Andries Jonker im exklusiven Interview mit Sky Sport

Ex-Bayern-Trainer Jonker: An Mourinhos Handshake denke ich immer noch

Von Sky Sport

Image: Andries Jonker sprach exklusiv mit Sky Sport.

Sky Sport sprach mit dem ehemaligen Bayern-Coach Andries Jonker unter anderem über die aktuelle Situation des FCB und das anstehende Duell gegen Tottenham Hotspur mit Jose Mourinho.

Sky Sport: Herr Jonker, der FC Bayern spielt gegen Tottenham Hotspur mit Trainer Jose Mourinho. Sie waren Co-Trainer von Louis van Gaal, als das Champions-League-Finale 2010 gegen Inter Mailand 0:2 verloren ging. Später behauptete Mourinho, van Gaal habe das Endspiel wegen seiner Eitelkeit verloren. Welche Erinnerungen haben Sie an damals?

Jonker: Mourinho hat gewusst, dass van Gaal angreifen lassen wird. Er hat darauf spekuliert und seine Mannschaft zurückgezogen, hat Robben ausschalten lassen und auf seine Elfmeterschützen vertraut. Er hat auch gewusst, dass Sneijder immer in der Lage war, Milito ein, zwei Chancen aufzulegen. Und es hat geklappt. Van Gaal war die Verbindung von Erfolgen und schönem Fußball sehr wichtig. Mourinho ist wichtig, dass er gewinnt. Egal wie.

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Sky Sport: Glauben Sie, dass die doch eher überraschende Zusammenarbeit von Mourinho und Tottenham auf Dauer funktionieren kann?

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Jonker: Ja, denn auch in Tottenham wollen die Fans, die Vereinsführung und die Sponsoren Erfolg haben. Wenn er es hinkriegt und die Mannschaft im defensiven Bereich super organisieren kann, dann entsteht bei den Fans, dem Vorstand und den Spielern sofort Zufriedenheit. Der Erfolg wird bestimmen, und bisher hat er es überall in seiner Karriere geschafft, zumindest den Großteil der Spiele zu gewinnen.

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ZUM DURCHKLICKEN: Die denkwürdigen Duelle zwischen Mourinho und dem FC Bayern

Das erste Spiel zwischen Mourinho und dem FC Bayern verpasste der damalige Chelsea-Coach aufgrund einer Sperre. Sein Team gewann das Hinspiel im Champions-League-Viertelfinale im April 2005 dennoch mit 4:2.
Auch wenn Chelsea das Rückspiel im Münchner Olympiastadion mit 2:3 verlor, zog Mourinho mit den Blues ins CL-Halbfinale ein.
Fünf Jahre später traf Mourinho mit Inter Mailand auf seinen Lehrmeister Louis van Gaal, der den FC Bayern bis ins Champions-League-Finale coachte.
Das Finale verlief für Mourinho jedoch bedeutend besser: Inter besiegte die Bayern in Madrid souverän mit 2:0. Für Mourinho war es bereits der zweite Titel in der Champions League.
Nächstes Duell, anderer Klub: 2012 stand Mourinho für Real Madrid an der Seitenlinie. Das Hinspiel des Champions-League-Halbfinals gewann der FC Bayern in der Allianz Arena mit 2:1. Gomez (l.) und Ribery (r.) trafen für die Münchner.
Das Rückspiel im Estadio Santiago Bernabeu war die Chance für Jupp Heynckes (l.) und die Bayern das Finale in der heimischen Arena klar zu machen. Nach 90 Minuten führte das weiße Ballett Mourinhos jedoch mit 2:1. Es ging in die Verlängerung.
Erst im Elfmeterschießen machten Müller, Schweinsteiger und Co. das "Finale Dahoam" klar.
Der nächste Kracher zwischen "Mou" und dem deutschen Rekordmeister folgte zum Saisonbeginn 2013 im UEFA Supercup. Es war vor allem das Duell der beiden Trainer-Konkurrenten Mourinho und Pep Guardiola.
Der Katalane konnte das Duell für sich entscheiden und besiegte mit dem FC Bayern Chelsea mit 7:6 nach Elfmeterschießen. Es war der erste Titel für Guardiola beim FC Bayern.

Sky Sport: An welches Ereignis mit Mourinho können Sie sich erinnern, das ihn und seine Art aus Ihrer Sicht am besten beschreibt?

