Kommentar: Vatutinki - ein Puzzle-Teil des Scheiterns

Ein Kommentar von Sky Reporter Uli Köhler

Von Uli Köhler, Sky Sport Reporter @sky_uli

Image: Bundestrainer Joachim Löw deutete immer wieder seinen Unmut über die Quartier-Wahl an.

Der DFB schlug bei der WM 2018 sein Basis-Quartier in Vatutinki bei Moskau auf. Eine Entscheidung, die unter anderem bei Bundestrainer Joachim Löw nicht auf vollste Zustimmung stieß - Stichwort: Sportschule. Auch wenn sich dies nicht auf die Leistung auf dem Platz auswirkt, beeinflusst die Quartier-Wahl wohl aber die Stimmung im Team. Ein Kommentar von Sky Reporter Uli Köhler.

Was braucht es für den maximalen Erfolg bei einer Weltmeisterschaft? Es muss alles stimmen. Wenn es ernst wird geben die kleinen Details den Ausschlag. Bei der deutschen Mannschaft hat allerdings so viel nicht gestimmt, dass es auf die Details fast gar nicht mehr ankommt.

Und trotzdem: noch wichtiger als Laktatwerte ist der Wohlfühlfaktor. Und schon deshalb ist bei dieser WM einiges schief gelaufen. Campo Bahia hatte diesen totalen Wohlfühlfaktor und dadurch war die Gruppe unglaublich gestärkt und zusammengewachsen. Das Klima war nur ein Faktor, aber die Art des Zusammenwohnens mit einem großen gemeinschaftlichen Hauptbereich, war der Schlüssel zum Erfolg in Brasilien.

Deutschland ist bei der Weltmeisterschaft in Russland krachend in der Vorrunde gescheitert. Sky Sport zeigt die Chronologie des Niedergangs.
13. Juli 2014: Joachim Löw auf dem Zenit seines Schaffens. Deutschland wird im Maracana Stadion von Rio de Janeiro durch einen 1:0-Sieg nach Verlängerung gegen Argentinien Weltmeister. Danach geht es langsam, aber stetig bergab.
2. Juli 2016: Bei der EM zwei Jahre später tut sich die Truppe schon schwer. Zwar schaltet das DFB-Team Italien im Viertelfinale mit 6:5 im Elfmeterschießen aus, doch der Siegesrausch übertüncht die Defizite der Mannschaft ...
... die wenig später von Frankreich schonungslos aufgedeckt werden. Der Weltmeister lässt zu viele Chancen liegen, während Frankreich mit Antoine Griezmann zweimal eiskalt zuschlägt und die Löw-Elf mit 2:0 nach Hause schickt.
2. Juli 2017: Löw gewinnt mit einem stark verjüngten Team den Confed Cup. Der Titel bei der WM-Generalprobe macht Mut und katapultiert das DFB-Team in die Favoritenrolle für die Weltmeisterschaft 2018.
27. März 2018: Deutschland verliert im Testspiel mit 0:1 gegen Brasilien. Anschließend übt Toni Kroos scharfe Kritik an seinen Teamkollegen.
13. Mai 2018: Mesut Özil und Ilkay Gündogan treffen den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan in London. Die Fotos lösen eine Debatte aus, die beim DFB zum Dauerthema und Störfeuer wird.
23. Mai 2018: Das DFB-Team startet in Südtirol mit einem 27er Kader in die WM-Vorbereitung. Die Negativ-Serie aus den vorangegangenen Testspielen werden weggelächelt.
2. Juni 2018: Deutschland verliert mit 1:2 gegen Österreich. Die Niederlage gegen den Nachbarn ist ein weiterer Stimmungsdämpfer.
4. Juni 2018: Joachim Löw gibt seinen endgültigen WM-Kader bekannt. Überraschend streicht er Leroy Sane. Nachfragen zu den Gründen lässt der Bundestrainer nicht zu. Zudem müssen Bernd Leno, Nils Petersen und Jonathan Tah zuhause bleiben.
8. Juni 2018: Der Weltmeister schlägt Saudi-Arabien im letzten Testspiel vor dem Abflug nach Russland nach einer dürftigen Leistung mit 2:1. Überschattet wird die Partie von Pfiffen gegen Ilkay Gündogan.
17. Juni 2018: Deutschland verliert das erste WM-Gruppenspiel mit 0:1 gegen Mexiko. Das DFB-Team lässt sich wie eine Jugendmannschaft von den Mittelamerikanern auskontern und enttäuscht auf ganzer Linie.
17. Juni 2018: Mats Hummels holt nach der Pleite gegen Mexiko zum Rundumschlag aus. Er gibt zu Protokoll, sich von der Mannschaft in der Abwehr mit Jerome Boateng alleingelassen gefühlt zu haben.
23. Juni 2018: Toni Kroos erlöst das DFB-Team gegen Schweden in der Nachspielzeit. Ganz Deutschland hofft wieder aufs Achtelfinale.
27. Juni 2018: Vier Tage nach dem Last-Minute-Sieg gegen Schweden ist der Knockout perfekt. Deutschland scheitert in der WM-Vorrunde durch ein blamables 0:2 gegen Südkorea.
Dem DFB-Team fehlten in Russland Lösungen in der Offensive. Leroy Sane wäre jemand gewesen, der das deutsche Angriffsspiel mit seinen Dribblings belebt hätte.
Wie geht es nun weiter mit dem Flaggschiff des deutschen Fußballs? DFB-Präsident Reinhard Grindel hat Joachim Löw das Vertrauen ausgesprochen, der Bundestrainer lässt seine Zukunft aber offen. Eine Entscheidung soll in den nächsten Tagen fallen.

Wohlfühlfaktor hat gefehlt

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Jogi Löw wusste, dass der Wohlfühlfaktor wichtig ist. Er wollte nach Sotschi. Dort wären zumindest die klimatischen Bedingungen klasse gewesen. Zudem wäre die Mannschaft unter Menschen gewesen.

Löw zieht Vergleich zu 2004 und fordert klare Veränderungen

Vatutinki - das genaue Gegenteil! Eine gehobene Sportschule in der Hand der Armee und das in einer Gegend zwischen schrecklichen Plattenbauten und dem definitiven Nichts. In Vatutinki sagen sich nicht einmal Fuchs und Hase gute Nacht. Darüber gab es auch im Vorfeld bereits Streit zwischen Joachim Löw und Oliver Bierhoff. Aus bisher nicht geklärten Gründen bestand Bierhoff auf Vatutinki. Die logistischen Argumente mit Flugzeiten und Entfernung waren vorgeschoben.

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Matthäus bemängelt fehlende Fitness des DFB-Teams

Sky Experte Lothar Matthäus hat nach dem WM-Aus die Fitness der deutschen Nationalmannschaft angezweifelt.

Natürlich rechtfertigt schlechtes Wohnen nicht die katastrophalen Leistungen. Aber zusammen mit Grüppchenbildung, der Özil/Gündogan-Affäre und der mangelnden Hierarchie ist die Quartier-Wahl ein weiteres Mosaiksteinchen bei der Aufarbeitung des Scheiterns.