Torsten Frings wurde mit dem DFB-Team beim Sommermärchen 2006 WM-Dritter. Vor den wichtigen Länderspielen gegen Japan und Frankreich stellt sich der 46-Jährige im exklusiven Interview mit skysport.de nun vor Bundestrainer Hansi Flick und nimmt stattdessen die Spieler mehr in die Verantwortung. Zu Leon Goretzkas Nicht-Nominierung hat Frings eine spannende Theorie.
skysport.de: Wie ist Ihre Erwartungshaltung für die beiden Partien gegen Japan und Frankreich?
Torsten Frings: Ich bin extrem aufgeregt. Die letzten Spiele waren nicht gut. Es ist normal, dass jetzt Druck von außen aufgekommen ist. Japan hat uns bei der WM geschlagen, Frankreich ist eine der besten Mannschaften auf der Welt. Es kommt nun darauf an, dass man eine Mannschaft sieht, die bis in die Haarspitzen motiviert ist und an ihre Grenze geht.
skysport.de: Worauf kommt es für Bundestrainer Hansi Flick jetzt an, um den Schalter wirklich umzulegen und eine Euphorie im Land zu entfachen?
Frings: Hansi ist ein herausragender Trainer. Das hat er bei Bayern bewiesen. Hansi muss es jetzt schaffen, der Mannschaft klar und deutlich zu machen, dass nächstes Jahr eine Europameisterschaft im eigenen Land ansteht. Das Trainerteam muss eine Mannschaft zusammenstellen, die motiviert ist. Aber wenn man als Spieler nicht schon von selbst motiviert ist, wenn eine Heim-EM ansteht, dann kann man den Spielern selbst nicht mehr helfen. Ich finde, in aller erster Linie liegt es an der Mannschaft. Sie muss dafür sorgen, dass der Funke auf das Publikum übergeht. Mir geht es zu viel gegen Hansi Flick. Die Spieler kommen zu gut weg. Sie stehen auf dem Platz. Es ist ihre Pflicht, alles zu geben. Spieler wie Thomas Müller, Joshua Kimmich oder Ilkay Gündogan haben den Anspruch an sich selbst Leader zu sein. Die müssen das Heft des Handelns auch in die Hand nehmen. Am Ende ist aber jeder Spieler in der Verantwortung, seinen kleinen Teil beizutragen.
skysport.de: Die Nicht-Nominierung von Leon Goretzka sorgte für großes Aufsehen. Können Sie die Maßnahme von Flick nachvollziehen?
Frings: Goretzka hat in den letzten Spielen wieder einen Schritt nach vorne gemacht, er war gut drauf. Nach den Länderspielen im Juni wurden personelle Konsequenzen erwartet. Man musste da jetzt vielleicht auch an die Spieler ran, die ein gewisses Standing haben. Ansonsten verpufft so eine Maßnahme auch mal. In diesem Fall hat es jetzt Goretzka getroffen. Das ändert aber nichts daran, dass er ein sehr, sehr wichtiger Spieler ist. Es liegt an Goretzka selbst, ob er bei der EM wieder am Start sein wird. Er muss Zeichen setzen, dass er wieder unbedingt nominiert werden will. Goretzka ist jetzt herausgepickt worden. Es hätten sicherlich auch viele andere Spieler verdient gehabt, nicht nominiert zu werden.
Frings: "Haben keinen Weltklasse-Stürmer"
skysport.de: Sky Experte Didi Hamann hatte zuletzt gesagt, die Tage von Flick seien gezählt, sollte Deutschland erneut keine positiven Ergebnisse einfahren. Sind Sie ähnlicher Meinung?
Frings: Didi ist ein absoluter Experte. Es ist aber zu leicht, immer alles auf den Trainer zu schieben. Der Trainer trägt zwar die Hauptverantwortung, ist ein Stück weit auch immer die ärmste Sau. Ich glaube nicht, dass Flick seine Mannschaft schlecht vorbereitet. Wir haben gerade keine Weltklasse-Mannschaft, wie wir sie in den vorherigen Jahren hatten. Es fehlen viele Persönlichkeiten, wir haben keinen Weltklasse-Stürmer. Das sind alles Punkte, die man berücksichtigen muss. Hansi Flick ist ein Trainer, der auch jungen Spielern die Chance gibt. Das hatten wir in den letzten Jahren nicht so. Wenn man langfristig plant, ist Hansi Flick nach wie vor der richtige Mann. Wenn man kurzfristig denkt, wird man an Ergebnissen gemessen. Dass dann so eine Diskussion um den Trainer aufkommt, ist normal. Die Frage, die ich mir aber auch stelle, ist: Wer könnte Flicks Nachfolger sein? Er hat als Vereinstrainer alle Titel gewonnen, die man gewinnen kann. Es gibt nicht viele Trainer, die solch eine Vita haben und gerade frei sind. Hansi ist ein Menschenfänger und für mich nach wie vor der richtige Trainer für die Nationalmannschaft.
skysport.de: Ergibt es überhaupt Sinn, jetzt, weniger als ein Jahr vor der EM, noch den Trainer zu wechseln, wenn die zwei Spiele erfolglos ausgehen?
Frings: Was würde ein Trainerwechsel bringen? Ich glaube nicht, dass die Mannschaft mit dem Trainer ein Problem hat. Es wäre das verkehrte Zeichen, jetzt über einen Trainerwechsel nachzudenken.
skysport.de: Sie haben selbst eine turbulente Vorbereitung auf die Heim-WM 2006 als Spieler miterlebt. Sehen Sie da nun Parallelen?
Frings: Wir haben 2004 eine katastrophale Europameisterschaft gespielt. Rudi Völler hat danach aufgehört. Danach kam Jürgen Klinsmann, er hat eine neue Euphorie entfacht. Trotzdem war nicht alles perfekt. Nach dem 1:4 gegen Italien wurden wir zurecht zerrissen. In den letzten Spielen vor der WM 2006 haben wir zusammengefunden. Und mit dem Eröffnungsspiel gegen Costa Rica haben wir dann eine Euphorie entfacht. Warum soll das jetzt nicht auch gelingen?
Das Interview führte Fabian Schreiner.
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