Sky Kommentator Florian Schmidt-Sommerfeld blickt in seiner Kolumne auf das Geschehen in der Premier League. In der neuen Ausgabe analysiert "Schmiso" die Problemzonen des FC Liverpool nach dem Remis im Topspiel gegen den FC Arsenal.
Liverpools Comeback nach Seuchenjahr ist deftig, kräftig und wuchtiger als erwartet. Im Gegensatz zum Vorjahr völlig stabil auf Champions-League-Kurs - und sogar alle Chancen auf die Meisterschaft. Das war nicht zu erwarten. Und doch hat Jürgen Klopps Mannschaft ein, zwei Probleme. Im wahrsten Sinne des Wortes.
Problem eins: Die ewigen Rückstände. Gegen Arsenal lagen die Reds schon zum sage und schreibe neunten Mal 0:1 hinten. Also in exakt jedem zweiten Spiel! Diese ewigen Aufholjagden kosten Kraft und Nerven. Dass Liverpool in all den Spielen trotzdem nur einmal (Tottenham) geschlagen wurde - zeigt die unglaubliche Widerstandsfähigkeit der neu zusammengebauten Truppe. Im Meisterjahr 2020 aber hat Liverpool Spiele reihenweise von vorne gespielt, diktiert und sich so schon zu Weihnachten uneinholbar abgesetzt.
Gegenpressing Allein Zuhaus
Problem Nummer zwei greift noch tiefer: Das Gegenpressing, laut Klopp ja sein "bester Spielermacher", ist jetzt schon absolutem Toplevel und trotzdem nutzt Liverpool seine eigenen Vorlagen nicht. Gegen Manchester United waren es aus den unzähligen Ballgewinnen durch maximale Intensität noch 34 Torschüsse. So viele wie kein Premier-League-Klub in den letzten fünf Jahren in einem Spiel (340 Spiele!). Allerdings mit deutlich zu niedriger Qualität (0,07 xG pro Torschuss). Gewinnen müssen hätte Liverpool das Spiel dennoch locker. Klopp haderte mit den schlechten Entscheidungen im letzten Drittel.
Gegen Arsenal verschärfte sich dieser Trend sogar noch. Besonders in der Anfangsphase der zweiten Hälfte hatte Liverpool massig Ballgewinne nah am gegnerischen Strafraum. Gegen ein so ballsicheres Team wie den Vizemeister eigentlich eine Rarität. Ertrag? Gen Null. Diesmal entstanden nichtmal Abschlüsse wie gegen United - sondern schlicht gar nichts. Genau das hat Jürgen Klopp nach dem Spiel bei uns am Mikrofon klar benannt und war der Körpersprache nach sichtlich angefressen. Schon wieder einen Big-Six-Rivalen dominiert - aber nicht geschlagen.
Das einzige Tor entstand aus einem perfekten Ball im Aufbau von Trent Alexander Arnold und der Weltklasse von Mo Salah. Die beste Chance auf den Siegtreffer war ein Weltklasse-Konter über 80 Meter - den TAA an der Latte zerschellen ließ. Hätte Liverpool gegen United oder Arsenal gewonnen, wären sie nun Weihnachts-Meister - und der war in zehn von 14 Jahren zuletzt auch Englischer Meister. Hier sei der Vollständigkeit halber angemerkt: wären die Schiedsrichter bei den Handspielen von Luke Shaw und Martin Ödegaard auf der Höhe gewesen, hätte Salah mit seiner Verlässlichkeit vom Punkt wohl jeweils den entscheidenden Treffer erzielt.
Aber zurück zum Thema: Das Gegenpressing erinnert in seiner Intensität frappierend und ebenso beeindruckend an die monatelange Sause auf dem Platz Richtung Meisterschaft 2020. Der Unterschied: damals entstanden aus dem für jeden Gegner luftabschneidenden Horror von Gegenpressing reihenweise Tore und die Spiele waren oft schon zur Halbzeit durch. Der Rest war teils Schaulaufen von einem Team auf einer Mission. Das Gegenpressing der Meistermannschaft ist zurück. Was fehlt, ist ihre Fähigkeit daraus Chancen zu kreieren und diese zu nutzen. Kehrt dieses Gegenstück zurück, ist Liverpool schon 2024 wieder reif für den Titel.
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