"Das Pokal-Aus gegen Freiburg und die Art und Weise, wie die Bayern bei Manchester City verloren haben, waren für mich enttäuschend und einfach nicht gut genug“, meint Sky Experte Didi Hamann in seiner Kolumne. Er geht auf Tuchels Lob für die Mannschaft ein und nennt die Baustellen.
Thomas Tuchel hat nach der Hinspiel-Niederlage in Manchester gesagt, er habe sich schockverliebt in seine Mannschaft und er habe trotz des 0:3 viel Spaß gehabt. Auf der einen Seite kann ich ihn verstehen, weil er seiner Mannschaft das Gefühl geben muss, dass sie das Ergebnis im Rückspiel noch umdrehen kann - auch wenn es unheimlich schwer wird.
Auf der anderen Seite finde ich: Wenn du 60 oder 65 Minuten lang dem Gegner gleichwertig, oder wie Tuchel sagte, teilweise sogar besser bist, aber dann 0:3 verlierst, ist es das Zeichen einer durchschnittlichen Mannschaft auf diesem Niveau. Gut spielen und dann 0:3 verlieren, das war noch nie ein gutes Zeichen.
Ich verstehe Tuchel, aber mit solchen Aussagen musst du vorsichtig sein, weil die Ansprüche beim FC Bayern andere sind.
Ich bin mir sicher, dass er intern den einen oder anderen Kritikpunkt anspricht. Aber er stellt sich jetzt vor die Mannschaft und hofft, dass sie es ihm im Rückspiel und in den nächsten Wochen zurückzahlt.
Den Trainer kann man nach vier Spielen nicht in Frage stellen. Natürlich muss er mit den Bayern am Ende Meister werden, gegen Manchester City kann man ausscheiden. Es ist eine Frage der Art und Weise. Man muss schauen, was im Rückspiel passiert und wie es in der Bundesliga weitergeht. Es wird wahrscheinlich schwierig sein, Tuchel nach dieser Saison abschließend zu beurteilen, aber natürlich hätte man sich erhofft, schneller eine Reaktion auf den Trainerwechsel zu bekommen.
TOP 1: Sommer ist ein Unsicherheitsfaktor
Ein Schwachpunkt am Dienstagabend war - wie schon beim 2:0 im Achtelfinale gegen Paris Saint-Germain, als Matthijs de Ligt in höchster Not für ihn rettete - Yann Sommer. In zwei K.o.-Spielen in Folge hat er im Strafraum den Ball verloren. So etwas habe ich selten gesehen. Die Bayern hatten Glück, dass sie in Manchester nicht schon früher in Rückstand geraten sind.
Eins von den ersten beiden Toren hätte Sommer halten müssen. Beim ersten kann man streiten, beim zweiten Treffer geht der Ball direkt über ihn rüber, auf der Flanke war kein Tempo.
Dazu die Fehler in der Strafraumbeherrschung. In der ersten Halbzeit ist er unter einer Flanke durchgesprungen, solche Aktionen verunsichern eine Mannschaft. Man muss schauen, ob Neuer zurückkommt. Was im Sommer mit Sommer passiert, darüber können sich die Bosse nach dem Rückspiel ihre Gedanken machen.
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TOP 2: Im Angriff ist - bis auf Sane - nichts los
Das andere Problem ist der Angriff. In Manchester war - bis auf Sane - nichts los. Von Coman, der in den vergangenen Jahren eigentlich in wichtigen Spielen der Zuverlässigste war, war überhaupt nichts zu sehen. Gnabry fehlte das Durchsetzungsvermögen und Musiala bekam einige Male von Rodri die Grenzen aufgezeigt. Er hat Lehrgeld bezahlt.
Wenn von den vier Offensiven nur einer funktioniert, tust du dich schwer, Chancen herauszuarbeiten und Tore zu machen. Man hatte nur das Gefühl, dass etwas passiert, wenn Sane am Ball war. Das war einfach zu wenig.
Es fehlt nicht grundsätzlich die Qualität, aber vorne fehlt den Bayern ein Stürmer, der die Bälle hält und auch mal aus Nichts ein Tor macht. Den haben sie im Moment nicht. Ich glaube auch nicht, dass Choupo-Moting dieser Stürmer ist oder gestern gewesen wäre. Im Rückspiel vielleicht, wenn die Bayern etwas weiter vorn spielen.
Dass Müller nicht in der Startelf stand, konnte ich nachvollziehen. Tuchel hat sich für die jüngere, laufstärkere Variante entschieden, das fand ich okay so. Nur hat Gnabry wochenlang seine Chance nicht genutzt, Musiala hat seit der WM einen körperlichen Durchhänger. Ich bin der Meinung, dass Tuchel am Wochenende und im Rückspiel am nächsten Mittwoch Mane und Müller spielen lassen und mit beiden auch starten muss. Dann musst du auf einen guten Beginn und die 75.000 Fans hoffen und schauen, ob noch was geht.
Die Frage, die sich Salihamidzic und die anderen Bayern-Verantwortlichen gefallen lassen und selbst stellen müssen ist, warum man 30 Millionen für einen Tel ausgegeben hat, der seine Sache zwar, wenn er spielt, gut macht, aber offensichtlich von Nagelsmann und auch von Tuchel als nicht bereit für die wichtigen Spiele empfunden wird.
Bei Bayern hast du keine Zeit, du kannst so einen Spieler nicht zwölf oder 18 Monate auf die Bank setzen und dann sagen: "So, jetzt bist du unser erster Stürmer!" Der muss immer wieder spielen, und natürlich auch mal von Anfang an. Da bleibt die Frage, warum ich vor der Saison 30 Millionen für Tel in die Hand nehme, und dann mit Choupo-Moting als erstem Stürmer in die Saison gehe. Und ob man für das Geld nicht jemanden bekommen hätte, der in so einem Spiel vorne drinsteht und der Mannschaft hilft.
TOP 3: Körperliche Präsenz und Durchschlagskraft fehlen
Das größte Manko aber war: Die Bayern hatten zwar das Tempo, aber die körperliche Präsenz und die Durchschlagskraft haben ihnen gefehlt.
Entscheidend war, wie die City-Defensive die Bayern-Offensive beherrscht hat. Die Manchester-Spieler hatten in den Zweikämpfen eine körperliche Robustheit, es kam mir ab und zu vor, als spielten Männer gegen Buben, so eklatant war der Unterschied.
Was Dias, Akanji und Ake gespielt haben, war sensationell. In der Mitte haben Stones und Rodri das Spiel dominiert. Kimmich hat es ordentlich gemacht, Goretzka war okay, aber eigentlich erwarte ich mir mehr von ihm.
Du brauchst im Zentrum einen Spieler, der ein gutes Spielverständnis hat, der Situationen antizipiert und im besten Fall auch noch körperliche Präsenz zeigt. Das hat ein Rodri, das hat aber ein Kimmich nicht. Goretzka hätte es, aber von ihm kommt auch zu wenig.
Ich würde allerdings nicht grundsätzlich von einem Qualitätsproblem sprechen, denn Kimmich und Goretzka haben in der Vergangenheit gezeigt, dass sie auf diesem Niveau spielen können.
Dennoch ist das zentrale Mittelfeld eine Position, für die sich die Bayern mittel- oder langfristig Gedanken machen müssen. Ein Laimer, der im Sommer kommt, ist auch einer, der überall rumläuft. Seine Verpflichtung verstehe ich nicht.