Die Ostwestfalen stehen mit dem Rücken zur Wand. Nur ein Sieg gegen Magaths Hertha kann die Hoffnung auf den Klassenerhalt aufrechterhalten. Eine Analyse.
Der 11. Dezember 2021, 17:30 Uhr: Arminia Bielefeld steht nach einem äußerst harmlosen Auftritt bei Hertha BSC ohne Punkte da. Nach dem 0:2 in Berlin hagelt es Kritik aus Teilen des Umfelds. An der Bundesligatauglichkeit von Team und Trainer Frank Kramer wird abermals gezweifelt.
Der Deutsche Sportclub steht zu diesem Zeitpunkt auf Platz 17 und liegt bereits sechs Punkte hinter dem Relegationsplatz zurück. Doch dann folgt eine kaum für möglich gehaltene Erfolgsphase. Zunächst gelingt Arminia ein Heimsieg gegen den VfL Bochum, dann eine taktisch hervorragende wie effiziente Leistung in Leipzig. Bielefeld überrascht mit einem 2:0-Auswärtserfolg bei RB und verliert bis Mitte Februar kein Spiel mehr.
Verspäteter Trainerwechsel
Viereinhalb Monate nach dem letzten Duell mit den Hauptstädtern stecken die Ostwestfalen in einer ganz ähnlichen Ausgangsposition: Arminia liegt erneut auf Platz 17 und der nächste Gegner heißt wieder Hertha BSC. Doch es gibt zwei entscheidende Unterschiede: Zum einen verbleiben nur noch drei Spiele und zwei mögliche Relegationsduelle, in denen Trendwende und Klassenerhalt zugleich erreicht werden müssen. Zum anderen ist die Hoffnung darauf erheblich geringer als noch Ende des letzten Jahres. Die Karte des Trainerwechsels hat Geschäftsführer Samir Arabi widerwillig gespielt - für viele Beobachter des Vereins zu spät und ohne großen Effekt.
Das erste Spiel von Torwarttrainer Marco Kostmann als Chefcoach lässt sich in Sachen Engagement mit Frank Kramers letztem Auftritt vergleichen. Sowohl in Köln als auch gegen die Bayern lässt sich der Mannschaft über weite Strecken der Einsatzwille nicht absprechen, mit leeren Händen steht sie trotzdem nach beiden Duellen dar. Viele neue offensive Ideen waren auch unter Kostmann noch nicht zu erkennen.
Mannschaft hatte den Glauben an Kramer verloren
Sowohl der externe als auch der interne Blick auf die vergangenen Monate lassen die Freistellung Kramers trotz ausgesprochener Jobgarantie als richtig erscheinen. Aus dem direkten Vereinsumfeld ist zu hören, dass dem Team schon seit Wochen der Glaube daran fehlte, unter dem 49-jährigen Fußballlehrer Lösungen für die sportliche Misere zu finden. Auch der externe Beobachter suchte einen richtigen Plan B neben den langen Bällen von Torhüter Stefan Ortega Richtung Offensivreihe zumeist vergeblich.
Die durchgehend mangelhafte Ausführung von Standardsituationen - für einen Ligaaußenseiter essentiell - hinterließ ebenso viele Fragezeichen. Samir Arabi muss sich vorwerfen lassen, zu lange an seinem Trainer festgehalten zu haben. Spätestens nach dem desaströsen 0:4 in Mainz Mitte März hätte - wenn sich der Verein eben doch gegen Kontinuität entscheidet - ein Trainerwechsel Sinn ergeben. Denn anschließend folgten die richtungsweisenden Duelle mit den direkten Konkurrenten aus Stuttgart und Wolfsburg, aus denen Arminia nur einen glücklichen Zähler generieren konnte.
Sechser- und Außenverteidigerpositionen als Problemzonen
Dem DSC fehlt Qualität - und das nicht unbedingt in der Offensive, wo auf den bundesligaunerfahrenen Talenten wie dem bisher oft unglücklich agierenden Janni Serra viel Druck lastet. Zu einfach ist hier der Blick auf die Anzahl der geschossenen Tore. Viel eher sind die Sechser- und die Außenverteidigerpositionen ein Problem. Den defensiven Mittelfeldspielern Manuel Prietl, Sebastian Vasiliadis oder Fabian Kunze mangelt es zum Teil an Dynamik und technischer Versiertheit im Umschaltspiel. Der leicht vorgezogene Alessandro Schöpf kann diese Lücke ebenso wenig schließen wie der im Winter verpflichtete Gonzalo Castro.
Auf der linken Außenverteidigerposition suchen die sportlich Verantwortlichen schon länger nach einer guten Lösung, die weder George Bello noch Andres Andrade oder Jakob Laursen bisher verkörpern. US-Amerikaner Bello zeigt offensive Stärken, ist taktisch aber noch lange nicht auf Bundesliganiveau angekommen. Andrade, eigentlich Innenverteidiger, fehlt es an Tempo. Und Laursen, dienstältester Armine in diesem Trio, konnte sich bisher vor allem defensiv nicht auf konstantem Level empfehlen. Auf der anderen Seite geht eigentlich kein Weg an Cedric Brunner vorbei. Doch der Schweizer hat Defizite im Angriff, sodass die Bielefelder sehr selten den Weg zur gegnerischen Grundlinie finden und sich meist ungefährlicher Halbfeldflanken bedienen.
Letzte Hoffnung Hertha
Drei Spiele hat Arminia Bielefeld noch, um diese Schwächen mit anderen Mitteln vergessen zu machen und zumindest erst einmal die Relegation zu erreichen. Es braucht wieder die zwischenzeitliche Effizienz vorm Tor, die lange beachtliche Stabilität in der Verteidigung und den unbändigen Willen, das Ziel Klassenerhalt in jeder Sekunde erreichen zu wollen. Nicht alle Armina-Fans sehen schon schwarz.
Doch um die Grauschattierungen sichtbar zu halten, muss das Team oben genannte Attribute beherzigen und die Hertha schlagen. Mit der lautstarken Schüco Arena im Rücken und verbesserten Standardsituationen ist dem DSC zumindest das trotz des aktuellen Trends zuzutrauen.
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