Nach dem achten Spieltag liegen die Knappen mit 18 Punkten auf Tabellenplatz zwei. Nach zwei miserablen Jahren läuft es für S04 in der laufenden Spielzeit wieder. Und das hat Gründe.
Schalke-Fans hatten es in den vergangenen Jahren nicht einfach. Nach dem Abstieg aus der Bundesliga folgten zwei ganz schwache Saisons im Fußball-Unterhaus. Die vergangene Spielzeit war mit Platz 14 sogar die schlechteste Saison in der Vereinsgeschichte der Königsblauen. Mit 122 (!) Gegentoren war Schalke die Schießbude der Liga, wenn man die beiden Jahre zusammenrechnet - kein Zweitligist kassierte mehr.
Doch in der aktuellen Saison ist bisher alles anders auf Schalke. Der Pottklub stellt mit nur fünf Gegentoren in acht Ligaspielen nicht nur die beste Abwehr der Liga, sondern feierte mit sechs Dreiern bereits jetzt mehr Siege als in der kompletten Hinrunde. Da waren es fünf, am Saisonende nur zehn. Der Lohn ist Tabellenplatz zwei (zur Tabelle) - und das obwohl Torjäger Moussa Sylla bisher Ladehemmung hat. Nach seinem Treffer gegen die Hertha am ersten Spieltag hat der Angreifer nicht mehr getroffen. Warum läuft es in Gelsenkirchen also so gut? Sky Sport geht auf Ursachenforschung.
Trainer Miron Muslic
Als Schalke den Österreicher mit bosnischen Wurzeln Ende Mai als Nachfolger von Kees van Wonderen verpflichtete, wurde die Entscheidung vielerorts skeptisch betrachtet, zumal der hierzulande kaum bekannte 43-Jährige bei seinem letzten Arbeitgeber Plymouth Argyle aus der zweiten englischen Liga abgestiegen war und Ablöse kostete. Diese Skepsis verschwand jedoch relativ schnell, denn Muslic gelang es mit seiner offenen und sympathischen Art, den kompletten Verein und auch die Fans anzuzünden und ihm neues Leben einzuhauchen. Auch die Mannschaft brachte er mit seinem aktiven Coaching schnell hinter sich. Er strahlte vom ersten Tag das Selbstvertrauen aus, dass die Mannschaft Woche für Woche auf dem Platz zeigt.
Keine Frage: Der Übungsleiter und sein Trainerteam sind der größte Grund für den Umschwung auf Schalke. Seine Taktik passt zum Personal und erstmals seit Jahren sieht man eine Schalker Mannschaft, die einen klaren Plan an die Hand bekommen hat und den auch konsequent umsetzt. Bestes Beispiel waren die Partien in Magdeburg und gegen Fürth. Beim Schlusslicht raubte man dem FCM seiner Stärken im Ballbesitz, eine Woche später wollte man das Spielgerät selbst und überrollte Fürth so über weite Strecken.
Muslic baut zudem auch junge Spieler ein. Eigengewächs Vitalie Becker ist auf der linken Schiene seit dem ersten Spieltag gesetzt, Mertcan Ayhan bekam nun das Vertrauen, um einen Leistungsträger wie den verletzten Timo Becker zu ersetzen. Muslic hat eine Leistungskultur geschaffen und scheut auch vor großen Namen wie Amin Younes nicht zurück. Spieler wie Adrian Gantenbein oder Felipe Sanchez, die bereits als Fehleinkäufe abgestempelt wurden, funktionieren dagegen unter ihm plötzlich.
Neuzugänge
Ein guter Trainer und ein passender Plan sind das eine, die Umsetzung ist etwas völlig anderes. Dies klappt bei S04 in dieser Saison hauptsächlich deswegen so gut, weil die sechs externen Neuzugänge allesamt die Erwartungen erfüllt oder gar übertroffen haben und somit Soforthilfen sind. Man weiß gar nicht, wen man als Königstransfer bezeichnen soll. Rückkehrer Timo Becker, der als Führungsspieler auch in der Kabine unglaublich viel Verantwortung übernimmt. Oder Abwehrchef Nikola Katic, der die Defensive fast im Alleingang stabilisiert hat und Muslics absoluter Wunschtransfer war?
