Borussia Mönchengladbach zeigt sich nach der Pokalblamage in Hannover gegen Union Berlin zwar formverbessert, ist nach der sechsten Bundesliga-Niederlage in den vergangenen acht Spielen aber im Abstiegskampf angekommen. Der Ernst der Lage scheint aber nicht allen bewusst zu sein. Ein Kommentar.
Trotz des nächsten Rückschlags in der Bundesliga war Gladbachs Trainer Adi Hütter nach dem Spiel am Sky Mikrofon absolut zufrieden mit der Leistung seiner Mannschaft. Die Niederlage gegen die Eisernen sei "überhaupt nicht verdient", denn sie entspräche nicht dem Spielverlauf. Union habe mit "nur einer einzigen Torchance" zwei Tore erzielt, während seine eigene Mannschaft "sehr, sehr aktiv war" und den Siegtreffer verdient gehabt hätte. Überhaupt hätte er ein Team gesehen, dass vieles von seinen Vorgaben umgesetzt habe.
Gladbach unterschätzt die Lage
Auch für Abwehrspieler Nico Elvedi lag die vierte Heimniederlage in Folge (!) hauptsächlich daran, dass "man das Glück nicht auf seiner Seite" gehabt habe und einen "Elfmeter, der unglücklich war" gegen sich gepfiffen bekommt. An der Leistung hatte er nichts zu bemängeln. Man werde die Situation nun analysieren und nach der Länderspielpause wieder angreifen.
Wer die Gladbacher Interviews nach der 1:2-Niederlage gegen Union Berlin hört, könnte denken, dass es sich bei den Fohlen aktuell nur um eine minimale Formdelle handelt und der Turnaround nur eine Frage der Zeit ist. Ganz nach dem Motto: Nur keine Panik, wir kriegen die Kurve schon. Doch es scheint, dass die Gladbacher die Gefahrenlage aktuell deutlich unterschätzen und sich die Situation schönreden - denn der Trend ist alarmierend.
Alarmierender Trend
In den vergangenen acht Bundesligaspielen holte Gladbach nur vier magere Punkte. Nur Wolfsburg holte in diesem Zeitraum weniger Punkte, könnte aber mit einem Sieg am Sonntag auf ebenso viele Zähler kommen. Neben einem Remis bei 1899 Hoffenheim gelang lediglich ein Dreier zum Rückrundenauftakt bei den extrem coronageplagten Bayern. Die anderen sechs Partien wurden allesamt verloren, teilweise gab es auch böse Klatschen wie im Derby in Köln (1:4) oder zu Hause gegen Freiburg (0:6). Hinzu kommt der desolate Auftritt im Pokal bei Hannover 96, als selbst die Niedersachsen überrascht waren, wie wenig Gegenwehr Gladbach leistete.
Ja, gegen Union zeigte sich die Mannschaft verbessert, aber Gladbach verursachte erneut einen völlig überflüssigen Strafstoß - bereits der vierte in den vergangenen drei Pflichtspielen - und ließ sich beim Siegtreffer von Max Kruse kurz vor Schluss viel zu leicht ausspielen. 37 Gegentore kassierte die Elf vom Niederrhein in den 20 Bundesligaspielen bisher schon. Nur Fürth und Hertha sind defensiv noch anfälliger.
Matthäus macht sich Sorgen um seinen Ex-Klub
Lothar Matthäus macht sich daher auch große Sorgen um seinen Ex-Klub: "Sie sind mitten im Abstiegsstrudel angekommen und haben keine Ruhe im Verein. Das kann in so einer Phase mitentscheidend sein, dass man irgendwo landet, wo man nicht landen will", so der Rekordnationalspieler. Droht Gladbach tatsächlich das gleiche Schicksal wie beispielsweise Werder Bremen im Vorjahr, wo man die Lage auch lange falsch einschätzte und am Ende absteigen musste?
Klar ist: Abstiegskampf stand in dieser Saison eigentlich nicht auf dem Programm bei der Borussia. Zwar ging Erfolgstrainer Marco Rose zum BVB, aber Ersatz war in Person von Frankfurts Adi Hütter schnell gefunden. Zudem konnte die Mannschaft, die in der Vorsaison noch in der Champions League für Furore sorgte, gehalten werden. Ohne die anstrengende Dreifachbelastung sollte es dieses Jahr wieder nach Europa gehen, aber die Realität sieht spätestens nach dem Union-Spiel völlig anders aus. Gladbach muss sich schnell an die neuen Begebenheiten anpassen und endlich wieder als Mannschaft funktionieren.
Keine Mannschaft auf dem Platz?
Für Sky Experte Didi Hamann sind die Gladbacher genau das nicht und daher sieht er schwere Zeiten auf die Hütter-Elf zukommen. Für den ehemaligen Champions-League-Sieger stimmt irgendetwas innerhalb des Teams nicht. Laut Hamann schaut aktuell jeder mehr auf sich statt enger zusammen zu rücken und tatsächlich existieren derzeit ungemein viele Nebenkriegsschauplätze im Borussia Park:
Vermeintliche Leistungsträger wie Alassane Plea oder Marcus Thuram spielen derzeit keine Rolle und kokettieren mit einem Wechsel. Die Diskussion um den Bankplatz von Matthias Ginter gegen Leverkusen vor einer Woche und ein potenzieller Wintertransfer von Denis Zakaria tun ihr Übriges. Zu allem Überfluss wird Kapitän Lars Stindl den Fohlen in den kommenden Wochen verletzungsbedingt fehlen.
Abstiegs-Kracher vor der Brust
Sportdirektor Max Eberl muss nun schnell entscheiden, ob er trotz der Negativspirale an Trainer Hütter festhält. Sollte der Österreicher, der für viel Geld aus Frankfurt losgeeist wurde, das Vertrauen erhalten, muss der Coach schnell eine Mannschaft finden, die den Abstiegskampf annimmt, denn nach der Länderspielpause geht es gegen die direkten Konkurrenten Arminia Bielefeld und den FC Augsburg. Sollten auch diese Spiele schiefgehen, wird Gladbach bis zum Saisonende um die Existenz kämpfen.