Sie sind Ikonen ihrer Vereine, Säulen ihrer Teams und standen zuletzt dennoch beide auf dem Abstellgleis. Die Rede ist von Marco Reus und Thomas Müller, die sich momentan wohl gleichermaßen fragen dürften, welche Rolle sie derzeit noch in ihrer Mannschaft spielen (können).
Sowohl bei Borussia Dortmund als auch beim FC Bayern blickt man auf ernüchternde Tage zurück. Während sich der BVB am vergangenen Wochenende noch einen fatalen Last-Minute-Ausgleich bei abstiegsbedrohten Stuttgartern eingefangen hat, kam auch der Rekordmeister gegen Hoffenheim nicht über ein Unentschieden hinaus und musste zudem unter der Woche das bittere Aus in der Champions League gegen Manchester City hinnehmen.
Wer sich die zurückliegenden Partien des Bundesliga-Spitzen-Duos besonders genau angesehen hat, wird auf beiden Seiten in der Anfangsformation zwei bewährte Namen vermisst haben. So stellten Marco Reus und Thomas Müller für ihre Coaches zuletzt jeweils keine Startelfoption dar.
In der Liga durfte Müller gegen die TSG zwar noch von Beginn an starten, bei den beiden so wichtigen Königsklassen-Partien gegen City wurde er jedoch auf die Bank degradiert. Ähnlich sah es bei Reus aus, der seine Qualitäten sowohl gegen den VfB als auch zuvor gegen Union Berlin erst nach Einwechslung unter Beweis stellen durfte.
Klub-Ikonen mit ungewohnten Rollen
Für beide dürfte die gegenwärtige Lage nicht zufriedenstellend und eine Reservistenrolle im heißen Schlussspurt keineswegs der Anspruch sein. Waren die BVB- und FCB-Ikonen im gesamten zurückliegenden Jahrzehnt im Grunde genommen fraglos gesetzt, machen sie aktuell ungewohnte Erfahrungen durch. "Müller spielt immer" ist nimmer und auch Reus kann sich nicht auf seinen Stammplatz verlassen.
Mit Blick auf das Bayern-Urgestein hatte man dabei durchaus den Eindruck, dass er dem Münchner Spiel gegen City schon von Beginn an gutgetan hätte. Der FCB wirkte gegen dominante Cityzens streckenweise orientierungslos und überfordert. Müllers Leader-Eigenschaft und Erfahrung hätten dem Team von Trainer Thomas Tuchel womöglich mehr Selbstvertrauen und Widerstandsfähigkeit gegeben.
Sky Experte Didi Hamann bewertete die Bankplätze gegen City wie einen "Schlag ins Gesicht" aus Sicht von Müller. In seiner Kolumne auf sky.sport.de zweifelte er obendrein an, ob Müller nach dieser Saison überhaupt noch in den Diensten der Münchner stehen wird: "Aber ich habe nicht verstanden, dass er Thomas Müller nicht von Beginn an gebracht hat in einem Spiel, in dem du Emotionen brauchst, Leader und Spieler, die andere besser machen wie es Müller kann. Dass Tuchel ihn erst nach Mane eingewechselt hat, war für mich ein Schlag ins Gesicht von Thomas Müller. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen: Unter Tuchel wird Thomas Müller nächste Saison kein Bayern-Spieler mehr sein."
Tuchel schwärmt von Müller
Tuchel indes hatte auf der Pressekonferenz vor dem bevorstehenden Spiel gegen Mainz (Samstag, 22. April, LIVE auf Sky Sport Bundesliga) noch einmal nachdrücklich betont, dass seine Bankplätze gegen City nicht qualitativer, sondern vielmehr taktischer Natur gewesen seien. Müller habe "eine Undefinierbarkeit in Weltklasse-Ausprägung. Ich bin trotzdem der Meinung gewesen, dass die Manchester-Spiele in ihrer Charakteristik nicht seine Spiele sind, nicht zu hundert Prozent zu ihm passen", so der Trainer.
"Ich habe mich wahnsinnig über seine Reaktion auf dem Trainingsplatz gefreut. Der Umgang war nicht nur professionell, sondern vorbildlich. Er hat das beste Signal von allen gesendet", schwärmte Tuchel abschließend. Dass Müller dem Münchner Spiel in den verbleibenden sechs Ligapartien also auch von Beginn an wieder seinen Stempel aufdrücken wird, scheint sehr wahrscheinlich. Auch gegen Mainz wird der 33-Jährige aller Voraussicht nach zurück in die Startelf kehren.
