Aufgewachsen in den Wirren der Balkankonflikte, gestählt in Bosniens Liga und heute ein "Königlicher": Luka Modric begann am Abgrund - am Sonntag hat er das Zeug, Kroatien im Alleingang zum WM-Titel zu führen.
Luka Modric ist mit einer Körpergröße von 172 Zentimetern alles andere als ein Riese und doch der größte Spieler seines Landes. Das sagt nicht irgendwer: "Luka ist der Beste in der Geschichte des kroatischen Fußballs", sagt Robert Prosinecki, früher ein Star im Mittelfeld von Roter Stern Belgrad, Real Madrid und dem FC Barcelona. Das Turnier in Russland könnte Modrics Meisterstück werden und seinem Namen endgültig Weltruf verleihen.
Luka Modric, El pony
In Madrid stand er oft im Schatten von Ronaldo. Doch er ist es, der mit wehenden Haaren durchs Mittelfeld galoppiert und damit die Lücken reist, die Real drei Champions-League-Titel in Folge gewinnen ließ. Sein Spitzname: el pony.
Aufgewachsen in Zadar, erlebte er den Bürgerkrieg über Jahre vor der eigenen Haustür mit. Sein Großvater wurde von serbischen Freischärlern ermordet, das Elternhaus niedergebrannt. In einem schäbigen Hotel fand die Familie Zuflucht, der kleine Luka, nicht einmal zehn Jahre alt, verdrängte das Grauen im Hinterhof mit einem Ball am Fuß.
Modric vor Gericht
Das Durchsetzungsvermögen und die Furchtlosigkeit lernte Modric als Teenager, ausgeliehen von Dinamo Zagreb an Zrinjski Mostar im Stahlbad der bosnischen Liga. Er arbeitete sich über Inter Zapresic zurück nach Zagreb und dann 2008 nach London zu Tottenham Hotspur - ein Wechsel, der Modric heute wieder eingeholt hat. Im Prozess gegen den kroatischen Fußballpaten Zdravko Mamic soll Modric falsche Aussagen gemacht haben.
Ob ihm wirklich eine Haftstrafe wegen Meineids droht, weil er die Wahrheit verschleierte, wer was von den 21 Millionen Euro Ablöse abgezwackt hatte, darüber gibt es in Kroatien unterschiedliche Berichte. Fest steht: Durch seine seltsamen Auftritte vor Gericht hat Modric in seiner Heimat viele Sympathien verspielt. An der Fassade des Hotels seiner Kindheit stand geschmiert: "Luka, an diesen Tag wirst Du Dich noch erinnern".
In Kroatien umstritten, vom Team vergöttert
Der kroatische Journalist Bernard Jurisic erklärt: "Modrics Anerkennung hat sich durch den Mamic-Fall verändert. Die Verhandlungen werden in Kroatien genaustens beobachtet und die Tatsache, dass Modric involviert ist, schadet seinem Ruf", so Jurisic gegenüber Sky UK. "Die Öffentlichkeit ist zwiegespalten. Die einen nehmen Modric in Schutz, da man nicht von ihm erwartet, sich mit dem Gesetz auszukennen. Die anderen denken jedoch, dass er mindestens genauso schuldig wie Mamic ist."
"Bester Spieler Kroatiens aller Zeiten"
Als das Thema Russland erreichte, reagierte Modric zornig und ließ fortan nur noch seine Kunst für sich sprechen. Das jedoch derart außergewöhnlich, dass sich die Schlagzeilen in der Heimat wieder änderten. "Wir werden Weltmeister", schrieb die Tageszeitung Slobodna Dalmacija vor dem Halbfinale gegen England.
Die Mannschaft vergöttert ihn: "Luka ist nicht nur unser bester Spieler und Kapitän, er ist für mich auch der beste Spieler Kroatiens aller Zeiten", sagt Barca-Star Ivan Rakitic. Irgendetwas muss an dieser Einschätzung dran sein. Ob mit oder ohne WM-Titel: Luka Modric hat längst kroatische Fußballgeschichte geschrieben. (sid/Sky Sport)