesetter stehen und noch letzte Interviews führen oder eine Moderation machen.
Was sind für euch Kameramänner und -frauen absolute No Gos?
Ein No Go ist, dass wir nicht in die Garagen dürfen. Das war früher noch anders. Zudem gibt es das Thema Detailaufnahmen. Dazu ein Beispiel aus Imola. Ein Fotograf aus England hat ziemlich detaillierte Aufnahmen vom Ferrari-Unterboden gemacht, als Sainz in Q2 rausgeflogen ist. Wenn das Auto zurückkommt, stehen die Mechaniker meistens schon parat, um es mit einer Plane abzudecken, damit man nicht drunterfilmen kann. Das war da aber nicht der Fall. In diesen Situationen, wenn du mit der Kamera kommst, sind die Mechaniker schon rabiat, streng und schieben dich weg. Es ist also ein No Go das zu filmen, da machst du dir keine Freunde.
Aber als Journalist möchte man doch gerade das tun...
Ja, das ist unser Job. Bezüglich der Mechaniker denke ich: Es ist euer Job, das Auto abzudecken. Wenn ihr euren Job nicht macht, mache ich meinen. Red Bull ist zum Beispiel sehr streng, was den Unterboden anbelangt. Letztes Jahr in Silverstone, als Lewis Hamilton Max Verstappen in der ersten Runde abgeschossen hat, kam das Auto von Verstappen zurück und ich war live drauf. Kurz darauf kamen die Red-Bull-Mechaniker und schubsten mich beiseite. Aber mein Gott, dann wackelt halt das Bild. Das ist aber vielleicht genau das, was der Zuschauer gut findet, weil er live dabei ist. Man kann schon sagen, dass der Unterboden ein Heiligtum in der Formel 1 ist, den Rest erkennt man ganz gut.
An Mercedes merkt man gerade, wie wichtig ein guter Unterboden sein kann.
Genau. Und ich kann mir vorstellen, dass die den Fotografen anschreiben, der die Fotos von Sainz' Unterboden gemacht hat, um die hochauflösenden Bilder zu bekommen. Damit verdient er sich eine goldene Nase, wenn er die weiterverkauft. Jedes Team hat zudem Fotografen, die dafür abgestellt sind, um Details der konkurrierenden Autos zu fotografieren.
Hast du auch schon Angebote bekommen?
Nein, ich mache keine Standbilder, die so hochauflösend sind, wie die der Fotografen. Aber wenn mal einer was will, dann kann er sich gerne melden (lacht).
Du bist immer mit einem Experten unterwegs. Entweder mit Ralf Schumacher oder Timo Glock. Gibt es Unterschiede in der Zusammenarbeit?
Die sind beide schon sehr unterschiedlich. Aber das finden wir super. Nichts ist langweiliger, als wenn beide das gleiche reden und genau gleich sind. Schaut man sich beide in der Pitlane an, dann ist Ralf der Stillere, der beobachtet, wie ein Panther auf und ab schreitet und schaut, ob er was findet. Hat er was gefunden, analysiert er das messerscharf und gibt das sofort nach München weiter und dann zeigen wir das.
Und Timo ist kein "stiller Panther"?
Timo ist derjenige, der am liebsten direkt in die Garage rennen, die Teile siegesstrahlend rausholen und sie zeigen würde. Die Mechaniker würden ihm hinterherrennen und sie zurückholen müssen. Er würde alles am liebsten sofort anfassen, unter das Auto kriechen und da alles zeigen. Man muss ihn manchmal etwas bremsen. Da gibt es Regeln, an die wir uns halten müssen. Das ist nur eine Frage der Zeit, bis er da von den Teams mal einen auf den Deckel kriegt: Ey, fass unsere Teile nicht an! Aber ich finde das super. Das bringt den Zuschauer auch wieder näher an die Strecke. Ralf ist der Ruhigere, Timo ist der Quirlige. Beide sind top. Wir möchten sie mit Sicherheit nicht mehr missen. Sie sind menschlich wie fachlich eine Bereicherung!
Hast du eine Top-3 deiner liebsten Rennstrecken?
Singapur ist für mich ganz oben. Es ist einfach special, es ist ein Nachtrennen und ich finde die Bilder immer geil, die das Worldfeed liefert. Das hat seinen ganz eigenen Charme. Danach kommt Mexiko mit dem Foro Sol, dem Stadion, durch das sie durchfahren. Die Dritte ist schwierig. Ich nehme Australien. Ich finde die Lösung mit dem Albert Park schön, wir können zu Fuß hingehen und die Leute sind freundlich. Wenn wir dort hinkommen, ist auch schon Herbst. Und wenn die Blätter auf der Strecke liegen und die Autos drüberschießen, dann hat auch die Strecke ihren eigenen Charme.
Hast du ein Rennen, dass dir besonders in Erinnerung geblieben ist?
