DFB-Team: Sane und Gnabry kratzen an Müllers Mythos

Wachablösung in der Löw-Offensive

Von Norbert Obkircher

Image: Leroy Sane (l.) und Serge Gnabry stehen für den Generationswechsel im DFB-Team.

Mit starken Auftritten im DFB-Dress mausern sich Serge Gnabry und Leroy Sane zu Stammkräften bei Jogi Löw. Schlechte Nachrichten für Thomas Müller.

Die erste Halbzeit des Länderspiels gegen Russland stand ganz im Zeichen der "Jungen Wilden" im DFB-Team: Defensiv verdiente sich Bayern-Youngster Niklas Süle (23) gute Noten, im Mittelfeld überzeugte der 22-jährige Ex-Schalker Thilo Kehrer, als Spielgestalter bewies Leverkusens Kai Havertz angesichts seiner gerade Mal 19 Jahre beeindruckende Übersicht.

Manuel Neuer: Der Kapitän erlebte einen ruhigen Abend. In der ersten Halbzeit brachten die Russen nicht einen einzigen Ball auf sein Tor. Direkt nach der Pause musste er sich bei der ersten Chance der Gäste gewaltig strecken. Sky Note: 3
Matthias Ginter: Der Gladbacher begann rechts in der Dreierkette und spielte solide, war aber gegen die harmlosen Russen defensiv komplett unterfordert. Sky Note: 3
Niklas Süle: Der Münchner bekam den Vorzug gegenüber dem nicht ganz fitten Mats Hummels. Schaltete sich sehr effizient in die Offensive ein. Erzielte sein erstes Länderspieltor und leitete das 3:0 mit seinem Pass auf Havertz ein. Sky Note: 2
Antonio Rüdiger (bis 61.): Der Chelsea-Profi musste wie Ginter defensiv so gut wie nie in Aktion treten. Sein verunglückter Flugkopfball im eigenen Strafraum (19.) blieb ohne Folgen. Nach der Pause bis zur Auswechslung aber fahrig. Sky Note: 4
Thilo Kehrer: Der PSG-Profi spielte im 3-4-3 mangels Gegenwehr der Gäste sehr offensiv und gab so einen zusätzlichen Rechtsaußen. In dieser Form sollte er immer in der Startelf stehen. Nach der Pause wie die ganze Elf etwas schwächer. Sky Note: 2
Joshua Kimmich: Wie zuletzt im DFB-Team auf der Sechs. Solide Vorstellung des Bayern-Stars, doch nicht so auffällig wie Havertz. Brachte die Ecke vor Süles 2:0 herein, verlor in der 48. Minute aber den Ball vor der russischen Chance. Sky Note: 3
Kai Havertz (bis 65.): Unfassbar, dass der Leverkusener erst sein zweites Länderspiel absolvierte!
Der 19-Jährige spielte enorm routiniert. Übersicht, Technik, Timing - fast perfekt. Leitete das 1:0 ein, seine Vorarbeit zum 3:0 war genial. Sky Note: 2 +
Jonas Hector: Der Kölner spielte links nicht so auffällig wie Kehrer auf rechts. Hätte dennoch fast sein viertes Länderspieltor erzielt (30.), in der 64. Minute wurde er bösartig am Knöchel gefoult und musste ausgewechselt werden. Sky Note: 3
Timo Werner (bis 65.): Der Leipziger war bei seinem Heimspiel sehr engagiert unterwegs, kam jedoch nicht an das hohe Niveau seiner Offensivkollegen Gnabry und Sane heran. Sky Note: 3
Serge Gnabry (bis 73.): Der Münchner knüpfte an seine zuletzt guten Leistungen im Verein an. Bewegte sich viel, gab die Vorlage zum 1:0, traf zum 3:0 und wirbelte mit Werner und Sane die russische Abwehr in Hälfte eins durcheinander. Sky Note: 2
Leroy Sane: Neben Gnabry und Havertz der auffälligste deutsche Spieler. Erzielte das Führungstor in der 8. Minute, vergab zwar eine große Kopfballchance (23.) und tauchte nach der Pause ab, aber dennoch sein bisher bestes Länderspiel. Sky Note: 2
Jonathan Tah: Der Leverkusener kam in der 61. Minute für Rüdiger. Beschränkte sich gegen die stärker werdenden Russen auf seine Defensivaufgaben. Sky Note: 3
Julian Brandt: In der 65. Minute für Werner gekommen, brachte der Leverkusener wieder etwas mehr Ideen in das abgeflaute Spiel. Sein Flachschuss in der 88. Minute wurde abgefälscht, in der Nachspielzeit passte er (zu) selbstlos quer. Sky Note: 3
Thomas Müller (l.) und Sebastian Rudy (r.): Dem Münchner und dem Schalker blieb zunächst nur ein Platz auf der Bank, weil Löw den jungen Spielern eine Chance gab. Rudy durfte ab der 65. Minute ran, Müller ab der 73. Minute. Keine Bewertung.
Nico Schulz: Der Berliner kam für den verletzten Hector, allerdings erst einige Minuten nach der Auswechslung des Kölners ab der 70. Minute ins Spiel. Keine Bewertung.
Leon Goretzka: Der Münchner ersetzte ab der 78. Minute Sane. Keine Bewertung.

