Der GP von Großbritannien in Silverstone geht als eines der spektakulärsten Rennen der laufenden Saison in die Geschichte ein. In der Hauptrolle: Lokalmatador Lewis Hamilton, der mit seinem Move gegen Verstappen die Formel 1 spaltet, gleichzeitig aber auch wieder extreme Spannung in den WM-Kampf bringt.
Weltmeister Lewis Hamilton steigt aus seinem Boliden aus, schnappt sich den Union Jack (die Flagge des Vereinten Königreichs), umkurvte ein paar Autos, springt über die Bande und rennt Richtung enthusiastischer Fans. Der Brite lässt sich nach seinem Heim-GP feiern, zelebriert seinen Sieg in Silverstone auf patriotische Art und Weise.
Es war ein Bilderbuch-Ende aus Sicht von Mercedes und Hamilton, der nach fünf langen Rennen endlich die Dominanz des WM-Führenden Max Verstappen und Red Bulls durchbrechen konnte. Doch es war auch ein Sieg mit fadem Beigeschmack.
Hamilton und Verstappen kollidieren
Zwei Stunden zuvor nahm Hamilton nämlich Verstappen in der ersten Runde in Kurve neun (Copse) aus dem Rennen. Mit seinem linken vorderen Rad touchierte der Weltmeister Verstappen an dessen rechtem hinteren Reifen und schoss ihn damit von der Strecke und mit weit über 250 km/h in die Mauer. Doch trifft den Briten wirklich eine Schuld? Oder war es ein zwar heftiger, aber "normaler" Rennunfall, der bei zwei sich so hart duellierenden Piloten einfach passieren kann?
Diese Frage spaltet die Formel 1! Klar vertreten die beiden involvierten Rennställe eine konträre Meinung. Auf der einen Seite erklärt Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff am Sky Mikrofon: "Es war von Anfang an hartes Racing zwischen den beiden. Es gibt die Regelung mit den Stewards: Wenn du in der Kurve innen bist und mit dem Frontflügel über die Hälfte des vorderen Autos, dann ist es deine Kurve. So steht es auch auf dem Papier", sieht der Wiener keine Schuld bei Hamilton.
Wolff verteidigt Hamilton
"Lewis versucht dann auch noch aus der Nummer herauszukommen und dann lenkt Max (Verstappen, Anm. d. Red.) ein. Wir sehen hier zwei Fahrer, die mit dem Messer zwischen den Zähnen kämpfen, die um jeden Zentimeter gefeilscht haben. Wir sehen eine Ikone des Sports und einen Piloten, der hinaufstrebt. Beide fighten um die Vorherrschaft. Am Ende ist es das Allerwichtigste, dass sich Max nichts getan hat."
Mit Red Bull müsse man nichts besprechen, erklärte der Mercedes-Boss weiter. Jeder habe seine Meinung und diese müsse man respektieren. Wolff sollte Recht behalten, denn Red Bull hatte nach dem Crash eine deutlich konträre Meinung.
Horner kritisiert Hamilton stark
"Das war ein verzweifelter Move von Lewis. Auf der Innenseite in dieser Kurve kann man das nicht machen. Das sagen alle Fahrer, die hier seit ewigen Zeiten gefahren sind. Lewis hat den Start verloren und das war dann ein verzweifeltes Manöver", sah Red-Bull-Teamchef Christian Horner die Schuld klar bei Hamilton. Der 47-Jährige wurde im Anschluss sogar noch deutlicher. "Das würde man eigentlich von einem siebenfachen Weltmeister nicht erwarten. Die Strafe halte ich auch für unzureichend, weil er das Rennen ja auch relativ einfach gewonnen hat. Max ist doch vorne. In dieser Kurve gibt es nur eine Linie. Da steckt man doch nicht das Rad vorne so rein. Das war eine schlimme Fehleinschätzung von Lewis' Seite."
Und weiter: "Ich denke auch, dass er diesen Sieg jetzt nicht zufrieden genießen kann, wenn das die Folge von so einem Unfall ist. Es ist einfach nur enttäuschend. Für uns ist es ein unheimlich teurer Crash, weil wir das Auto abschreiben können. Wir haben ja auch die Kostendeckelung. Lewis hat genau das bekommen, was er wollte: das Maximum an Punkten und er hat beim Hauptkonkurrenten enormen Schaden verursacht."
Sky User auf Verstappens Seite
Die Schuld- und Strafenfrage war auch bei Sky Experte Timo Glock und der Fan-Community ein großes Thema. Während Glock die Schuld eher bei Hamilton sah (60:40 Prozent), waren die Sky User weniger gespalten: 86 Prozent sehen die Schuld beim Weltmeister. Und auch bei der ausgesprochenen Strafe gegen Hamilton ist das Meinungsbild klar: 77 Prozent finden die Zehn-Sekunden-Strafe zu lasch und hätten sich eine deutlich härtere Strafe gewünscht (Stand bei beiden Votings: Sonntag, 20:30 Uhr).
Dies deckt sich mit der Meinung von Red-Bull-Motorsportkonsulent Dr. Helmut Marko, der noch während des Rennens - und vor Erteilung der Strafe - drastische Worte am Sky Mikrofon fand. "Wenn der Konkurrent mit dem Vorderrad unser Hinterrad massiv touchiert, ist das kein Rennunfall. Das ist ein fahrlässiges und gefährliches Verhalten. Ich weiß nicht, was für so etwas die Höchststrafe wäre. So ein gefährliches und rücksichtsloses Verhalten gehört aber mit einer Sperre bestraft", so Marko.
Verstappen schießt gegen Hamilton: "Respektlos"
Doch nicht nur das Verhalten Hamiltons beim Unfall war nach dem GP von Großbritannien Gesprächsthema. Auch das Verhalten des Weltmeisters nach dem Sieg, als er erst völlig befreit mit 140.000 Zuschauern feierte und beim Sieger-Interview keine Worte in Richtung Verstappen fand.
Erst verspätet auf der Pressekonferenz sagte Hamilton: "Ich habe gehört, dass er im Krankenhaus ist, was mich besorgt. Ich hoffe wirklich, dass es ihm gut geht. Ich werde mich bei ihm melden, um mich zu vergewissern, dass er okay ist." Er erklärte aber auch, dass er sich für nichts entschuldigen müsse,
Eine Reaktion, die besonders Verstappen ein Dorn im Auge ist. Via Social Media schoss der Niederländer nach dem Rennen scharf gegen seinen Konkurrenten: "Sich die Feierlichkeiten nach dem Rennen anzusehen, während man noch im Krankenhaus liegt, ist respektlos und unsportlich, aber wir machen weiter." (Zum kompletten Verstappen-Statement)
WM-Kampf spitzt sich zu
Und weiter geht es bereits in zwei Wochen in Budapest beim GP von Ungarn (1. Augiust, LIVE und EXKLUSIV auf Sky Sport F1). Dann geht der WM-Fight zwischen Hamilton und Verstappen in die elfte Runde. Durch das Aus von Verstappen und dem Sieg von Hamilton trennen die beiden jetzt nur noch acht Punkte. Enger könnte der WM-Kampf kaum sein.
Aufgrund dieser Spannung und der Vorkommnisse in Silverstone glaubt Sky Experte Glock, dass sich das Duell in den kommenden Wochen noch weiter zuspitzen wird. "Wir werden mit Sicherheit die eine oder andere Situation erleben, in der es eng wird. Die Ellbogen werden noch mehr ausgepackt und Verstappen wird schon versuchen in bestimmten Phasen Ausrufezeichen zu setzen."
Vielleicht ja schon in Budapest ...