Personelle Wechsel haben die Besetzungen der Führungsetagen bei einigen F1-Teams durcheinandergewirbelt. Davon könnte insbesondere Mick Schumacher profitieren.
Keine zwei Stunden nach dem Vasseur-Wechsel folgte der nächste Paukenschlag: Alfa Romeo sicherte sich die Dienste des bisherigen McLaren-Teamchefs Andreas Seidl, der ab Januar neuer Sauber-CEO wird. Zeitgleich verkündete McLaren, dass der bisherige Rennleiter Andrea Stella befördert wird und zum Teamchef und somit Seidl-Nachfolger aufsteigt.
Allerdings sind damit noch nicht alle Stellen neu besetzt. Denn Seidls erste Aufgabe wird nun sein, einen neuen Teamchef für Alfa Romeo zu finden. Bereits am Montag hatte sich zudem Williams von seinem Teamchef Jost Capito getrennt. Auch Williams ist nun auf der Suche nach einem Nachfolger an der Teamspitze.
Doch der Reihe nach.
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Vasseur ein Leclerc-Vertrauter
Die begehrteste Position hat mit Sicherheit nun Vasseur inne, der Ferrari als "Gipfel der Motorsportwelt" bezeichnete. Wie für jeden Fahrer ist es auch für jeden Teamverantwortlichen ein Traum für die Scuderia zu arbeiten. Die Strahlkraft des erfolgreichsten Teams der F1-Geschichte ist ungebrochen.
Aufgrund seiner Erfahrung und seines Know-hows traut Ralf Schumacher Vasseur die Ferrari-Rolle auch zu. "Fred kann da schon was bewirken mit dieser Disziplin, die er hat. Er hat selbst auch Nachwuchsteams von der Pike aus betreut", erklärte der Sky Experte. Allerdings sei Vasseur "nicht der Kandidat Nummer eins gewesen. Dennoch kam der Wechsel für ihn zur richtigen Zeit, da er auch bei Audi nicht der Wunschkandidat war", so Schumacher weiter.
Vasseur startet in jedem Fall mit großen Erwartungen der Bosse aus Maranello. Die Italiener warten seit 2007 (Kimi Räikkönen) auf einen Fahrertitel und seit 2008 auf die Konstrukteursmeisterschaft. Seit 2014 ist Vasseur bereits der fünfte Teamchef der Roten. Seine Vorgänger Stefano Domenicali, Marco Mattiacci, Maurizio Arrivabene und Binotto scheiterten allesamt am hohen Erfolgsdruck bei Ferrari.
"Fred wird jetzt erst einmal Kredit haben und die Frage wird sein, wen er mitbringen kann. Er wird mit Sicherheit einige Vertraute von Sauber zu Ferrari mitnehmen, weil es dort ja auch einige Umstrukturierungen geben wird. Aber es wird schwer für ihn werden, sich an die neue Kultur zu gewöhnen und dem Druck standzuhalten, den es bei Ferrari geben wird. Fred traue ich das aber zu, der hat einen breiten Rücken, ist finanziell absolut unabhängig und abgebrüht mit seinen Entscheidungen", meinte Schumacher.
Insbesondere zu Starpilot Charles Leclerc hat Vasseur ein sehr gutes Verhältnis. Bereits in den F1-Nachwuchsserien schliff Vasseur den Monegassen und war zudem 2018 Leclercs Teamchef in dessen erster F1-Saison bei Sauber. Leclerc schaffte auf Anhieb den Durchbruch und wechselte nach einem überzeugenden Debütjahr zu Ferrari. "Binotto war eher ein Fan von Carlos Sainz, den er ja auch geholt hat. Darunter hat auch Charles Leclerc ein bisschen gelitten", sagte Schumacher. Nun bekommt Leclerc einen Vertrauten als Vorgesetzten.
Für Konfliktpotenzial könnte nur das schlechte Verhältnis von Vasseur zu Leclerc-Manager Nicolas Todt sorgen. "Beide waren mal Partner in der Formel 3, haben sich dann aber zerstritten. Da darf man gespannt sein, wie die dann zusammenarbeiten werden", stellt Schumacher heraus. Letztendlich wird Vasseur allerdings nur am sportlichen Erfolg gemessen. Und da die Vizemeisterschaft in 2022 für Binotto zu wenig war, um im Amt zu bleiben, ist klar, was die große Aufgabe für Vasseur im kommenden Jahr sein wird.
Seidl-Rückkehr absehbar
Anders als der Vasseur-Wechsel zu Ferrari kam Abschied Seidls von McLaren doch unerwartet. "Bei McLaren dauert das alles noch ein bisschen, bis sie wieder vorne mitfahren werden. Die Neustrukturierungen und der Windkanal-Bau, die zwingend erforderlich sind, brauchen noch Zeit. Andreas war das vielleicht alles zu lange. Wir hatten bei McLaren zudem eine Doppelspitze mit CEO Zak Brown. Ich weiß nicht, ob das immer so gut ist. Brown ist auch sehr explosiv", analysierte Schumacher die Gründe für den Zeitpunkt des Seidl Abschieds.