Dass Havertz derart glänzen konnte, verdankt er auch den beiden Spielern, die seine präzisen Bälle immer wieder blendend weiterverarbeiteten: Bayerns Serge Gnabry (23) und Leroy Sane (22). Beide demonstrierten neben ihrer enormen Schnelligkeit auch ihre technischen Qualitäten und unterstrichen den Anspruch auf eine tragende Rolle beim Neuaufbau der DFB-Elf nach dem WM-Debakel in Russland.

Seht in diesem Video (60 Sekunden), wie die deutsche Nationalmannschaft Russland im Länderspiel ohne Probleme besiegt.

Dieser Inhalt kann auf dieser Seite leider nicht angezeigt werden
Komplette Version hier anschauen

Spielpraxis auf höchstem Niveau

Beim FC Bayern zählt Gnabry in seiner Debütsaison zu den wenigen konstanten Leistungsträgern - und auch im DFB-Dress zeigt er anhaltend gute Leistungen: Nach einem starken Auftritt bei der knappen 1:2-Niederlage gegen Frankreich Mitte Oktober lief der Ex-Bremer auch gegen Russland zu Topform auf (Sky Note: 2) und krönte eine starke Leistung mit seinem vierten Treffer im vierten Länderspiel.

Auch Sane sammelt bei seinem Hauptarbeitgeber seit geraumer Zeit Spielpraxis auf höchstem Niveau: Bei Premiere-League-Spitzenreiter Manchester City vertraute Pep Guardiola in dieser Saison in zehn von zwölf Ligaspielen auf den 50-Millionen-Euro-teuren Ex-Schalker. Der bedankte sich mit drei Treffern und vier Vorlagen. Im DFB-Dress hatte auch Sane bereits gegen Weltmeister Frankreich einen starken Auftritt hingelegt - mit seinem ersten Treffer im 16. Länderspiel setzte er gegen Russland jetzt noch einen drauf.

Dieser Inhalt kann auf dieser Seite leider nicht angezeigt werden
Komplette Version hier anschauen

Joachim Löw lobt seine Mannschaft nach dem Testspiel gegen Russland (Video: 00:23)

Offensivpower gegen müde Weltmeister

Für die verbliebenen Kräfte der müden Weltmeister-Elf von 2014 wird die Luft angesichts nachrückender Jugendpower a lá Sane/Gnabry zunehmend dünn: Speziell Thomas Müller läuft seiner einstigen Klasse sowohl im Verein wie im Nationalteam seit Langem hinterher. Gegen Russland in der Schlussphase für Gnabry eingewechselt, konnte er einmal mehr kaum Akzente setzen.

Die Zeiten von "Müller spielt immer" neigen sich rapide ihrem Ende zu. Der Spruch von Ex-Bayern-Coach Louis van Gaal, der die unkonventionellen Angriffsqualitäten und vor allem die spielerische Sonderstellung des bayerischen Alleskönners auf den Punkt brachte, wirkt wie ein Vermächtnis aus längst vergangenen Zeiten. Die genialen Momente, mit denen Müller einst regelmäßig seine Ausnahmestellung unterstrich, bleiben seit einiger Zeit aus.

Mehr dazu

Darum hilft Löw die Kroatien-Pleite bei der EM-Quali

Der Sieg der Engländer gegen die Kroaten war aus deutscher Sicht wichtig für die EM-Auslosung.

Gut möglich, dass der 29-Jährige, der beim Nations-League-Spiel gegen die Niederlande (Montag, 20:45 Uhr in Gelsenkirchen) vor seinem 100. Einsatz im DFB-Dress steht, zur Symbolfigur für die Wachablösung in der DFB-Offensive wird.

Im Rennen um die Stammplätze droht der einstige Angriffswildfang von den "Jungen Wilden" ganz einfach abgehängt zu werden.

Mehr zum Autor Norbert Obkircher