Jürgen Klopp hat den FC Liverpool mit seinem "2.0"-Projekt zurück an die Spitze der Premier League geführt und dabei auch eine persönliche Weiterentwicklung bewiesen. Allerdings steht die nächste große Herausforderung für den Star-Trainer direkt vor der Tür.
Graue Wolken hingen vor einem Jahr über der Anfield Road, die auch nicht von den Silvesterraketen verdrängt werden konnten. Jürgen Klopp hatte mit seinem FC Liverpool gleich im ersten Spiel des Jahres 2023 eine 1:3-Pleite in Brentford kassiert und hinkte mit seiner Star-Truppe den eigenen Ansprüchen meilenweit hinterher, was einen 16-Punkte-Rückstand auf Tabellenführer Arsenal bedeutete.
365 Tage später ist von etwaigen Wolken am Liverpooler Himmel nichts mehr zu sehen. Beim Blick auf die Tabelle dürften die Reds-Stars in der Neujahrsnacht stattdessen ein paar extra Raketen abgefeuert haben, denn derzeit grüßt die Mannschaft von Klopp im Tableau von der Spitze. So kommt es, dass die Berichterstattung rund um den FC Liverpool in den ersten Tagen des neuen Jahres hauptsächlich von einem verlorenen Ehering bestimmt wird, anstatt von sportlichen Krisen-Themen wie noch in der vergangenen Saison.
Probleme wecken "Angriffslust"
Klopp hat es erneut geschafft, eine Spitzenmannschaft zu formen und den Erfolg zurück an die Anfield Road zu bringen. Im mageren abgelaufenen Jahr hatte zwischenzeitlich auch hinter der Zukunft des deutschen Coaches ein Fragezeichen gestanden. Laut Sky PL-Experte Raphael Honigstein haben jedoch genau diese Probleme dafür gesorgt, dass die "Angriffslust in Klopp zurückgekehrt ist", die in einen abermaligen Erfolg mündete. Betrachtet man diese erneute Erfolgsgeschichte aber genauer, zeigt sich, dass der deutsche Trainer im Vergleich zu vorherigen Herangehensweisen etwas verändert hat.
Vor dreieinhalb Jahren stürmten die Reds noch mit überfallartigem "Heavy-Metal-Fußball" auf den englischen Fußball-Thron, wobei Liverpool mit seinen pfeilschnellen Offensiv-Stars die Defensivreihen der PL-Klubs reihenweise in Verzweiflung trieb. Sadio Mane, Mohamed Salah und Roberto Firmino erzielten zusammen 54 Tore und sorgten dafür, dass Klopp mit seinen Reds vom zweiten bis zum 38. Spieltag an der Spitze der Premier League rangierte.
Liverpool 2.0
2024 hat Liverpool erneut Platz auf dem Fußball-Thron in England genommen, doch auf eine etwas andere Art und Weise - und das mit Ansage. "Wir bauen hier gerade an Liverpool 2.0. Wir wollen noch mal richtig angreifen", sagte Klopp zu Beginn der Saison. Ein Bau-Projekt ist im Gange, dass dem deutschen Trainer bislang sehr gut geglückt ist.
Dabei ist Klopp von seinem besagten "Heavy-Metal-Fußball" etwas abgerückt und pflegt mit seiner Mannschaft die etwas kontrolliertere und ruhigere "Klassik"-Schiene. Mit den Transfers von Cody Gakpo, Dominik Szoboszlai, Wataru Endo sowie Alexis Mac Allister haben die Reds vor allem einen massiven Umbruch im Mittelfeld hingelegt, der Liverpool mehr Spielkontrolle verleiht - aber für nicht weniger Torgefahr sorgt.
Ein neuer Takt
Auch in der laufenden Spielzeit - wie schon in der Meistersaison - hat Liverpool nach City die zweitstärkste Offensive der Liga und die beste Defensive. Statt des Überfallkommandos hat Klopp seinen Virtuosen auf dem Feld lediglich einen anderen Takt vorgelegt und bewiesen, dass der Ex-BVB-Trainer sich auch nach neun Jahren in England entwickeln kann und dabei erfolgreich bleibt.
Alles überragender Akteur im Team von Klopp ist allerdings damals wie heute Mohamed Salah. Der Ägypter kommt in der aktuellen Saison auf 14 Tore sowie acht Vorlagen und bewies zuletzt beim 4:2-Sieg gegen Newcastle seine unglaubliche Verfassung. Salah ist zweifelsfrei einer der Faktoren für den Reds-Erfolg, doch stellt Liverpool zugleich auch vor eine Herausforderung.
Die erste Geige fällt aus
Der Auftritt gegen Newcastle war für die nächsten Wochen vorerst Salahs letzter für Klopp, denn der 31-Jährige ist mit Ägypten beim Afrika Cup und könnte acht Spiele lang fehlen, wobei es gleich zwei Mal gegen den FC Arsenal geht. "Ich glaube, es ist möglich, im Januar das zu kompensieren, wenn es sich bis in den Februar hineinziehen sollte, kann sich das aber bemerkbar machen [...[ er ist immer noch der wichtigste Spieler", meinte Honigstein.
Die beiden potenziellen Ersatz-Männer Darwin Nunez und Diogo Jota erzielten zusammen bislang zehn PL-Tore, müssen sich jedoch besonders in ihrer Effizienz verbessern, wollen sie einen adäquaten Ersatz darstellen. Klopp steht mit der Salah-Abwesenheit vor einer neuen Herausforderung und muss sich wohl eine neue Strategie ohne seine erste Geige ausdenken.
Der 56-Jährige hat jedoch bereits bewiesen, dass er als Dirigent mehrere Stile erfolgreich spielen lassen kann. Zudem befinden sich zweifelsfrei auch ohne Salah begnadete Künstler in den Reihen der Reds, aus denen Klopp zumindest ein vorübergehendes Liverpool 3.0 formen könnte.
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