Premier League: Kolumne von Florian Schmidt-Sommerfeld zu Tottenham Hotspur

Mein absurdes Tottenham-Gefühl

Von Florian Schmidt-Sommerfeld

Premier League, 11. Spieltag: Der FC Chelsea hat einen Sieg bei den Tottenham Hotspur eingefahren. Die Spurs mussten dabei zwei Platzverweise hinnehmen.

Sky Kommentator Florian Schmidt-Sommerfeld blickt in seiner Kolumne auf das Geschehen in der Premier League. In der neuen Ausgabe nimmt "Schmiso" die Spurs nach dem spektakulären 1:4 gegen den FC Chelsea genauer unter die Lupe.

Es klingt alles ziemlich absurd, wenn man das nackte Ergebnis von Tottenham gegen Chelsea sieht - 1:4!

Dieses Spiel macht mich aber noch sicherer, dass da in Tottenham was ganz Großes heranwächst. Eigentlich kaum zu glauben, wenn man nach einem 1:0 zu Hause in einem Spitzenspiel noch 1:4 baden geht. Aber dafür muss man die Geschichte dieses Spiels kennen…

Das war "a game for the ages" wie sie in England sagen, das glaube ich keiner so schnell - wenn überhaupt jemals - vergessen wird. Ein unfassbares Ding. Aus Tottenham muss man es wie folgt erzählen: Was muss bitte alles zusammenkommen, dass diese Mannschaft überhaupt das erste Mal in dieser Premier-League-Saison verliert?

Die Spurs verloren am Montagabend nach zwei Platzverweisen, vielen VAR-Entscheidungen und insgesamt 21 Minuten Nachspielzeit gegen den FC Chelsea 1:4.

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Das zeigt, was das für ein Irrsinn war

Sie führen früh 1:0, schießen dann durch Heung-min Son das 2:0. Das wird aber wegen Abseits genommen. Dann regnet es eine Rote Karte nach einer halben Stunde und kurz vor der Pause gehen zwei Leute verletzt raus - ganz bitter! Micky van de Ven ist ihr Top-Transfer in der Innenverteidigung, da haben sie echt einen super Mann bekommen, der sich schon in Wolfsburg raketenmäßig entwickelt hat. Dies setzt er in Tottenham einfach so fort.

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Zugleich James Maddison - der neue Zehner - der super eingeschlagen und ein super belebendes Element ist. Da muss man natürlich hoffen, dass die beiden nicht lange ausfallen. Da bekommt Tottenham diesen doppelten Nackenschlag in der 45. Minute und dann gibt es zwölf Minuten Nachspielzeit on top, insgesamt 20 Minuten in diesem Spiel. Das zeigt, was das für ein Irrsinn war.

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Die Spurs halten sich daraufhin recht schadlos in der zweiten Halbzeit - zumindest zehn Minuten, ehe Destiny Udogie vom Platz geflogen ist. Zurecht mit Gelb-Rot. Da darf er in dieser Szene natürlich nie so hingehen. Aber selbst das bekommen die Spurs noch verpackt und überleben eine riesige Chance.

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Das 1:4 wird dem Spiel nicht gerecht

Auch nach dem Gegentor kommt die "Neun" von Ange Postecoglou fast noch zurück: Wäre Eric Dier nicht zehn Zentimeter im Abseits gestanden, wäre der Spielstand auf einmal mit zwei Mann weniger auf 2:2 gestellt worden. Dazu gab es Chancen von Rodrigo Bentancur und Son.

Am Ende geht es südwärts. Das passiert dann halt, wenngleich 1:4 dem Spiel nicht gerecht wird.

Was die Spurs aber an Wehrhaftigkeit unter den schlimmsten Umständen gezeigt haben? Beeindruckend. Zweimal Rot, zwei verletzte Schlüsselspieler. Wie viel willst du wegstecken? Tottenham sagt einfach "Ja". Es ist unglaublich, wie sie sich haben nicht gehen lassen. Ich habe noch nie gesehen, wie eine Mannschaft zu acht plus Torwart so etwas wie eine Kompaktheit herstellt. Erst 4-4-0, dann in einem 4-3-1: Die Spurs haben das so gespielt, als könnten sie das.

Natürlich ist Tottenham mit den Bällen hinter die Kette immer wieder in Schwierigkeiten gekommen - aber wie sie das insgesamt verteidigt haben, war einfach sensationell.

Mit Tottenham ist sowas von zu rechnen

Ich war neulich in London. Da war mein Taxi-Fahrer zufällig glühender Tottenham-Fan. Er sagte, dass ihn der Lauf an die Champions-League-Saison 2019 erinnern würde, in der die Spurs ins Finale eingezogen sind. Da war Harry Kane verletzt, jetzt ist der große Über-Star weg und alle spielen einfach viel besser.

Das ist das Geheimnis bei Tottenham.

Man hat das auch gegen Chelsea wieder unglaublich gesehen, wie die Spieler ihrem Trainer bei schwierigsten Umständen vertrauen. Sie finden Lösungen und sind bereit, füreinander zu rennen. Ich bin gespannt, wie jetzt die Reaktion auf diese Leistung im nächsten Spiel ausfällt. Romero und Udogie müssen erstmal ersetzt werden, hoffentlich die beiden Verletzten nicht so lange - aber mit Tottenham ist sowas von zu rechnen.

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Das Problem ist...

Vor der Saison haben sie ziemlich viele ins Mittelfeld getippt - ich hatte sie ehrlich gesagt auch nur für einen Europa- oder Conference-League-Platz auf dem Zettel. Jetzt - trotz des 1:4, nein, gerade deswegen, weil sie sich so gewehrt haben, tippe ich sie in die Champions League. Es macht unfassbar Spaß, dieser Einheit beim Fußballzelebrieren, aber dann auch beim Fußballarbeiten zuzuschauen.

Premier League Tabelle

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Das ist immer das, was mich an einer Mannschaft beeindruckt, wenn sie mehrere Wege hat, ein Spiel in ihre Richtung prägen. Das hat Tottenham absolut drauf. Die einzige Downside ist, dass sie die Tabellenführung ausgerechnet an Manchester City abgegeben hat. Sie wollen unbedingt mal wieder einen Titel, einen ganz großen, am besten den Meistertitel. Das Problem: Wenn du City einmal an die Spitze lässt, geben sie diese in der Regel nicht mehr ab.

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