Die Kolumne von Sky Experte Stefan Kretzschmar zur EHF EURO 2020

Kretzschmar: Wir haben emotional Reaktion und Herz gezeigt

Von Stefan Kretzschmar

Image: Stefan Kretzschmar analysiert in seiner Kolumne die spannendsten Themen aus der Welt des Handballs.

Stefan Kretzschmar analysiert in seiner Kolumne regelmäßig die wichtigsten Themen aus der Welt des Handballs. Nach der EM zieht "Kretzsche" ein Fazit zur Leistung der Deutschen. Zudem spricht er über die positiven Eindrücke und nennt die Gewinner und Verlierer der EHF EURO 2020.

Mit dem Sieg gegen Portugal und Platz 5 hat sich das DHB-Team erfolgreich aus der Europameisterschaft verabschiedet. Das ist ein gutes Ergebnis und ich bin weit entfernt, von einer Enttäuschung zu sprechen. Wichtig ist: Der Nackenschlag, dass Halbfinale nicht erreicht zu haben, ist in den weiteren Spielen super weggesteckt worden. Das ist nicht selbstverständlich, nach so einer bitteren Niederlage ist man sehr niedergeschlagen.

Der gute Gesamteindruck bleibt

Ich war auch schon in solchen Situationen, wo man mit nur einem Tor aus dem Turnier rausgeflogen ist. Da wird man auf einmal vom Hero zum Loser aufgrund 1-2 unnötiger Aktionen. Man war haarscharf dran, aber das Herz und der Wille der Kroaten, vor allem von ihrem Anführer Domagoj Duvnjak und in der Schlussphase durch die Tore von Igor Karacic, haben uns den Sieg gekostet. Wir selber haben dann nur drei Tore in den letzten 15 Minuten erzielt, davon zwei Siebenmeter. Das ist einfach zu wenig. Im Handball macht man Fehler und wer weniger Fehler macht, gewinnt das Spiel.

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Und dann so eine Antwort wie gegen Österreich in Wien zu zeigen, zeugt vom Charakter dieser Mannschaft - der hat absolut gestimmt. Es war durchaus ein Turnier, bei dem die Deutschen einen guten Gesamteindruck hinterlassen haben.

Das war positiv:

Positiv war sicherlich der Teamgeist in Kombination mit dem Bundestrainer. Das kam wie eine Einheit rüber, es hat Spaß gemacht zuzuschauen. Über weite Strecken des Turniers hat mir die Abwehr mit dem Anführer Hendrik Pekeler, der mit seiner angeschlagenen Gesundheit (Achillessehne) ins Turnier gegangen ist, sehr gut gefallen.

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Wir haben ein gutes Torhüter-Gespann, Jogi Bitter hat seine Aufgabe herausragend gelöst. Allerdings hat Andy Wolff sicherlich noch Steigerungspotenzial und wird nicht ganz zufrieden mit seiner Turnierleistung sein.

All-Star-Team mit Pekeler und Duvnjak

Besondere Ehre für Hendrik Pekeler: Der Kreisläufer des THW Kiel ist bei der Handball-EM als bester Abwehrspieler ausgezeichnet worden.

Wir haben emotional Reaktion und Herz gezeigt, dass hat mir sehr gut gefallen. Klar, die Vorrunde war nicht gut, inklusive eines Spiels gegen Spanien, dass wir sehr deutlich verloren haben, da hatten wir einfach gar keine Chance. Aber wir haben uns in der Hauptrunde extrem gesteigert und eine tolle Entwicklung mit gutem Handball gezeigt.

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Das können wir noch besser:

Unsere Steigerungsmöglichkeiten liegen im Rückraum. Ich hoffe, dass sich unsere Rückraumspieler in der Liga wieder mehr Selbstvertrauen holen. Die Mentalität, der Hunger, der Siegeswille und das Selbstvertrauen müssen wieder zurückkehren. Bei Philipp Weber habe ich eine Entwicklung gesehen, er hat die Spielsteuerung gut übernommen. Aber von Spielern wie Paul Drux, Kai Häfner, Fabian Böhm und Julius Kühn erwarte ich mehr. Sie müssen ihre Erfolgsquote und ihr Selbstvertrauen noch auf ein höheres Niveau bringen, um dann mit mehr Selbstsicherheit in die Qualifikationsspiele zu gehen.

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Stefan Kretzschmar spricht in seiner Kolumne über die spannendsten Themen aus der Welt des Handballs.

Die gesetzten Ziele wurden leider nicht erreicht, aber die Mannschaft hat bewiesen, dass diese zurecht so hochgesteckt wurden. Prokop hat seinen Jungs, trotz der vielen Ausfälle, vertraut. Ich finde es gut, dass man die Ziele nach den ganzen Absagen nicht korrigiert hat. Nur weil man im Falle einer Niederlage das besser hätte rechtfertigen können, das ist Quatsch. Wir reden über ein Tor gegen Kroatien, wenn wir das Spiel gewinnen, was absolut im Bereich des Möglichen war, dann sprechen wir heute über etwas ganz anderes.

Norwegen hatte ein ähnliches Schicksal wie wir gegen Kroatien. Macht Julius Kühn einen seiner vier Würfe rein, dann schlagen wir Kroatien. Hätte Göran Johannessen im Halbfinale nicht den Innenpfosten 20 Sekunden vor Schluss getroffen, dann wäre Norwegen im Finale. So nahe liegen Misserfolg und Erfolg beieinander.

Fünf Lichtblicke bei der EM

Handball-EM: Die positiven Eindrücke der DHB-Auswahl bei der EHF EURO 2020.

Wer hat überzeugt, überrascht und enttäuscht?

Bei dieser EM gab es sicherlich einige Überraschungen, vor allem das frühe Ausscheiden der beiden Favoriten Dänemark und Frankreich. Von Schweden und Russland bin ich enttäuscht. Dafür haben mich Slowenien und Portugal überzeugt - nicht nur von der Platzierung, sondern auch von der Art und Weise, wie sie Handball spielen. Auch die Isländer haben mit ihrem Auftaktsieg (31:30) gegen Dänemark überrascht, sowie Ungarn.

Nach diesem Turnier gibt es elf Mannschaften in Europa, die um Medaillen spielen können, weil sie qualitativ so gut sind. Deswegen ist es auch immer dieses Quäntchen Glück oder Kleinigkeiten, die in dieser Spitze über Sieg oder Niederlage ausschlaggebend sind.

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Ordentliche Duftmarke

Aber man hat auch gesehen, dass gute Torhüter beim Handball entscheidend sind. Es ist wichtig, da eine absolute Koryphäe drinstehen zu haben. Bei den Deutschen haben neben Bitter auch Kastening und Weber überzeugt, aber auch der Innenblock mit Pekeler und Wiencek sowie der nachgerückte Golla, der da nochmals Energie mit reingebracht hat.

Aber auch einige Stars wie Sagosen, Duvnjak und Karacic, sowie die erfahrenen Spanier wie Canellas, Entrerrios und Sarmiento haben überzeugt. Es gibt einige, die ein sehr ordentliches Turnier gespielt haben und eine ordentliche Duftmarke hinterlassen haben.