Jahrelang stand der FC Basel für Titel, Triumphe und Erfolge. Der ehemalige Serienmeister war das Aushängeschild schlechthin des Schweizer Fußballs. Nun strauchelt Rot-Blau gewaltig, der FCB ist in eine kritische sportliche und finanzielle Lage gerutscht. Wie konnte es so weit kommen?
Verkehrte Welt im St. Jakob-Park: Nach einer 0:3-Blamage gegen Aufsteiger Stade-Lausanne Anfang des Monats hat der FC Basel einen neuen sportlichen Tiefpunkt erreicht. Fünf Punkte aus acht Partien, Tabellenletzter.
Torwart und Ex-Bundesliga-Gesicht Marwin Hitz versuchte nach Abpfiff zu schlichten und begab sich in Richtung "Muttenzerkurve", dem Stammbereich der Basler Fanszene. Doch die wutschäumenden Anhängern hatten an diesem Sonntag wenig bis gar kein Verständnis. Denn spätestens jetzt war allen klar: Ihr Klub ist vollends abgestürzt.
Angesprochen auf die erregten Wortgefechte zwischen Keeper Hitz und den Fans erklärte Basels Präsident David Degen: "Es war schon vorher eine sehr angespannte Situation. Das wurde während des Spiels immer schlimmer. So habe ich die Muttenzerkurve noch nie erlebt. Das ging mir sehr nahe. Und das darf nie mehr passieren. Bei den Grundtugenden darf man keine Kompromisse machen. Deshalb verstehe ich jeden frustrierten Fan."
Rot-Blau liegt am Boden
Nur wenige Tage vor der Heimpleite wurde Ex-St.-Pauli-Coach Timo Schultz aufgrund des desaströsen Saisonstarts von seinen Pflichten als FCB-Trainer entlassen. Der 46-Jährige hatte das Amt erst zu Saisonbeginn angetreten. In der Conference-League-Qualifikation, jenem Turnier, in dem man in der vergangenen Saison nur um ein Haar das Finale verpasst hat, scheiterten die Schweizer mit Schultz bereits in der zweiten Runde enttäuschend am kasachischen Vertreter Tobol Kostanay.
"Der FCB befindet sich in einer sportlichen Krise, in der es dem Trainer nicht gelang, den absoluten Siegeswillen auf die Mannschaft zu übertragen. Aufgrund dieses Umstands fehlten dem Verwaltungsrat und der sportlichen Leitung letztlich die Zuversicht und der Glaube, dass die beunruhigende Tabellenlage in der aktuellen Konstellation verbessert und der Turnaround geschafft werden kann", begründete der Verein die Entscheidung in einem Statement.
Auf Schultz folgend wurde nun zunächst Sportdirektor Heiko Vogel - zum Ende der vergangenen Saison bereits notdürftig als Coach eingesprungen - interimsweise mit der Leitung der Mannschaft beauftragt. Nach der erwähnten 0:3-Pleite gegen Stade-Lausanne hagelte es im zweiten Spiel unter ihm weitere drei Gegentreffer und eine deutliche Niederlage gegen die Young Boys aus Bern. Basel liegt am Boden, die Stimmung auf und neben dem Platz ist explosiv, irgendwo zwischen Frust, Verzweiflung und Hilflosigkeit suchen sich die Verantwortlichen nach Lösungen.
Serienmeister & Erfolg gegen Bayern
Dabei waren die "Bebbi" in den 2010er-Jahren DAS Aushängeschild des Schweizer Fußballs. Von 2008 bis 2017 krönte sich Basel mit Ausnahme von einer einzigen Saison jedes Jahr zum Meister, fünf Pokaltriumphe fuhr man zwischen 2008 und 2019 ein. Der FCB war Stammgast in der Champions League und machte auf internationalem Parkett mit später prominenten Namen wie Xherdan Shaqiri, Granit Xhaka, Mohamed Salah oder Aleksandar Dragovic auf sich aufmerksam.
Trotz der ständigen Abgänge von hochfliegenden Stammspielern formte Rot-Blau jedes Jahr aufs Neue eine bestechende Truppe, die nicht nur jahrelang die Schweizer Super League dominierte, sondern auch beachtliche Erfolge im Europacup feiern konnte (Halbfinale 2013, Viertelfinale 2014 & 2020).
