Bei Red Bull geht beim Qualifying in Baku die bekannte Strategie nicht auf. Sergio Perez und Weltmeister Max Verstappen landen auf den Plätzen zwei und drei hinter Ferrari-Pilot Charles Leclerc. Dennoch spricht im Hinblick auf das Rennen einiges für den Rennstall aus Milton Keynes.
Bei Red Bull gibt es eine klare Abmachung, was das Qualifying betrifft. Von Rennwochenende zu Rennwochenende wechseln sich die beiden Piloten im Hinblick auf Windschatten geben in Q3 ab, um die Chance auf die Pole Position zu erhöhen. Bei der Quali zum GP von Aserbaidschan hatte deswegen Perez die Aufgabe, im entscheidenden Abschnitt Q3 als Windschattengeber für Verstappen zu fungieren.
Doch die Strategie ging diesmal aufgrund von temporären Problemen beim Mexikaner nicht auf. "Es war vorgesehen, dass Perez vor Verstappen hinausfährt", erklärt Red Bulls Motorsportberater Dr. Helmut Marko am Sky Mikrofon. "Dann gab es aber beim Tanken ein Problem und dadurch hatte Max im letzten Sektor nicht den Windschatten [durch Perez], der eigentlich vorgesehen war."
Am Ende landete Verstappen so "nur" auf dem dritten Platz hinter seinem Teamkollegen. Die Pole Position ging ausgerechnet an WM-Konkurrent Leclerc im Ferrari. Keine optimale Ausgangsposition für Red Bull, wie Dr. Marko im Anschluss zugab. Doch die Hoffnungen auf ein erfolgreiches Rennen (Sonntag ab 11:30 Uhr LIVE und EXKLUSIV auf Sky Sport F1) beim Team um Weltmeister Verstappen sind groß - und das aus mehreren Gründen.
1. Topspeed & Strecken-Charakteristika
In Sachen Topspeed hat Red Bull gegenüber dem engsten Konkurrenten Ferrari klar die Nase vorne. Dies wurde in den bisherigen Sessions in Baku vor allem im dritten Sektor deutlich, der quasi nur aus einer einzigen langen Highspeed-Geraden besteht. Dieser Bereich der Strecke ist prädestiniert zum Überholen. Für den gejagten Polesetter Leclerc heißt es also im engen Infield des Kurses so viel Zeit gut zumachen, um die beiden Red Bulls möglichst auf Abstand zu halten und eine Attacke auf der Start-Ziel-Geraden zu vermeiden. Ein schweres Unterfangen, denn immerhin haben die Red Bull auf der besagten Geraden knapp zwei Kilometer zur Verfügung, um am Ferrari vorbeizuziehen.
Ein Blick zurück auf die vergangenen Rennen in der laufenden Saison zeigt, dass sich der RB18 auf dieser Art von Rennstrecke sichtlich wohlfühlt. Auch die Kurse in Jeddah (Saudi-Arabien) und Miami (USA) zeichnen sich durch ähnliche Charakteristika (kurviges, enges Infield und mindestens eine sehr lange Highspeed-Geraden) aus. Bei beiden Rennen saß der Sieger in einem Red Bull. In Miami gelang Verstappen der Sieg sogar von Platz drei aus. Beide Ferrari mussten ihn vorbeiziehen lassen.
Die Stärke Red Bulls auf solchen Kursen ist auch Ferrari-Sportdirektor Laurent Mekies bewusst: "Wir wissen bei solchen Strecken, das Red Bull auf den Geraden einen Vorteil beim Speed hat. Das haben wir in Miami und in Jeddah gesehen." Für den GP von Aserbaidschan setze man bei Ferrari nun aber auch auf "etwas weniger Abtrieb durch den Heckflügel". So will die Scuderia dem starken Red Bull Powertrain entgegenwirken. Ob dies aber gelingen wird, muss sich erst noch zeigen.
2. Besseres Rennauto
Der kleine Rückschlag im Qualifying macht Red Bull auch aus einem anderen Grund nicht nervös. "Wir glauben, das bessere Rennauto zu haben", zeigt sich Dr. Marko zuversichtlich. "So wie Ferrari auf die einzelne Runde besser zu sein scheint, haben wir im Renntrimm und mit vollen Tanks das schnellere Auto."
Diese Einschätzung von Dr. Marko teilt auch Mekies. Es sei insgesamt sehr eng mit Red Bull, aber "sie sind normalerweise etwas stärker im Rennen. Wir erwarten ein sehr hartes Rennen in dieser Hitze."
Der Vergleich Qualifying/Rennen in dieser Saison untermauert die Aussagen der Beteiligten. Bereits dreimal (Miami, Barcelona, Monaco) gelang es Red Bull zu gewinnen, obwohl Ferrari die Pole Position besetzt hatte. Gleiches hat die Scuderia in dieser Saison bislang noch gar nicht geschafft.
3. Strategie
Ein weiterer Umstand, der Red Bull in die Karten spielen könnte, ist die nicht optimale Platzierung des zweiten Ferrari-Piloten Carlos Sainz. Während Teamkollege Leclerc im letzten Schuss eine wahre Zauberrunde in den Asphalt brannte, zahlte sich "das kleine Extrarisiko", wie es Sainz formuliert hatte, nicht für den Spanier aus. Am Ende stand nur P4 auf dem Papier - zur Freude von Dr. Marko.
"Gott sei Dank ist Sainz nur Vierter, weil wenn die vorne zu zweit gefahren wären, hätten sie wahrscheinlich einen Abstand schaffen können. Aber so wird das glaube ich ein sehr gutes Rennen und ich hoffe, dass wir aus eigener Kraft gewinnen."
Durch die doppelte Red-Bull-Besetzung hinter Leclerc hat der Rennstall aus Milton Keynes somit im Hinblick auf die Strategie den Vorteil, Druck auf den Monegassen ausüben und diesen sowie Ferrari zu bestimmten Reaktionen drängen zu können. Auch im Bereich der Reifen sieht Dr. Marko einen Vorteil bei Red Bull: "Wir haben reifenmäßig zwei Satz harte Reife, Ferrari nur einen. Bei den hohen Temperaturen kann das wichtig werden."
4. Perez ist "on fire"
Apropos hohe Temperaturen: "On Fire" ist derzeit auch Red-Bull-Pilot Perez, der aktuell zu den formstärksten Fahrern im Feld zählt. Sein gestiegenes Selbstvertrauen nach dem jüngsten Sieg in Monaco könnte nun auch in Baku wieder ein ausschlaggebender Faktor werden. Dr. Marko kommt beim 32-Jährigen fast schon ins Schwärmen: "Er ist im neuen Jahr äußerst stark. Er wird von Rennen zu Rennen besser und macht keine Fehler. Vor allem auf Stadtkursen ist er sehr, sehr gut. Mit dem Sieg in Monte Carlo, letztes Jahr hat er hier gewonnen ... ist er 'on fire' - unser Mexikaner."
Es zeigt sich also: Trotz der Pole Position für Ferrari-Pilot Leclerc spricht zumindest auf dem Papier und in der Theorie einiges für einen Red-Bull-Erfolg in Baku beim GP von Aserbaidschan.
Nun müssen Perez und Verstappen das aber noch auf der Strecke zeigen ...
Alle weiteren wichtigen Nachrichten aus der Sportwelt gibt es im News Update nachzulesen.