SV Werder Bremen News: Der Nordklub stellt sich neu auf
Bremens neuer Weg als Ausbildungsverein: Jung, hungrig, sucht ...
Von Florian Poenitz
Quo vadis, Werder Bremen? Nach dem Beinahe-Abstieg aus der Bundesliga will sich der Nordklub neu aufstellen - und muss es gleichermaßen auch. Sky Sport beleuchtet den neuen Werderaner Weg.
Bremens Klub-Bosse haben in diesem Sommer an einigen Baustellen zu feilen. Nach der Horror-Saison im Vorjahr sollen nun die Weichen für eine bessere Zukunft gestellt werden. Aufgrund der angespannten finanziellen Lage ist viel Kreativität und ein Umdenken in der Kaderplanung gefragt.
Die Coronavirus-Pandemie hat jeden Klub vor neue und zugleich ungeahnte Herausforderungen gestellt. Doch die Grün-Weißen trifft es besonders hart. Es ist kein Geheimnis, dass Werder schon vor der Coronakrise finanziell in Schieflage geraten war. Diese Probleme hatten sich im Frühjahr mit dem vorläufigen Liga-Abbruch verschärft.
Der viermalige Deutsche Meister musste in der Folge sogar staatliche Hilfe in Form von zwei Krediten beantragen, um überhaupt noch handlungsfähig zu bleiben.
Hinzu kommt die sportliche Talfahrt, die sich in der Rückrunde zugespitzt hatte. In der Relegation konnte sich der Nordklub gerade noch so vor dem Abstieg in die Zweitklassigkeit retten. Das Worst-Case-Szenario wurde abgewendet, Werder ist noch einmal mit einem blauen Auge davon gekommen.
Claudio Pizarro: Mit diesen Stars hat er zusammengespielt
Nun gilt es, die richtigen Schlüsse aus dieser Saison zu ziehen und den Kader neu aufzustellen. Einige Entscheidungen wurden bereits getroffen. Altgediente Spieler, wie Claudio Pizarro, Fin Bartels, Nuri Sahin, Sebastian Langkamp oder auch Philipp Bargfrede werden in der kommenden Spielzeit nicht mehr das Werder-Trikot tragen.
Im Gegenzug kommen einige verheißungsvolle Talente nach Bremen, wie etwa Johan Mina (18), Felix Agu (20), Jean-Manuel Mbom (20), Romano Schmid (20) oder Oscar Schönfelder (19). Zudem wurde mit Patrick Erras (25) ein noch entwicklungsfähiger Sechser vom 1. FC Nürnberg ablösefrei verpflichtet, der dort aber bereits absoluter Leistungsträger war.
Hinter dieser neuen Ausrichtung steckt vor allem die finanzielle Not, sich keine Top-Transfers und -Gehälter mehr leisten zu können. Frank Baumann, Geschäftsführer Sport, ist quasi dazu gezwungen, auf junge und zugleich entwicklungsfähige Talente zu setzen. Auf der anderen Seite sollen gezielt Spieler geholt werden, die mit ihrer Schnelligkeit in das System von Trainer Florian Kohfeldt passen.
Dies war eine Erkenntnis aus der Analyse der vergangenen Spielzeit. Die Mannschaft war schlichtweg zu langsam. Auch deswegen haben sich die Verantwortlichen beispielsweise von Bargfrede getrennt.
Zusätzlich belastend stellte sich die Vertragssituation von Ömer Toprak und Leonardo Bittencourt dar. Aufgrund des Nicht-Abstiegs mussten die Bosse der ausgehandelten Kaufpflicht nachkommen. Zuvor war das Duo lediglich ausgeliehen. Und dann gibt es noch die Causa Davie Selke.
So geht es in der Bundesliga mit den Dauerkarten weiter
Sollte Werder auch in der kommenden Saison die Klasse halten, tritt auch hier die Kaufverpflichtung für den Angreifer mit einem Gesamtvolumen von 15 Millionen Euro in Kraft. Eine Summe, die für Werder in diesen Zeiten nicht stemmbar ist, selbst wenn man diese in zwei Raten abstottern könnte.
Deswegen wird intern darüber nachgedacht, den Vertrag juristisch anzufechten, da zum Zeitpunkt des Vertragsabschluss diverse Gelder wie Zuschauereinnahmen eingeplant waren, die aufgrund Corona bislang komplett wegfielen.
Was passiert mit Rashica?
Um überhaupt noch in diesem Sommer irgendwelche größeren Transfers tätigen zu können, muss Milot Rashica verkauft werden. Diese Personalie ist bei Werder derzeit das Zünglein an der Waage. Der 24 Jahre alte Stürmer strebt einen Wechsel zu RB Leipzig an, es konnte allerdings noch keine Einigung zwischen beiden Klubs erzielt werden.
Frank Baumann erklärt, dass Max Kruse nicht zu Werder Bremen wechseln wird und spricht zudem über die Gespräche mit dem Ex-Werderaner (Video-Länge: 2:15 Minuten).
Diese Rolle hätte Max Kruse in der kommenden Saison einnehmen können, doch der 32-Jährige erteilte Werder eine Absage, wie Baumann am Mittwoch bekannt gab. Kruse spielte bereits von 2016 bis 2019 bei den Grün-Weißen, bevor es ihn zu Fenerbahce Istanbul zog.
Aufgrund nicht bezahlter Gehälter kündigte der ehemalige deutsche Nationalspieler zu Beginn des Jahres seinen Vertrag beim türkischen Top-Klub. Nach eigenen Aussagen will Kruse zurück in die Bundesliga. Jetzt ist jedenfalls klar, dass seine neue Adresse nicht Werder Bremen heißen wird. Die Deichstube meldet, dass sich der Ex-Nationalspieler Union Berlin anschließen wird
United-Talent im Visier von Werder
Jedoch soll es auch bei Werder intern immer mehr Skeptiker gegeben haben, weshalb der Klub schließlich von einer Verpflichtung Abstand nahm. Man kann also sagen, dass Kruse Baumann & Co. mit seiner Absage zuvorgekommen ist. Stattdessen soll ein Top-Talent per Leihe an die Weser gelotst werden.
Die Rede ist von Tahith Chong. Der 20 Jahre alte niederländische U21-Nationalspieler von Manchester United könnte in der kommenden Saison die Bremer Offensive verstärken. "Er hat großes Tempo, er kommt über die Außenbahn - vom Profil her passt er", sagte Baumann dem Weser-Kurier.
Anhand dieser Personalie wird der zweite Part der neuen Strategie deutlich. In Zukunft sollen zum Einen junge Spieler - wie oben beschrieben - entwickelt und an die erste Mannschaft herangeführt werden, um diese nach ein paar Jahren im besten Fall gewinnbringend zu verkaufen. Quasi wie ein klassischer Ausbildungsverein.
Zum Anderen rückt das Modell, Spieler auszuleihen, weiter in den Vordergrund. Dadurch soll das Bezahlen von hohen Ablösesummen vermieden werden. Zudem erhalten hochkarätige Talente bei Werder die Chance, sich auf der großen Bühne Bundesliga zu beweisen. Eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten.
Ob dieses Konzept aufgehen wird, kann aktuell nicht seriös beantwortet werden. Es ist jedoch nicht von der Hand zu weisen, dass diese Philosophie aufgrund der angespannten finanziellen Lage alternativlos ist.