Mit Emiliano Martinez hat Argentinien endlich wieder einen starken Torhüter. Den 30-Jährigen hatten bis vor wenigen Jahren aber nur die wenigsten auf dem Zettel, aber nach einer wahren Odyssee steht Martinez vor der Krönung Höhepunkt seiner Karriere. Ein Porträt.
"Ich hatte eine tolle Kindheit. Ich war immer mit meinem älteren Bruder auf der Straße und wir haben Fußball gespielt. Er war Stürmer, ich stand im Tor. Ich war schon damals sehr ehrgeizig, wollte immer gewinnen und liebte es, zwischen den Pfosten zu stehen", erinnert sich Martinez gerne zurück an seine fußballerischen Anfänge.
2010 wagt er mit 16 Jahren dann den großen Schritt von Independiente aus Argentinien nach Europa und wechselt ins Nachwuchsteam des FC Arsenal. Es war die nach eigener Aussage härteste Entscheidung seines Lebens: "Meine Mama und mein Bruder weinten und sagten, ich solle nicht gehen. Aber ich habe auch meinen Papa spätabends schon weinend gesehen, weil et die Rechnungen nicht bezahlen konnte, also musste ich mutig sein", erinnert sich der Hüne und hofft bei den Gunners auf die große Karriere.
Bei Arsenal läuft es lange nicht
Doch in London läuft es nicht so gewünscht. Martinez hat Probleme mit der Sprache und der schnelleren Spielweise, wie er heute zugibt. Die Konsequenz? Er wird verliehen, feiert im Alter von 19 Jahren aber immerhin sein Profidebüt beim Viertligisten Oxford United. Im September 2012 folgt sein Arsenal-Debüt in der dritten Runde des Ligapokals gegen Coventry City. Die Gunners siegen klar mit 6:1.
Gut einen Monat später das erste richtige Karriere-Highlight: Beim FC Reading liegen die Gunners im Achtelfinale des Ligapokals nach 37 Minuten bereits mit 0:4 in Rückstand, doch die Londoner drehen das Spiel noch und siegen mit 7:5 nach Verlängerung. Es ist ein Spiel für die Geschichtsbücher, aber Martinez bekommt keine weitere Bewährungschance und wird schließlich im Oktober 2013 an Drittligist Sheffield Wednesday verliehen.
Nach seiner Rückkehr ist er die klare Nummer drei hinter Wojciech Szczesny und David Ospina. Aufgrund einer hartnäckigen Hüftverletzung des Kolumbianers Ospina rückt Martinez auf und darf als Backup immerhin auf der Bank sitzen. Als sich auch noch der Pole Szczesny im Spiel bei Manchester United im November 2014 verletzt, kommt Martinez endlich zum langersehnten Debüt in der Premier League.
Debüt in Premier Leauge und Champions League folgt die Leihe
Die 1:2-Niederlage im Old Trafford kann er zwar nicht verhindern, doch seine besten nächsten Startelfeinsätze gewinnt er zu Null. Auch in der Champions League darf er erstmals Luft schnuppern und steht unter anderem bei einem 2:0-Sieg Arsenals gegen Borussia Dortmund im Tor. Insgesamt stand er in der Saison 2014/15 in vier Premier-League-Spielen und zwei Partien der Königsklasse für Arsenal im Tor
Als Ospina und Szczesny aber wieder fit sind, rückt Martinez jedoch wieder ins dritte Glied und beendet die Spielzeit leihweise in der Championship bei Rotherham United. Auch danach kann er sich nicht durchsetzen und wird immer wieder verliehen. Die Odyssee führt ihn erst zu den Wolverhampton Wanderers, dann nach Spanien zum FC Getafe und schließlich zum FC Reading.
Nur 15 Partien in zehn Jahren für Gunners
In zehn Jahren für die Gunners kommt er gerade einmal auf 15 Pflichtspiele, als er im Jahr 2020 immerhin die Nummer zwei bei den Nord-Londonern wird und zumindest die Pokalspiele bestreiten darf. Als sich Stammtorhüter Bernd Leno im Juni bei Duell bei Brighton & Hove Albion schwer verletzt und für den Rest der Saison ausfällt, ist Martinez auch in der Liga gesetzt und betreibt mächtig Eigenwerbung.
Der mittlerweile 27-Jährige zeigt teils überragende Leistungen und ist ein Garant für den Triumph der Gunners im FA Cup. Nach Saisonende wechselt er dann für beachtliche 18 Millionen Euro zu Aston Villa und ist bei den Villans sofort die unumstrittene Nummer eins zwischen den Pfosten. Gleich in seiner ersten Saison in Birmingham spielt er 15 Mal zu Null und etabliert sich als einer der besten Schlussmänner Englands. Die Leistungen werden auch in seiner Heimat registriert und im Juni 2021 feiert er sein Länderspieldebüt im WM-Qualifikationsspiel gegen Chile.
Copa America macht ihn in Argentinien zum Idol
Bei der Copa America 2021 wird er schließlich zum Idol in Argentinien. Im Halbfinale gegen Kolumbien pariert er drei Elfmeter und hält anschließend im Endspiel gegen die Selecao in Brasilien den Kasten sauber. Die Albiceleste holt den ersten Titel seit 28 Jahren.
Nun kann er in Katar noch eins draufsetzen und auch noch Weltmeister werden. Mit seinen zwei gehaltenen Elfmetern im Viertelfinale gegen die Niederlande und seinen drei weißen Westen gegen Mexiko, Polen und im Halbfinale gegen Kroatien hat Martinez durchaus seinen Anteil am Finaleinzug. Sky Experte Didi Hamann schlägt in seiner Kolumne sogar vor, dass der FC Bayern sich mit Argentiniens Nummer eins beschäftigen sollte.
Am nötigen Selbstvertrauen dafür mangelt es ihm nicht: "Ich war ganz unten, jetzt bin ich ganz oben und ich habe das Gefühl, dass ich der beste Torhüter der Welt sein kann", gibt er die Richtung vor.
Sollte der 30-Jährige den Worten im Endspiel auch Taten folgen lassen und gegen Frankreich keinen Gegentreffer zulassen, wäre er nach einer langen Odyssee endgültig am Ziel und gleichzeitig auch Nationalheld...