Der Hype-Train rund um Harry Kane ist nun auch in der Bundesliga angekommen. Zweiter Stopp: Bremer Weserstadion. Auf den Zug aufgesprungen: Sky Redakteur Max Georg Brand. Ein Erlebnisbericht.
Choo-choo! Die neue Bundesliga-Attraktion Harry Kane tourt nun durch Deutschland. Der Kane-Train hat nach kleinen Startschwierigkeiten (wer kennt es hierzulande nicht?) rund um den Kaugummi-Transfer und der Supercup-Schlappe gegen RB Leipzig Fahrt aufgenommen.
Wie groß der Hype auch außerhalb der Medien ist, erkenne ich daran, dass beinahe jeder Bayern-Fan, der der Versuchung nicht widerstehen konnte, zwischen 100 und 150 Euro entweder für das diskussionswürdige Auswärtstrikot der Bayern oder eines der beiden anderen Jerseys auszugeben, sich die Nummer neun und "Kane" hat hinten aufdrucken lassen. Nach nur sieben Tagen ist allerorts nur noch der Name des Ex-Spurs-Stars zu lesen. Mag es so sein, dass es aktuell besonders auffällt, ist mir ein ähnlicher Ansturm auf die Trikots eines speziellen Spielers in der Bundesliga nicht bekannt. Wer war nochmal Sadio Mane?
Alle Objektive auf Kane ausgerichtet
Dass das Thema auch in Bremen einen Großteil der Aufmerksamkeit auf sich ziehen würde, merkte ich bei der Ankunft der Mannschaften im Stadion. Nicht mit dem Zug, aber mit zwei Bussen fuhr der Rekordmeister pünktlich um 19:18 Uhr vor. 18 Kameramänner und -frauen richteten ihre Objektive auf die Gefährte. Von weiteren Journalisten flankiert, warteten wir auf ihn. Wann steigt Kane aus? Macht er etwas spektakuläres? Die Antwort: Wenige Augenblicke, nachdem bereits zahlreiche Bayern-Stars den Bus verlassen hatten, steigt auch Englands Nationalmannschaftskapitän um 19:20 Uhr aus dem vorderen der beiden Busse aus. Nicht in einem Pulk wie die Spieler vor ihm. Er schlendert alleine in Richtung Kabinentrakt, wirkt konzentriert und hört Musik.
Alleine und konzentriert beginnt er auch sein Aufwärmprogramm. Haben seine Kollegen so viel Respekt vor ihm, dass sie sich nicht trauen, mit ihm zu reden? Wollen sie sich nicht mit ihm unterhalten? Ist er im Gespräch genauso staubtrocken wie vor dem Tor? Alles halb so wild. Nur kurze Zeit später sehe ich, wie er mit Noussair Mazraoui Spielzüge bespricht und mit Joshua Kimmich flachst. Zuvor macht er noch bei den kurzen Läufen mit und reiht sich ganz bescheiden als Letzter ein.
Dann Torschuss. Mal sehen, was der Kane so draufhat. Bisher zeigte er der deutschen Öffentlichkeit lediglich seine drei Ballkontakte beim Supercup am vergangenen Samstag. Der erste Schuss sitzt. Die Schüsse zwei und drei nicht. Zum Abschluss nimmt er sich noch einen Ball, legt ihn sich 18 Meter vor das Tor und versucht sich an einem Freistoß. Er jagt den Ball ins Abfangnetz hinter dem Tor. Deutlich drüber. Nun ja, denke ich mir. Eine gelungene Generalprobe sieht anders aus. Ab geht's in die Kabine.
Matthäus heißt Kane willkommen
Nicht einmal zehn Minuten später beginnt der offizielle Teil des Bundesliga-Starts. Auf den Videoscreens läuft ein Imagefilm der Liga. 60 Jahre deutsche Eliteliga verpackt in einen Einminüter. Ich frage mich, ob Kane beim Video für den 70. Liga-Geburtstag auch einen Platz einnehmen wird. Wir sind gespannt.
Es folgt der Einlauf der Spieler. Wieder Letzter: Kane. Pure Bescheidenheit oder vielleicht auch ein Ritual. Auffällig ist, Kane nimmt sich vorerst zurück. Als letzter Bayern-Spieler ist er auch derjenige, der Bundesliga-Legende, Rekord-Nationalspieler und Sky Experte Lothar Matthäus, der zuvor die Meisterschale aufs Feld trug, die Hand schütteln durfte. Der frühere Bayern-Star packte den Neuling, zog ihn zu sich heran und gab ihm, wie Matthäus auf Nachfrage verriet, ein "Welcome to the Bundesliga and good luck" mit auf den Weg.
