Sky Experte Lothar Matthäus schreibt in seiner Kolumne "So sehe ich das" über die viel kritisierte Ibiza-Reise einiger Bayern-Stars, das aktuelle Mannschafts-Gefüge beim FCB und mögliche Abgänge um Robert Lewandowski, Leroy Sane und auch Serge Gnabry.
Nach dem Lustlos-Auftritt und der peinlichen 1:3-Pleite in Mainz sind Bayern-Spieler nach Ibiza geflogen. Eine Teambuilding-Maßnahme soll das sein. Für mich ist das keine Teambildung-Maßnahme, sondern eine Freizeitgestaltung einiger Profis. Allein am Umstand, dass nicht die ganze Mannschaft dabei und selbst der Kapitän daheim geblieben ist, kann man erkennen, dass es hier nicht um das Team geht. Denn sonst wären sie geschlossen verreist. Und außerdem steht nach dieser Saison fest, dass diese Bayern-Mannschaft einfach kein wirkliches Team ist.
Wenn dem so wäre, hätten sie nicht mehrere Spiele gegen Klubs aus der unteren Tabellenhälfte verloren und wären nicht gegen Villarreal und Gladbach aus den Pokal-Wettbewerben sang- und klanglos ausgeschieden. Eine Teambuilding-Maßnahme hätte es nach der Pleite in Bochum gebraucht, um sich dann nochmal so richtig zusammenzureißen und eine wirklich gute Saison zu spielen. Aber so hat das einen mehr als faden Beigeschmack.
Ibiza-Ausflug hätte es unter Hoeneß und Rummenigge nicht gegeben
Ich habe wirklich nichts dagegen, wenn Spieler feiern gehen. Im Gegenteil. Auch wir haben es uns gut gehen lassen. Aber wenn ich nach einer durchwachsenen Saison für ein paar Tage nach Ibiza fliegen möchte, muss ich mein Spiel davor gewinnen. Gegen einen Abend in einer Münchner Disko hätte sicherlich keiner was gesagt, aber diese Aktion war unangebracht.
Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge hätten die Truppe nach einem 1:3 in Mainz niemals zwei Tage wegfliegen lassen. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass Julian Nagelsmann diesen Ausflug gerne gestrichen hätte. Aber es wäre für ihn sehr riskant gewesen, hier ein Machtwort zu sprechen ohne danach einen Großteil der Kabine zu verlieren.
Zwischen der Autorität eines jungen Bayern-Trainers, der noch nicht allzu viele Erfolge vorzuweisen hat und dem Verlust an Ansehen und Respekt in der Mannschaft, ist es ein sehr schmaler Grat. Allerdings hätte der Klub die sogenannte Teambuilding-Maßnahme nach der Niederlage in Mainz einkassieren können oder sogar müssen. Die Spieler hätten den schönen Ausflug problemlos nach dem letzten Spieltag antreten können.
Dem Bayern-Kader fehlt es in der Breite
Mit den offenen und schonungslosen Worten von Julian Nagelsmann nach dem Spiel in Mainz und der Forderungen nach großen Veränderungen habe ich den Eindruck, dass er damit ähnliche, wenn nicht sogar die gleichen Dinge meint, wie Hansi Flick vor einem Jahr. Nämlich, dass der Kader in der Breite qualitativ viel besser werden muss, als er aktuell ist. Nur dann sind die großen Ziele des FC Bayern in der nächsten Saison zu erreichen - zumal am Ende des Jahres auch noch eine Weltmeisterschaft ansteht und der Kräfteverschleiß noch größer als ohnehin sein wird.
Wenn man sich den aktuellen Kader und die ersten 14, 15 Spieler des Rekordmeisters ansieht und in den Worten von Julian Nagelsmann mehr als deutlich erkennt, dass nicht genügend Qualität vorhanden ist, um mehr Titel zu holen als die Meisterschaft, gelangt man zu dem Ergebnis, dass hinten mit Neuer, Pavard, Upamecano, Hernandez und Davies alle gesetzt sind. Außerdem dürften das auch nicht die Spieler sein, die Nagelsmann als satt bezeichnet. Wobei man auch hier vielleicht differenzieren muss. Meint Nagelsmann sportlich oder finanziell satt?