In der Königsklasse schlug der FCB den deutschen FCB 2012 im Hinspiel des Achtelfinals mit 1:0, 2018 feierte man im CL-Achtelfinal-Rückspiel einen 2:1-Erfolg gegen Manchester City. Kurzum: Noch vor wenigen Jahren war Basel so erfolgreich wie nie in der Vereinsgeschichte, die nationalen Titel schienen auf Jahre garantiert und die finanzielle Zukunft aufgrund beeindruckender Transferpolitik und Erfolgsprämien mehr als rosig. Doch es sollte anders kommen.
Sportliche & finanzielle Schieflage
"Das Jahr 2023 wird finanziell das schwierigste in der Geschichte des FCB", erklärte Präsident Degen resigniert im Mai. Bereits im Frühling dieses Jahres musste um die Liquidität der Basler gekämpft werden. Von einem auf den anderen Tag scheint der Klub sein gesamtes Fundament verloren zu haben. Doch mit dem Verein ging es nicht plötzlich nieder. Wie so oft ist die Gesamtentwicklung für den Absturz eines Fußballklubs verantwortlich, deren Warnzeichen auch in Basel schon an früherer Stelle hätten erkannt werden müssen.
Beispielsweise im Jahr 2017, als Rot-Blau seine zwei wichtigsten Säulen verloren gingen: Der geschätzte Präsident Bernhard Heusler sowie Erfolgssportdirektor Georg Heitz verließen nach elf beziehungsweise neun Jahren freiwillig den Verein - ein Super-GAU für Basel. Vom jahrelangen Erfolg berauscht, von phänomenalen Transfer-Gewinnen geblendet, erhielt auf Führungsebene bei der Nachbesetzung um Bernhard Burgener als neuen Präsidenten und Marco Streller als Sportdirektor fortan Leichtsinn und Größenwahn Einzug ins Tagesgeschäft.
Es wurde in anderen Dimensionen gedacht, Personalkosten gingen durch die Decke. Allein: Plötzlich spielte der sportliche Erfolg nicht mehr mit. Nun waren es die BSC Young Boys, die die Schweizer Super League dominierten und seither fünf von sechs möglichen Meistertiteln holten.
Degen: "Klub als Blackbox übernommen"
Die Negativ-Entwicklung nahm ihren Lauf. Bei Burgener und Streller kam es in den Jahren darauf zu Zerwürfnissen (Letzterer verließ Basel 2019). Machtkämpfe auf Führungsebene und fragwürdige Protestaktionen der Fans taten ihr Übriges. Burgener verkündete 2021 letztlich seinen unvermeidbar gewordenen Rücktritt.
Degen folgte und der heutige Präsident lieferte erst jüngst Einblicke in die turbulente Übernahme der taumelnden "Bebbi": "Wir haben den Klub vor zweieinhalb Jahren quasi als Blackbox übernommen. Es hat damals überall rausgeblutet, und diese Blutung, den Abfluss des Cash Flow, mussten wir stoppen. Das strukturelle Defizit haben wir von rund 35 Millionen runtergebracht. Unsere Strategie ist zu hundert Prozent aufgegangen. Wir haben in zwei Jahren 90 Millionen Transfererlös generiert. Damit sind wir aber noch nicht am Ziel."
Selbstreflektiert fügte der 40-Jährige hinzu: "Wir haben einiges falsch gemacht und zu hohe Erwartungen geschürt. Wir haben auch, was das Personal angeht, zwei, drei Fehlentscheidungen getroffen. Wir sind nicht perfekt, wir machen auch Fehler. Wir hätten vor zweieinhalb Jahren viel demütiger auftreten müssen, damit die Leute begreifen, dass wir den Klub zuerst nachhaltig finanziell auf stabile Beine stellen müssen, um daraus wieder wachsen zu können."
Remis gegen Freiburg macht Hoffnung
Degens Sparkurs machte auch in sportlicher Hinsicht keinen Halt und so floss aus den in diesem Transferfenster rund 43 Millionen eingenommenen Euro nur ein Bruchteil in neue Spieler und echte Verstärkungen. Das Resultat: Der vielleicht verkorksteste Saisonstart der Klubgeschichte. Immerhin konnte der FCB mit Interimscoach Vogel an der Seitenlinie dem SC Freiburg in einem Testspiel am Donnerstag ein Remis abringen.
Ein Zeichen dafür, dass es mit dem FC Basel unter Vogel und Degen wieder bergauf geht? Es wäre dem tief gefallenen einstigen Aushängeschild des Schweißer Fußballs zu wünschen.
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