Dann wäre da noch Hasan Kurucay. Der Rechtsfuß ist flexibel in der Dreierkette einsetzbar und vielleicht Schalkes komplettester Abwehrspieler. Oder doch Dauerläufer Sofianne El-Faouzi, der sich im Rekordtempo in die Herzen der Fans gespielt hat und aus der Mannschaft nicht mehr wegzudenken ist? Der 23-Jährige ist jetzt schon Schalkes laufstärkster Spieler und hat noch massig Entwicklungspotenzial. Hinzu kommen Allzweckwaffe Finn Porath, der schon zwei wichtige Treffer erzielt hat und Christian Gomis, der erst am Deadline Day kam, aber seine Klasse auch schon in mehreren Phasen angedeutet hat.
Neue Stabilität
Fünf Tore in acht Ligaspielen sprechen eine klare Sprache. Auch im DFB-Pokal blieb man ohne Gegentor. Die neuformierte Defensive mit den Neuzugängen Timo Becker (rechts), Katic (Mitte), Kurucay (links) und Torhüter Loris Karius harmoniert einwandfrei. Aber selbst wenn eine Stütze wegbricht, geht die Stabilität nicht verloren. In dem derzeitigen Konstrukt liefern auch Ayhan und Sanchez bisher konstant ab.
Zusammenhalt in der Mannschaft und mit den Fans
Schalke funktioniert derzeit als Kollektiv. Beim Torjubel freuen sich die Ersatzspieler fast genauso wie der Torschütze oder der Vorbereiter. Alle ziehen mit, alle sind für den anderen da. Das bestätigt auch Ron Schallenberg, der auf seiner Lieblingsposition im defensiven Mittelfeld unter Muslic aufblüht. "Wir haben einen guten Vibe in der Mannschaft. Eine gute Energie, eine gute Intensität. Und dann macht es auch Spaß, Fußball zu spielen", so der 27-Jährige exklusiv am Mikro bei Sky Sport.
Und weiter: "Man hat bei jedem das Gefühl, er haut sich für den anderen rein, bügelt Fehler aus. Man hat schon das Gefühl, dass eine richtige Mannschaft auf dem Feld steht." Doch nicht nur innerhalb der Mannschaft passt es - auch die Fans stehen wieder bedingungslos hinter dem Team. Der Support sowohl zu Hause als auch auswärts ist Champions-League-reif. Vom gefrusteten Abwenden der Fans in der Vergangenheit ist nichts mehr zu sehen oder spüren.
Mentalität und Selbstbewusstsein
Der Trainer lebt es vor und sagt regelmäßig: 'We are Schalke! Hold your ground' - zu deutsch: 'Wir sind Schalke! Steht euren Mann!' Und die Mannschaft setzt es um. Die Knappen treten deutlich selbstbewusster auf als in den vergangenen Jahren. Die Spieler wissen, dass sie als Team schwer zu schlagen sind und geben auf dem Platz Vollgas.
Die unfassbare Rettungsaktion von Gantenbein, als er ein sicheres Bielefelder Tor im Vollsprint mit dem Hinterkopf noch verhinderte und anschließend selbst ins Netz krachte, ist ein Paradebeispiel für das neue Schalke. Muslic nennt es 'Defend until the end' - also Verteidigen bis zum Schluss.
Spielglück
Bei aller Intensität, Einsatz, Wille und auch dem dazugehörigen Plan - Schalke hatte in der ein oder anderen Szene natürlich auch Glück. Das gibt Muslic offen zu. Auf der Alm wäre auch ein 2:2 okay gewesen. Zu Hause gegen Bochum kippte das Spiel zu S04-Gunsten erst nach einem abgefälschten Tor zum Ausgeich. Aber: Schalke hat sich dies - im Gegensatz zu den vergangenen Jahren - auch verdient.
Der Gegner wird immer im Vollsprint attackiert, um Fehler zu erzwingen. In der Defensive wirft sich jeder in Schüsse, um den Einschlag zu verhindern. Das weiß auch Muslic, der nach dem Arminia-Spiel konstatierte, dass Glück sich immer ausgleicht. "Aber die Mentalität und Widerstandsfähigkeit ist etwas Nachhaltiges und das wird uns mittel- und langfristig helfen", so der Coach.
Schalke-Fans träumen zwar (noch) nicht vom Aufstieg, werden diese Worte aber dennoch gerne hören, denn sie hatten es in den vergangenen Jahren wirklich nicht einfach...
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