Bei dem ein oder anderen Spieler in München mag vielleicht beides gelten. Andere wiederum sind offensichtlich auch nach der siebten und achten Meisterschaft noch nicht satt gewesen.
Qualitätsabfall von Startelf zur Reserve darf nicht so eklatant sein
Im Mittelfeld sind Leon Goretzka und Joshua Kimmich absolut gesetzt. An diese beiden dürfte Nagelsmann auf keinen Fall gedacht haben, als er von Veränderungen gesprochen hat. Bei Goretzka genauso wie bei Davies sieht man allerdings, dass dieser Kader nicht ausbalanciert ist, wenn einer oder beide ausfallen. Sie sind nicht im Ansatz ersetzbar. Kein Verein auf der Welt, kann seine beste Elf eins zu eins ersetzen. Aber der Qualitätsabfall darf nicht so eklatant sein.
Bei Bayern müssen die besten so gut wie immer spielen. Das ist auf der einen Seite eine viel zu große Belastung, fördert Verletzungen und hinzu kommt, dass die Stammspieler nicht wirklich unter Druck gesetzt werden können, weil sie keine ernsthafte Konkurrenz verspüren. Und genau das ist das Thema, das Nagelsmann umtreibt. Er hat gewartet, bis die Saison für Bayern gelaufen ist, um diese Message unmissverständlich zu platzieren.
Bleiben Lewandowski, Sane und Gnabry noch lange in München?
Im offensiven Mittelfeld wurde mit Kingsley Coman verlängert, Thomas Müller wird auch bleiben und Jamal Musiala ebenso. Bleiben Leroy Sane und Serge Gnabry, wenn man sich die Optionen für die Startelf ansieht. Bei Gnabry läuft der Vertrag bis 2023 und mit Sane kann man aktuell einfach nicht zufrieden sein. Ich hatte mich so gefreut als Sane endlich die Kurve bekommen hat, gefeiert wurde und Fußball zelebriert hat. Jetzt ist er seit Wochen leider wieder an dem Punkt, an dem man nicht weiß, was eigentlich mit ihm los ist. Mich würde ein Verkauf nicht wundern. Gnabry liefert in meinen Augen regelmäßiger gute Leistungen ab. Ich mag beide Spieler sehr, aber ich bin mir nicht sicher, ob wir sie beide noch lange in München sehen.
Zudem ist es sehr gut möglich, dass der Bayern-Trainer nicht zuletzt mit den Spielern unzufrieden ist, bei denen bereits die Verpflichtung kritisch beäugt wurde. Bouna Sarr, Marc Roca, Marcel Sabitzer und auch Corentin Tolisso. Die Kluft zwischen ihnen und den Stammspielern ist einfach viel zu groß.
Bleibt Robert Lewandowski? Bei ihm gehe ich nach den Aussagen von Brazzo und Kahn in den letzten Wochen davon aus, dass er in diesem Sommer auf keinen Fall gehen darf. Das haben die Bosse so kommuniziert. Wenn am Ende lediglich der Preis hochgetrieben wurde und Robert gehen sollte, bin ich sehr gespannt, wer als Nachfolger präsentiert wird. Denn wenn derjenige dann nicht sofort funktioniert und regelmäßig wichtige Tore schießt, wird der Fan-Frust nicht lange auf sich warten lassen.
Leipzig und Dortmund könnten den Bayern bald Konkurrenz machen
Viele Anhänger sind jetzt schon sehr unzufrieden. Nicht auszudenken, wie sie reagieren würden, wenn es im nächsten Jahr nicht besser, sondern vielleicht schlechter laufen sollte und am Ende gar kein Titel in München gefeiert wird. Das wäre absolut im Bereich des Möglichen. Der Kader der Leipziger, den Nagelsmann mitgeprägt hat, ist so ausbalanciert, wie er sein sollte. Fast jede Position ist gleichstark doppelt besetzt.
Natürlich sind die ersten Elf aus München besser. Aber unterm Strich ist der komplette Kader aus dem Tedesco jetzt auch das rausholt was möglich ist, klüger und besser zusammengestellt. Wenn die Arbeit dort so fortgeführt wird und sich die Dortmunder weiter richtig gut verstärken, gibt es vielleicht bald einen anderen Meister. Dann dürfte die Arbeit der Bosse noch kritischer betrachtet werden, als ohnehin schon.
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