Jonker: Im Champions-League-Finale 2010 lagen wir gegen Inter 0:2 zurück. Irgendwann in der 85. oder 86. Minute kam er schon zu uns und schüttelte Louis und mir die Hände. Ich habe gedacht: Was macht er jetzt??? Das Spiel ist doch noch nicht vorbei! Ich habe lange darüber nachgedacht, warum er es getan hat. Irgendwann habe ich gelesen, dass er es aus Respekt vor Louis getan hat [Mourinho war drei Jahre lang Co-Trainer unter van Gaal beim FC Barcelona, Anmerkung der Redaktion]. Er wollte ihm unbedingt die Hand schütteln, aber normalerweise macht man das vor oder nach einem Spiel. Dass es jemand während des Spiels macht, habe ich vorher und nachher nie erlebt. Manchmal denke ich immer noch: Was war das für ein komischer Moment. Er hätte auch noch verlieren können, aber er war sich seiner Sache sicher. So etwas muss man sich erstmal trauen. Das sagt viel über ihn aus.

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Sky Sport: Worauf müssen sich die Bayern gegen Tottenham einstellen?

Jonker: Mourinho wird bei der Analyse gesehen haben, dass sie bei schnellen Kontern anfällig sind und dass sie anfällig gegen Pressing sind. Er wird seine Mannschaft mit Sicherheit einigermaßen zurückziehen, aber dort, wo er es will, richtig viel Druck machen und so schnell es geht nach vorne spielen. Und da haben die Spurs einige brandgefährliche Spieler. Die Bayern müssen hellwach seien.

Sky Sport: Hansi Flick hat zwei Spiele in Folge verloren, das kommt beim FC Bayern nicht so häufig vor. Wie war es in Ihrer Zeit mit van Gaal? Haben die Bosse Sie damals nach Niederlagen zur Seite genommen und auch mal auf den Putz gehauen?

Jonker: Nach Champions-League-Spielen gab es damals schon immer ein Bankett. Ich musste mich daran gewöhnen, dass Karl-Heinz Rummenigge nach den Spielen immer gesprochen hat. Nach Siegen oft mit viel Lob, aber nach Niederlagen hat er ganz geradeaus gesagt, was ihm nicht gefallen hat. Vor allen Spielern, Familien und Medien. Da hat man gewusst, wie die Stimmung war. An der Säbener Straße hatten Rummenigge, Uli Hoeneß und Karl Hopfner ihre Büros im 2. Stock. Sie waren nicht über den Aufzug, sondern nur über eine Treppe erreichbar. Ich habe schnell herausgefunden, dass man nach einer Niederlage besser nicht die Treppe hochgeht (lacht).

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Sky Sport: Glauben Sie, dass Hansi Flick der richtige Trainer für den FC Bayern ist?

Jonker: Ich kenne ihn nicht persönlich, aber was ich aus eigener Erfahrung sehen kann ist, was mit einer Mannschaft passiert, wenn ein neuer Trainer übernimmt. Die Reaktion der Mannschaft war gut. Aus der ersten Halbzeit in Mönchengladbach hat sehr viel Lust zum Fußballspielen gesprochen. Ich bin mir sicher, dass es zwischen der Mannschaft und dem Trainer Klick gemacht hat. Ich habe auch gesehen, was die Probleme sind. Flick braucht eigentlich ein bisschen Zeit, die es in München aber normalerweise nicht gibt. Wenn er bis Weihnachten alles gewonnen hätte, wäre die Unterstützung für ihn von allen Seiten komplett gewesen. Alle hätten gesagt: Wir machen weiter mit ihm. Jetzt muss er die restlichen vier Spiele gewinnen, dann hat er noch eine Chance. Wenn nicht er, wer sonst? Ich glaube, dass Flick eine gute Lösung ist, aber er braucht Unterstützung. Die Ergebnisse müssen stimmen - sonst werden wieder die großen Namen genannt wie Pochettino oder Tuchel.

Sky Sport: Was muss aus Ihrer Sicht beim Thema Trainersuche besser laufen?

Jonker: Die Vereine brauchen eine Philosophie. Sie sollten sich Trainer anschauen und wissen, was der Plan B ist. Es geht um Millionen, um Fans, um Sponsoren. Der Trainer ist eine der wichtigsten Positionen, aber im Fußball wird er nachlässig behandelt.

Sky Sport: Was würden Sie aus der Sicht eines großen Vereins anders machen?

Jonker: Man sollte mal auf die Überraschungsteams schauen. Bournemouth spielt in England seit einigen Jahren mit demselben Trainer in der Premier League. Oder Cagliari in Italien, Real Sociedad in Spanien und Alkmaar in den Niederlanden. Aus der Sicht eines Spitzenvereins wäre ich daran interessiert, wer dahinter steckt. Vielleicht gibt es auch in Deutschland einen Trainer, der mit seiner Mannschaft überraschend guten Fußball spielen lässt. Auf so etwas würde ich schauen.

Das Interview führte Thorsten Mesch.

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