Nach Informationen von Christian Nimmervoll, Chefredakteur von Motorsport-Total.com, gab es eine Abmachung zwischen McLaren und Sauber. Diese besagte, dass Seidl zum Audi-Einstieg 2026 als Teamchef kommen würde. Seidls Vertrag bei McLaren lief passenderweise Ende 2025 aus. Doch durch den Vasseur-Abschied tat sich allerdings nun bereits eine Lücke bei Sauber auf. Daher kam die Anfrage von Sauber-Boss Finn Rausing in Richtung McLaren für eine vorzeitige Freigabe bereits jetzt. McLaren stimmte dieser zu.
Seidl klettert dadurch auf der Karriereleiter weiter nach oben. Während er bei McLaren-Teamchef war, fungiert er zukünftig nun als Sauber-CEO. Das dürfte auch finanziell einen Sprung mit sich bringen. Rein sportlich gesehen bedeutet der Wechsel zumindest kurzfristig allerdings einen Rückschritt für den 46-jährigen Deutschen. McLaren sammelte 2022 159 Punkte in der Konstrukteurswertung, Alfa Romeo nur lediglich deren 55.
Beim Wechsel spielte mit Sicherheit auch die Vergangenheit Seidls eine Rolle. "Andreas hatte bei Porsche mit dem VW-Konzern eine sehr erfolgreiche Zeit und dass er dann irgendwann wieder zurückgeht, war fast auch klar. Das ist eine super Möglichkeit. Audi ist jetzt nicht so aufgestellt, dass man unbedingt alles deutsch haben will. Aber die Erfahrung, die Andreas aus seiner Porsche Zeit und jetzt auch als Teamchef bei McLaren mitbringt, ist richtig viel Wert. Das wird richtig gut funktionieren", ist Schumacher überzeugt.
Alfa Romeo hat 2022 zudem nach Jahren am Ende des Feldes den Sprung ins Mittelfeld geschafft, hatte ein konkurrenzfähiges Auto und zudem entwicklungsmäßig große Sprünge in der jüngeren Vergangenheit vollzogen. Mit dem Audi-Einstieg erhofft sich die Sauber-Gruppe zudem mittel- und langfristig, um Siege in der Motorsport-Königsklasse mitfahren zu können. Die Weichen mit dem Seidl-Coup worden dafür nun gestellt.
"Bei Sauber hat man jetzt Zeit, alles bis zum Audi-Einstieg aufzubauen. Ich bin gespannt, welche Vorstellungen Andreas bei den Fahrern hat. Guanyu Zhou ist mehr oder weniger fest im Sattel, er bringt ja auch eine Menge Geld mit, was bis 2026 nicht unwichtig ist für Sauber. Valtteri Bottas hingegen ist angezählt und soll nicht unbedingt allzu lange bleiben", sagte Schumacher.
Das könnte die Chance für Mick Schumacher sein, der nach seinem Aus bei Haas 2023 kein Stammcockpit in der F1 besitzt. Bereits in der abgelaufenen Saison gab es Gerüchte um einen Wechsel Schumachers zu Alfa Romeo. Für den deutschen Markt und auch für Sponsoren wäre die Kombination aus Audi, Seidl und Schumacher mit Sicherheit attraktiv.
Williams-Chefs zu ungeduldig mit Capito
Anders als bei Ferrari und Alfa Romeo fehlt Williams nach dem Capito-Rücktritt noch der neue starke Mann. Capito war die vergangenen zwei Jahre sowohl CEO als auch Teamchef beim englischen Traditionsrennstall. Wie es bei Williams, das 2022 mit großem Abstand den letzten Rang in der Team-WM belegte, personell weitergeht, ist noch offen. Schumacher hat jedoch eine Vorahnung und eine klare Meinung zum Capito-Aus.
"Die Stelle wird intern besetzt. Ich bin überrascht, dass Jost gehen musste. Ich könnte mir vorstellen, dass die Investoren da mit dem Fortschritt unzufrieden waren. Das sieht man auch daran, dass auch weitere wichtige Leute im Team mit gehen mussten, die Jost ausgesucht hat. Für Jost tut es mir leid, da waren die Chefs zu ungeduldig. Er hätte noch ein wenig mehr Zeit bekommen müssen", so der Sky Experte.
Neustart bei Williams, Alfa Romeo und Ferrari
Die personellen Rochaden bei Williams, Alfa Romeo und Ferrari sind ein klares Zeichen, dass die drei Teams auf einen Neustart setzen. Während Williams und Ferrari vor allem sportlich noch Luft nach oben sehen, denkt insbesondere Sauber bereits an den langfristigen Erfolg. Daher fielen auch jetzt schon die konsequenten Personalentscheidungen mit Blick auf 2023 und darüber hinaus.
"Teams wie Williams und Alfa Romeo müssen irgendwann den nächsten Schritt machen. Auch Ferrari. Was bei denen nach dem starken Saisonstart passiert ist, ist ja schon fast ein bisschen peinlich gewesen", betonte auch Schumacher. Ob die Rochaden in den leitenden Positionen bei den Teams letztendlich auch den gewünschten Erfolg bringen, wird erst die Zukunft zeigen.
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