Klar, Bahrain 2020. Mit Romain Grosjeans Unfall. Da hat man erstmal geschluckt, als man die Bilder gesehen hat. Zu Beginn haben wir nicht viel mitbekommen, sondern nur, dass Sascha irgendwas mit Feuer gerufen hatte. Feuer ist immer ein schlechtes Zeichen. Und wir haben später Bilder gedreht, wie Grosjean ins Medical Center gebracht wurde. Ich hab nur durch den Sucher gesehen, dass er völlig neben sich in dem Auto saß. Wir hatten zu dem Zeitpunkt noch gar nicht gesehen, was passiert war.
Er war kurz nach dem Start mit voller Wucht in die Leitplanke gefahren. Sein Auto ging sofort in Flammen auf.
Das haben wir dann erst im Fahrerlager gesehen und waren erstaunt, dass er aus dem Auto noch herausgekommen ist. Der schönste Moment war, als er vier Tage später mit den bandagierten Händen zurück ins Fahrerlager kam. Alle Leute haben ihn umarmt und teilweise geweint. Das zeigt, dass der ganze Formel-1-Zirkus eine Familie ist. Egal welches Team, alle kommen, umarmen ihn und sind froh, dass er noch da ist. Das war aufregend. Es ist eines der Rennen, das mich nachhaltig beeinflusst hat.
Und Abu Dhabi?
Natürlich Abu Dhabi letztes Jahr! Das war Wahnsinn. Da hatte wirklich keiner mehr auf dem Schirm, dass Max Verstappen noch Weltmeister wird - und vor allem wie! Dass da nicht alles mit rechten Dingen zuging, darüber brauchen wir gar nicht reden. So was wird es auch wahrscheinlich nie wieder geben. Aber im Herzen hat es mich dann schon gefreut, dass es Max geworden ist.
Gibt es einen Grand Prix, der am einfachsten umzusetzen ist und einen, der am schwierigsten umzusetzen ist?
Ich mag den Grand Prix in Belgien nicht. Wenn ich nicht hin müsste, weil es das erste Rennen nach der Sommerpause ist, dann würde ich es auslassen. Das Wetter ist immer schlecht, es ist immer kalt, die Wege sind lang, zum TV Compound musst du einen Hügel hoch, bei dem du jedes Mal fluchst, wenn du den hoch musst und erst recht, wenn du etwas vergessen hast. Brasilien ist auch recht schwierig, ebenso Kanada. Bei beiden Strecken sind die Wege lang.
Müsste Monaco nicht auch schwierig sein?
Monaco ist einfach speziell. Es beginnt schon bei der Anfahrt. Aufgrund der Rahmenserien, die dort auch unterwegs sind, sind irgendwann die Zufahrten gesperrt. Dann kommst du nicht mehr durch und musst laufen. Also muss man früh los. Dann ist das Fahrerlager getrennt von der Pitlane. Auch da muss man ein bisschen gehen. Dass es sich alles so verteilt, macht es schwieriger. Technisch kommt hinzu, dass wir komplett per Funk arbeiten. Dadurch, dass Monaco zwischen Italien und Frankreich eingekesselt ist, streuen immer irgendwelche Mobilfunknetze mit rein. Dann kommen noch die ganzen Jachten und ihre Radare hinzu. Auch die Häuserschluchten haben einen Einfluss darauf. Deshalb kommt es schonmal zu Funkaussetzern, weil man es nicht immer sauber abdecken kann. Das macht es auch für das Worldfeed schwierig. Was das anbelangt, ist Monaco schon richtig anstrengend.
Wo arbeitet es sich denn leicht?
Von den Gegebenheiten her ist der Red-Bull-Ring in Österreich ganz gut, auch Monza ist einfach. Der TV Compound ist nah am Paddock, man ist recht schnell dort.
Abschließend: Freust du dich schon auf die beiden neuen Rennen in Miami und Las Vegas?
Klar! In Miami ist ja schon der Ort an sich super. Es ist immer aufregend, ein komplett neues Rennen zu haben. Ich bin gespannt darauf, wie es wird. Ich glaube, dass dort eine hohe Promidichte auf dem Grid herrscht und wir wieder super Interviews führen können. Vielleicht kommt auch Shaquille O'Neal wieder, dann kann Peter nochmal einen zweiten Teil mit ihm drehen (lacht).
Und Las Vegas?
Für Las Vegas kamen schon viele Anmeldungen von Kollegen rein, die uns sehr gerne produktionstechnisch unterstützen wollen (lacht). Ich musste denen sagen, dass sie sich hinten anstellen müssen. Da wollen viele hin. Bei Dunkelheit, mit dem ganzen Glamour, den Casinos und auf dem Strip entlang - das wird schon special. Es wird eine Herausforderung sein. Dort ist auch nicht so viel Platz. Aber irgendwie wird es am Ende doch umgesetzt.
Das Interview mit Tobias Obauer-Bannerfeld führte Sky Sport Redakteur Max Georg Brand.