Leon Goretzka stand vor dem Spiel gegen Barcelona im Zentrum einer Startelf-Debatte. Gegen die Katalanen leitete er dann die Wende ein.
Es war womöglich der spielentscheidende Torschuss, obwohl er gar nicht im Kasten des FC Barcelona landete: Leon Goretzka nahm in der 50. Minute aus halblinker Position Maß und Barca-Keeper Marc-Andre ter Stegen wehrte den Ball zur Ecke ab.
Den anschließenden Eckstoß brachte Lucas Hernandez im Tor unter. Die Bayern führten mit 1:0, die Allianz Arena stand Kopf und das Team von Julian Nagelsmann hatte das Momentum auf seiner Seite. Barca konnte in den folgenden Minuten sein Spiel nicht mehr so aufziehen wie vor der Pause. Jamal Musiala und Leroy Sane kamen in die von ihnen so geliebten Kontersituationen. Aus einer dieser Gelegenheiten machte Sane in der 54. Minute das 2:0.
Auch wenn der FC Barcelona danach noch einige Gelegenheiten hatte - unter anderem setzte Pedri den Ball an den Außenpfosten - zwischen der 50. und 54. Minute entschieden die Bayern eine Partie, die vor der Pause die Gäste dominiert hatten.
Zehn Torschüsse ließen die Bayern in der ersten Halbzeit zu, so viele wie zuletzt vor 14 Jahren in einer Partie in der Königsklasse.
Doch Goretzka setzte mit seinem Schuss das Signal zur Wende. Es war aber nicht nur diese Offensivaktion des Nationalspielers, das gesamte Auftreten der Mannschaft war nach der Pause verbessert.
Mit Goretzka kommt die Gier
"Wie die Bayern in der zweiten Halbzeit gespielt haben - auch durch die Einwechslung von Goretzka - da war diese Bereitschaft, der Wille, die Gier zu sehen, all das, was man in der ersten Halbzeit so ein bisschen vermisst hatte", analysierte Sky Reporter Torben Hoffmann.
Nagelsmanns Marschroute aus der Kabinenansprache wurde perfekt umgesetzt: "Wir haben in der Halbzeit ein paar Szenen angeguckt und in der zweiten Halbzeit viel, viel besser verteidigt. Viel aggressiver, mit mehr Tempo angelaufen. Da war ich sehr zufrieden", erklärte der Coach auf der Pressekonferenz nach dem Spiel.
Goretzka selbst sah es ähnlich: "In der zweiten Halbzeit haben wir es besser gemacht, ein bisschen konzentrierter gespielt, aggressiver angelaufen und einfach mehr Vertrauen in unser Spiel gehabt." Durch die körperliche Präsenz, die der 1,89 Meter große Modellathlet ausstrahlt, fiel es womöglich auch den Mitspielern leichter, aggressiver aufzutreten.
Kahn mahnt zur Ruhe
Dass der heimliche Matchwinner nicht nur Lob kassierte, hatte er sich selbst zuzuschreiben.
Angesprochen auf angebliche Unruhe in der Bayern-Kabine merkte der Vorstandsvorsitzende Oliver Kahn an: "Wenn mal der andere spielt, muss man halt mal ins Bett beißen, das respektieren, weitermachen und auf seine Chance lauern."
Ausgelöst hatte die Berichte über die brodelnde Stimmung im Bayern-Team Goretzka. "Ab jetzt bin ich bereit zu starten", hatte der Mittelfeldspieler nach dem 2:0-Sieg bei Inter Mailand gesagt, in dem er 30 Minuten mitwirken durfte. Eine recht unmissverständliche Forderung an Trainer Nagelsmann.
Goretzka begrüßte Konkurrenzkampf
Durch eine Knieoperation im Sommer verlor der verletzungsanfällige Goretzka seinen Stammplatz auf der Doppelsechs neben Joshua Kimmich an Marcel Sabitzer, der in der vergangenen Saison noch keine große Rolle bei den Bayern gespielt hatte.
Dementsprechend unruhig wurde Goretzka. Nach dem, Sieg gegen Barcelona bezeichnete der 27-Jährige Berichte über Unruhe als "konstruiert".
Wie konstruiert die Berichte auch immer waren - letztlich hatte sich Goretzka ohnehin selbst widersprochen, wie Sky Reporter Florian Plettenberg anmerkt: "Diejenigen, denen das angekreidet wurde, sind ja die Spieler, die lauthals Verstärkungen gefordert haben. Und wenn ich das fordere, dass hier wieder jede Position doppelt besetzt ist, dann muss ich das Ego eben auch mal hinten anstellen."
Alles zum FC Bayern München auf skysport.de:
Alle News zum FC Bayern München
Videos zum FC Bayern München
Spielplan des FC Bayern München
Ergebnisse des FC Bayern München
Zur Bundesliga-Tabelle
Im Sky Interview nach der vergangenen Saison hatte Goretzka den Konkurrenzkampf tatsächlich mit klaren Worten begrüßt: "Ich fürchte keine Konkurrenz. Ich habe bereits erwähnt, dass das ein ganz wichtiger Faktor im Profifußball ist. Unter Reibung entsteht Wärme und wir wollen nächstes Jahr einiges erreichen."
Nun wohl wieder vor Sabitzer
Sabitzer selbst stellte sein Ego hinten an und attestierte seinem Konkurrenten nach dem Barcelona-Spiel eine gute Leistung: Die Spieler, die nach der Pause hereingekommen sind, hätten es gut gemacht. Er selbst habe keine Topleistung gebracht. Die frühe Gelbe Karte nach 19 Minuten habe ihn möglicherweise etwas gehemmt, so der frühere Leipziger.
Goretzka wird nun wohl künftig in der Mittelfeldzentrale wieder die Nase vorn haben. Mit seiner Leistung gegen Barcelona hat er sich aber nicht nur seinen Stammplatz zurückerobert, sondern auch bewiesen, wie sinnvoll der neue Konkurrenzkampf bei den Bayern ist.
Denn Nagelsmann hatte dadurch die Möglichkeit, in der Pause durch eine Einwechslung der Mannschaft einen frischen Impuls zu geben.
Und Goretzka bekam durch seinen Platz auf der Bank womöglich einem zusätzlichen Motivationsschub. Vielleicht steckte in dem spielentscheidenden Schuss auch ein wenig Wut.