Reus-Zukunft ungewiss
Auf der anderen Seite fragt man sich in schwarz-gelben Kreisen schon, was ein Marco Reus der Borussia in seiner aktuell schwankenden Verfassung geben kann. Immer wieder wird der Vorwurf laut, er sei kein ausgewiesener Leader, der sein Team Woche für Woche mitziehen und auf dem Feld zum Maximum pushen kann. Darüber hinaus wird abseits des Rasens seit Wochen heiß über die Zukunft des Kapitäns diskutiert. Sein Vertrag endet im Sommer, noch immer ist nicht klar, wie es mit ihm und dem BVB weitergeht.
Während Reus einen Verbleib und ein Karriereende beim BVB anstrebt, plädierte Sky Experte Lothar Matthäus jüngst für einen Abschied. "Wenn man Marco Reus nicht mehr hundertprozentig vertraut, dann sollte man eine vernünftige Lösung finden, die für beide Seiten gut ist", machte der deutsche Rekordnationalspieler deutlich. Nach Sky Informationen wollen Dortmund und Reus zusammen weitermachen, jedoch sind noch einige Eckpunkte zu klären.
Reus droht unrühmliches BVB-Novum
Beim seit 2012 im schwarz-gelben Trikot auflaufenden Mittelfeldakteur sieht die Lage mit Blick auf die nahe Zukunft also deutlich prekärer als beim gleichaltrigen Müller, dessen Kontrakt noch bis zum Sommer 2024 datiert ist, aus. Reus ist alles andere als ein Lautsprecher, zudem fällt er nach wie vor regelmäßig mit Verletzungen aus. In dieser Spielzeit verpasste er allein elf Partien aufgrund von Sprunggelenksproblemen.
Gegen Eintracht Frankfurt (Samstag, 22. April, ab 18.30 Uhr LIVE bei Sky Sport Bundesliga) droht ihm nun obendrein ein unrühmliches Novum. Erstmals seit 2012 könnte er zum dritten Mal in Folge zunächst auf der Bank Platz nehmen . Zuletzt musste er für Julian Brandt in der Startelf weichen, auch gegen die Eintracht wird er aller Voraussicht nach wieder den Vorzug vor Reus erhalten.
Dieser jedenfalls stärkte seinem Kapitän angesichts der immer wieder aufkommenden Kritik den Rücken: "Bevor ich hierhergekommen bin, war Marco immer jemand, zu dem ich aufgeschaut habe. Und dieses Gefühl habe ich weiterhin, nicht nur auf mich bezogen, sondern auf viele Spieler", so der 26-Jährige. Reus habe "an seinem Standing, am Auftreten, an der Energie, die er ausstrahlt, nichts verloren in den letzten Jahren", urteilte der Brandt vor dem Spiel gegen Frankfurt.
Müller mit Leader-Impulsen? Reus mit besonderen Momenten?
Der offensive Mittelfeld-Akteur weiß vermutlich mehr als jeder andere, dass Reus noch immer und zu jeder Zeit für die ganz besonderen Momente zu haben ist. Anders als Müller steht er wie kein Zweiter für Einzelaktionen, Standardsituationen und außerordentliche Zuspiele. Reus ist ein Künstler, der so in der Bundesliga nur schwer wiederzufinden ist. Auch das kann dem BVB in den kommenden Wochen im Titelrennen durchaus noch zugutekommen.
Und obwohl die Klub-Ikonen mehr und weniger am Scheideweg stehen, derzeit ungewohnte Rollen innehaben und jüngst bittere Entscheidungen gegen sich hinnehmen mussten: Sowohl Müller als auch Reus könnten dennoch zum entscheidenden Faktor für den Endspurt dieser Spielzeit innerhalb ihrer Teams avancieren.
Womöglich setzt Müller die entscheidenden Impulse als Anführer und schweißt die strauchelnden Bayern noch einmal zusammen, vielleicht sorgt Reus für die nötigen besonderen Momente aufseiten der Dortmunder. So oder so: Gänzlich verzichten sollten BVB-Coach Edin Terzic und FCB-Übungsleiter Tuchel auf ihre einst gesetzten Leistungsträger in keinem Falle.
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