Vier Spiele, vier Siege: Manchester United ist nach dem katastrophalen Fehlstart in der Premier League zurück in der Spur. Trainer Erik ten Hag scheint seine Formation gefunden zu haben. Cristiano Ronaldo und Harry Maguire bleibt (vorerst) nur die Reservistenrolle.
0:4 beim FC Brentford! Etwas mehr als drei Wochen ist das nun her, als Manchester United beim kleinen, beschaulichen Verein aus dem Westen Londons sang und klanglos unterging und am sportlichen Tiefpunkt angelangt war.
Die lautstarke Kritik kam im Anschluss - wen wundert's - von allen Seiten. Was war nur aus einem der erfolgreichsten Vereine Europas geworden?
Einer blieb trotz allem ruhig: Neu-Trainer Erik ten Hag. Der niederländische Übungsleiter analysierte die zahlreichen Fehler nüchtern, ohne dabei seine Linie zu verlieren. Ten Hag sprach von einem "Prozess", den seine Mannschaft gehen müsse.
United gewinnt vier Spiele in Serie
Und sieh an: Nach der Demütigung von Brentford gewann United anschließend alle vier Ligaspiele und liegt nach dem 3:1-Heimsieg gegen den zuvor ungeschlagenen FC Arsenal am vergangenen Wochenende plötzlich nur noch drei Punkte hinter dem Tabellenführer.
Die Fans im Old Trafford träumen bereits wieder von der Meisterschaft. So schnell kann es im Fußball eben gehen. Ten Hag allerdings bleibt weiter bei sich, will von Titelambitionen überhaupt nichts wissen und wird nicht müde, einmal mehr von einem Prozess zu sprechen: "Ich verstehe die Fans, dass sie träumen und natürlich muss der Anspruch von Man United hoch sein, aber wir sind alle am Anfang eines Prozesses. Wir sind noch weit davon entfernt. Wir müssen die Dinge viel besser machen, als wir es jetzt tun."
Prozess schreitet voran
Klar ist nun aber: Der Prozess beim ten Hag-Team scheint voranzugehen. Das haben die Erfolge gegen Liverpool, Southampton, Leicester und Arsenal gezeigt. Die Mannschaft ließ zwar auch gegen die bislang herausragende Arsenal-Offensive Chancen zu, hatte allerdings deutlich mehr Kontrolle als noch zu Saisonbeginn.
Es wirkte, als würden ten Hags Schützlinge einen Plan umsetzen und sich nicht auf Einzelaktionen verlassen. "Die Routinen kommen immer mehr ins Spiel", sagte der 52-Jährige.
Alle drei Treffer gegen die Gunners fielen nicht etwa durch herausragende Schüsse oder Strafraumaktionen, sondern nach schnell vorgetragenen Angriffen mit Schnittstellenpässen durch Arsenals Abwehr. "Wir beginnen, uns besser zu verstehen", sagte Christian Eriksen nach dem Spiel.
Eriksen wird gefeiert
Apropos Eriksen: Der Däne ist einer der Gründe für den Aufschwung der Red Devils. Die Manchester Evening News feierte Eriksen gar als die mögliche "Verpflichtung des Jahres". Zwar verzeichnete der 30-Jährige bisher nur einen Assist, lenkt und führt nun aber das United-Spiel im zentralen Mittelfeld.
Dabei stellte ihn ten Hag zum Saisonauftakt bei der 1:2-Heimniederlage gegen Brighton & Hove Albion noch auf die "falsche" Neun. Ten Hag rechtfertigte das damals, da Eriksen das schon in der Ajax-Akademie gespielt hätte - im Nachhinein ein großer taktischer Fehler.
Nun kann Eriksen als Ballverteiler auf dem Feld agieren. Das macht er am liebsten. Vor ihm hat United mit Bruno Fernandes einen weiteren Spielmacher auf dem Platz. Bis jetzt harmonieren die beiden ausgezeichnet. Das One-Touch-Passspiel gegen Arsenal unterstrich das. Eriksen entlastet den Portugiesen zudem mit seiner Spielweise. Fernandes kann sich weiter vorne austoben.
Kein Platz für Ronaldo & Maguire
Ten Hag scheint seine erste Elf nun vorerst gefunden zu haben. In dieser haben seit der Niederlage gegen Brentford Cristiano Ronaldo und Kapitän Harry Maguire keinen Platz mehr. Ohne den Innenverteidiger steht Manchester jetzt deutlich stabiler. Raphael Varane und Lisandro Martinez ergänzen sich derzeit hervorragend.
Ajax-Neuzugang Martinez wurde zu Saisonbeginn aufgrund seiner für einen Innenverteidiger kleinen Körpergröße sogar noch als Meme in den sozialen Netzwerken verspottet. Wenig später wurde der Argentinier zum "Man Utd Player of the Month" gekürt. Das soll was heißen.
Und auch das Fehlen von Superstar Ronaldo, der in der vergangenen Saison mit 18 Toren immerhin Uniteds treffsicherster Angreifer in der Premier League war, aber derzeit noch mit Fitnessproblemen zu kämpfen hat, schadet der Mannschaft aktuell nicht. Im Gegenteil. Ten Hags aufwendiges Pressing funktioniert wesentlich besser, wenn alle Offensivspieler mitmachen. "Es kommt darauf an, dass er mitspielt und eine bestimmte Position einnimmt, sowohl im als auch außerhalb des Ballbesitzes", sagte ten Hag über den 37-Jährigen.
Ronaldos Ersatz, Marcus Rashford, scheint außerdem langsam aber sicher wieder zurück zu alter Stärke zu finden. Gegen Arsenal traf der englische Nationalspieler doppelt.
Eine positive Veränderung zeigte sich bei Ronaldo aber dennoch: Nach dem Ende der Transferdebatten hatte er wieder mehr Lust, am Spiel teilzunehmen, wirkte engagiert und jubelte auffällig euphorisch über den Treffer von Antony, als er die Arme in die Luft reckte und seinem neuen Teamkollegen applaudierte.
Antony mit gelungenem Einstand
Womit wir beim 22-jährigen Brasilianer wären, den sich United immerhin 100 Millionen Euro kosten ließ. Antony und ten Hag kennen sich aus vergangenen Tage bei Ajax Amsterdam. Der Flügelflitzer war der Wunschspieler des Trainers. Nur fünf Tage nach seiner Verpflichtung durfte Antony gegen Arsenal auch schon von Anfang an ran.
Das Vertrauen zahlte er prompt mit dem 1:0-Führungstreffer zurück. Offensiv sorgte der Rechtsfuß auf der linken Seite für viel Betrieb, auch defensiv arbeitete er mit. Symbolisch war eine Situation aus der ersten Halbzeit, in der Antony mit einem Tackling einen Einwurf für Manchester herausholte und sich danach feierte.
Fest steht: Die Handschrift ten Hags wird immer mehr deutlich. Der niederländische Hoffnungsträger scheint nach einem katastrophalen Saisonstart einen Weg gefunden zu haben, seiner Mannschaft seine Spielidee einzupflanzen. Und dennoch - und das weiß ten Hag am besten - ist noch ein langer Weg zu gehen. Mit Stars wie Ronaldo, Maguire oder auch Casemiro, der seit seinem Wechsel von Real Madrid bislang noch keine große Rolle spielt, auf der Bank, droht zudem stetig Explosionsgefahr.
Mehr zum Autor Fabian Schreiner
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