Im exklusiven Sky Interview hat sich Lothar Matthäus zum Bayern-Aus von Thomas Tuchel geäußert und dabei auch über das Fehlen von Führungspersönlichkeiten bei den Münchnern gesprochen.
Lothar Matthäus ...
… darüber, wer sich mehr geirrt hat, Tuchel oder die Bayern?: "Ich glaube, beide haben sich geirrt, und es hat von Anfang an nicht gepasst. Es war ein Missverständnis. Bayern München hat etwas anderes von Thomas Tuchel erwartet und Thomas Tuchel etwas anderes von Bayern München. Deshalb finde ich die Entscheidung, sich einvernehmlich nach dieser Saison zu trennen, schon mal einen Schritt in die richtige Richtung. Vieles hat einfach nicht gepasst, nicht nur die Einschätzungen voneinander, sondern vor allem die Leistung der Mannschaft auf dem Platz. (..) Daher ist die Trennung zum Ende der Saison meiner Meinung nach der richtige Zeitpunkt. Aber ich sage es mal so: Wenn sie die nächsten Spiele verlieren sollten, weiß ich nicht, ob er das dann bis zum Ende noch durchzieht. Ich glaube, dass jetzt einfach Klarheit da ist und die Köpfe dadurch vielleicht freier werden, so wie sie es in den letzten Wochen nicht waren." (Alle neuesten Entwicklungen und Informationen zum Tuchel-Aus HIER IM LIVEBLOG)
… zur Rolle der Mannschaft: "Bei Bayern München strebt man immer nach maximalem Erfolg. (...) Ich durfte dies jahrelang miterleben, und die Mannschaft hat es in den letzten elf Jahren hervorragend gemeistert. (..) Thomas Tuchel hat vor der Saison viele Spieler gefordert, die dann nicht gekommen sind. Das hat den anderen letztendlich nicht die Sicherheit gegeben, die sie brauchen. Spieler wie Joshua Kimmich, Thomas Müller, Leon Goretzka und Jamal Musiala wurden gefordert, aber dann hat beispielsweise Mattys Tel überragend gespielt und trotzdem keine Einsatzzeiten bekommen. Das führt natürlich zu Unzufriedenheit bei den Spielern, die sich nicht wertgeschätzt fühlen. Dabei geht es nicht um Geld, sondern um ihre Leistung. (...) Wenn dann ein Trainer vor der Saison sagt, dass unbedingt eine Holding Six gebraucht wird und Goretzka sitzt nur noch auf der Bank, ist es natürlich verständlich, dass die Spieler nicht erfreut sind."
"Es scheint, als fehlen klare Führungspersönlickeiten"
… über den fehlenden Teamgeist und Egoismus der Spieler: "Ja, der Trainer trägt dafür die Verantwortung und hat viel Unruhe reingebracht. (…) Wenn ich die Qualität der einzelnen Spieler betrachte, haben sie nicht ihr Bestes abgerufen. (…) Vielleicht wird zu viel auf sich selbst geschaut und zu wenig auf die Mannschaft und die Mitspieler geachtet. Es scheint, als hätte jeder sein eigenes Ego im Vordergrund und sein eigenes Köfferchen auf dem Platz getragen. Der FC Bayern steht für eine Mannschaft, die nicht nur erfolgreich sein, sondern auch attraktiv Fußball spielen will. Aber wo sind die Leader in dieser Mannschaft? Manuel Neuer mag einer im Tor sein und mit Kane hat man einen Mittelstürmer, der vor sechs Monaten gekommen ist und bereits ein Gesicht des FC Bayern ist. Aber wer ist der Chef in der Abwehr? Wer ist der Chef im Mittelfeld? Es scheint, als fehlen klare Führungspersönlichkeiten. Diese Saison hat nicht so funktioniert, wie es früher der Fall war. Obwohl viele Punkte geholt wurden, die in anderen Jahren sogar meisterschaftsverdächtig gewesen wären, hat die Performance insgesamt bei Bayern München auch bei Siegen nicht das Niveau erreicht, das wir in vielen Jahren zuvor gesehen haben."
… über fehlenden Führungspositionen und zur Einbindung von Klublegenden: "Wo sind die sportlich Verantwortlichen? Wo kommen sie her? Da muss man hinterfragen. Und Bayern München war immer das Dreigestirn Franz Beckenbauer, Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge. Sie haben selbst Erfolgsgeschichten beim FC Bayern geschrieben und mittlerweile fehlen eben diese Gesichter. Ich würde mich freuen, wenn neben diesen kompetenten Leuten, die jetzt den FC Bayern führen, die aus der Wirtschaft kommen, wieder Gesichter bei Bayern München mit integriert sind, die auch bei Bayern München auf dem Platz Geschichte geschrieben haben. (...) Ich denke da an einen Philipp Lahm, einen Bastian Schweinsteiger, Thomas Müller in der Zukunft, welche man im Verein einbinden sollte. Das sind Leute, die im Endeffekt die DNA des FC Bayern auf dem Platz miterlebt haben. Schauen wir mal nach Leverkusen. Simon Rolfes, ein langjähriger Kapitän von Bayer Leverkusen, steht am Ruder. Es ist entscheidend, ehemalige Spieler einzubinden, die bei Bayer Leverkusen eine bedeutende Geschichte geschrieben haben."
… über die kommenden Wochen und die Leader der Mannschaft: "Ich habe immer betont, dass in der Mannschaft Leben vorhanden sein muss. Dieses Leben war in den letzten Wochen und Spielen nicht erkennbar, selbst nicht bei den gewonnenen Spielen gegen Augsburg, Union Berlin und Hoffenheim zum Jahresanfang. Das waren keine überragenden Auftritte, und die Mannschaft ist nun gefordert. Die Spieler müssen auf dem Platz stehen und Verantwortung übernehmen. Wenn ein Spieler wie Kimmich auf der Bank sitzt, verliert er natürlich an Glaubwürdigkeit. Thomas Müller kann nicht so führen, wie er es gerne möchte. Wenn diese Spieler, die die Bayern-Geschichte mitgeschrieben haben, das Vertrauen des Trainers erhalten, könnte sich die Mentalität auf dem Platz ändern. Es wird wahrscheinlich an den Spielern liegen, die den FC Bayern schon länger kennen und die Mannschaft in die Erfolgsspur geführt haben. Als Trainer würde ich jetzt mehr auf diese Spieler setzen, die die DNA des FC Bayern seit ihrer Kindheit kennen."
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