Nun kann es endlich losgehen. Das Warten hat ein Ende. Anpfiff.
Nur vier Minuten bis zur ersten Torbeteiligung
Ohne den Rest des Spiels nicht verpassen zu wollen, ist der Fokus vorerst auf den neuen Star der Bundesliga gerichtet. Und es dauert fast drei Minuten, bis er das erste Mal am Ball ist. Es ist eine Klatschbewegung, die in einem Fehlpass endet. Diese Notiz gerade verfasst, folgt das erste Kane-Highlight, seit er Spieler der Bayern ist. Vierte Minute: Sane im Doppelpass mit Kane, der den deutschen Nationalspieler von der Mittellinie aus auf Reisen schickt. Sane vollstreckt. Kane hat seine erste Torbeteiligung auf dem Konto. Die ersten zwei Aktionen des Engländers lassen bereits erahnen, wie fix er das Spiel machen kann und will. Nach einer Woche Trainingsarbeit scheinen die Abläufe schon ganz ordentlich zu funktionieren. Eine "nervöse Vorfreude" hätte er gehabt, erklärte Kane nach der Partie im Interview bei DAZN. Von Nervosität war bis dato nichts zu spüren. Vielleicht auch, weil mit Anpfiff der "Instinkt greift", wie er selbst erklärt.
Beinahe hätte der Hype-Train jedoch einen kleinen Dämpfer erfahren. Nur wenige Minuten später war es Kane, der Füllkrug bei einer Freistoßsituation aus den Augen ließ. Zum Glück für den Engländer stand der Deutsche im Abseits. Das Tor zählte nicht.
Auf die aufregenden Anfangsminuten folgte eine ruhige erste Halbzeit. Ich vergaß den neuen bajuwarischen Heilsbringer beinahe. Haben die Bayern wieder ein Phantom in ihren Reihen? Umso mehr überraschte er mich, als er ein ums andere Mal tief in der eigenen Hälfte auftauchte, um sich Bälle zu holen oder um dort in der Defensive auszuhelfen.
Unspektakulärer hätte Kanes Tor-Debüt kaum sein können
Das nächste Mal strahlte er erst in der 61. Minute selbst Torgefahr aus. Doch noch hatte Bremens Jiri Pavlenka etwas dagegen. Nichts ausrichten konnte der Werder-Keeper 14 Minuten später. Kane braucht zwar die unfreiwillige Hilfe von Bremen-Verteidiger Amos Pieper, doch da war er, der erste Bundesliga-Treffer von Kane.
Er hätte unspektakulärer kaum sein können. Kein Traumschuss in den Winkel oder wenigstens mit etwas Speed. Nein. Eher sah es danach aus, als wäre der Ball kläglich am Tor vorbeigegangen, hätte Pieper nicht entscheidend abgefälscht. Nun denn. Den mitgereisten Bayern-Fans war es egal. Kane auch. Er ließ sich mit "Harry, Harry, Harry"-Rufen feiern und animierte die eigene Anhängerschaft im Anschluss daran, noch einmal laut zu werden, in dem er die Faust in Richtung der Kurve zeigte. Spätestens jetzt rollt der Zug mit hoher Geschwindigkeit auf die kommenden Gegner zu.
Krämpfe beenden Kanes Spiel - Kane-Train verpasst Interview-Ausfahrt
Der kleine technische Defekt kurz vor Ende des Spiels sollte ihn dabei nicht aufhalten. Um 22:13 Uhr und beim Stand von 2:0 für den amtierenden Meister beendeten dann Krämpfe Kanes Arbeitstag. Zum Abschied klatschte er nochmal in Richtung der Bayern-Fans, die ihn mit tosendem Applaus in den Feierabend verabschiedeten. Ein gelungenes Debüt. Schien auch Thomas Tuchel so zu sehen, der mit seinem neuen Stürmer nach dessen Auswechslung scherzte.
Ein Tor, eine Vorlage. Auch ohne hätten wir Journalisten ihn nach dem Spiel liebend gern zum Interview empfangen. Der Andrang war groß, ebenso wie die Erwartungen an sein Fazit nach seinem ersten Liga-Auftritt. Doch nach zwei, drei Gesprächen mit den TV-Anstalten war Schluss. Kane erklärte unserer Gruppe von Print- und Online-Journalisten, dass er gleich nochmal vorbeikomme. Doch er kam nicht. Auch das kommt mir im Zusammenhang mit Zügen irgendwie bekannt vor... Dann halt beim nächsten Stopp, wenn der Kane-Train in München stoppt und dort der FC Augsburg wartet.