Kastening und Bitter überzeugen - Fünf Lichtblicke bei der EM
26.01.2020 | 13:48 Uhr
Die EHF EURO 2020 ist kurz vor der Zielgeraden. Am Wochenende entscheidet sich, wer die begehrte Trophäe in die Höhe stemmen darf. Auch das DHB-Team muss nochmal ran - im Spiel um Platz fünf. Trotz verpasstem Halbfinale bleiben positive Eindrücke.
Die deutsche Nationalmannschaft hat die Hauptrunde versöhnlich beendet, obwohl die Jungs von Christian Prokop beim 26:22 (13:10)-Sieg gegen die Tschechen erneut keine Glanzleistung zeigten. Während des gesamten Turniers hat die DHB-Auswahl verschiedene Gesichter gezeigt - nicht jedes davon war schlecht.
Doch welche positiven Eindrücke bleiben nach der kräftezehrenden EM in Norwegen, Österreich und Schweden? Wir haben unsere fünf Lichtblicke der Deutschen bei der EHF EURO 2020 zusammengestellt:
Bei den Deutschen stach vor allem einer immer wieder hervor: der 24-jährige Rechtsaußen Timo Kastening. Als er in Prokops Kader berufen wurde, hatte ihn noch niemand so richtig auf dem Zettel. Der Bundestrainer selbst hat in einer Auszeit sogar seinen Namen vergessen. Doch nach dieser EM werden sich viele nur zu gut an diesen erinnern.
Mit seiner Leichtigkeit und seinem Spielwitz hat er sich auf natürlichem Wege zum Shootingstar gemausert. Mit 26 Treffern bei 30 Versuchen und einer überragenden Quote von 86 Prozent hat er sich bei seinem ersten großen Turnier direkt ins Rampenlicht gespielt.
Kastening war aber nicht nur "Mister Zuverlässig", sondern auch ein frecher Balldieb. "Der Timo schleicht sich da unten immer von 1,50 Meter irgendwo raus und klaut dann den Ball. Das macht er überragend", lobte ihn Kapitän Uwe Gensheimer. Gegen Weißrussland wurde Kastening zum "Man of the Match" gewählt - für uns ist er definitiv die deutsche Turnier-Entdeckung.
Johannes "Jogi" Bitter wurde zweimal zum "Man of the Match" gewählt - diese Auszeichnungen sprechen für sich. Mit seinen herausragenden Leistungen gegen Österreich (15 Paraden bei 13 Gegentoren, Fangquote: 54 Prozent) und Tschechien (12 Paraden bei 22 Gegentoren, Fangquote: 36 Prozent) ist sein Comeback ins Nationalteam mehr als gelungen. Und das obwohl der Weltmeister von 2007 die Nummer 2 hinter Andreas Wolff ist. Dennoch harmoniert das Duo hervorragend. "Andi und ich haben Werbung für uns als Team gemacht", meinte Bitter auf die Nachfrage, ob sein Comeback in die Verlängerung bis hin zur Olympia-Teilnahme ginge.
Auch Abseits des Feldes war Bitter eine wichtige Personalie für Prokop. Als Motivator, Kümmerer und absoluter Teamplayer "hat er seine Rolle perfekt ausgefüllt", meinte der Coach. "Er hat in jeder Mannschaftssitzung seine Meinung gesagt, gibt den jungen Spielern ganz viel Rückhalt, steckt mit neue Ziele und verkörpert diese auch. Und dazu die sportliche Leistung. Fantastisch."
Lässt man mal die Vorrunde in Trondheim und vor allem das Spiel gegen Spanien außen vor, so haben die Deutschen eine gute Abwehrleistung gezeigt. Im Spiel gegen Weißrussland kam die Wende: Das Spezialisten-Duo Pekeler und Wiencek funktionierte. Der eine griff beherzt zu, der andere schmetterte Würfe ins Aus - mit diesen Szenen sorgten sie wieder für Stabilität und Begeisterung. Auch der für Marian Michalczik in den Kader gerückte Johannes Golla machte in seinen Minuten seine Sache in der Defensive ordentlich.
In der Hauptrunde haben nahezu alle Spieler den entscheidenden Schritt mehr gemacht, sodass dann auch die Gegenspieler und vor allem der Rückraum besser attackiert werden konnten. Prokop schwärmte zudem von "ganz viel Einsatz in der Tempoverhinderung". So hat sich Handball-Deutschland die Abwehr vorgestellt.
Die letzten Tage waren für den Bundestrainer sicherlich nicht einfach. Quasi nach jedem Spiel kam die Frage - ob er der Richtige sei - auf. Der ehemalige Welthandballer Daniel Stephan kritisierte ihn scharf in den Medien, auch Ex-Weltmeister Christian "Blacky" Schwarzer äußerte sich negativ zu Prokop und seiner Arbeit.
Aber seine Jungs halten zu ihm: "Die Gemeinschaft zwischen Mannschaft und Trainer steht, egal was passiert. Wir sind perfekt vorbereitet worden. Für uns stellt sich überhaupt keine Trainerfrage, null", so Bitter. Am Dienstag sprach dann auch der DHB Prokop eine Jobgarantie zu. Die Diskussion um den Bundestrainer kühlt damit sicherlich etwas ab, beendet ist sie aber wohl immer noch nicht.
Die EM stand schon von Beginn an unter keinem guten Stern, immerhin sagten Leistungsträger wie Fabian Wiede, Steffen Weinhold und Martin Strobel kurzfristig ab. Zudem waren die jungen Hoffnungsträger Tim Suton, Simon Ernst und Franz Semper ebenfalls nicht einsatzfähig aufgrund von schwerwiegenden Verletzungen. Prokop reiste stattdessen mit Neulingen wie Kastening, David Schmidt und Patrick Zieker an. Dass Erstgenannter positiv überraschen konnte, wurde eingangs bereits thematisiert.
Allerdings konnten die etablierten Rückraumschützen Julius Kühn und Kai Häfner mit ihren Leistungen nicht immer überzeugen. Immerhin legte Philipp Weber in Sachen Selbstvertrauen im Laufe dieses Turniers einiges zu. Alles in allem hat die DHB-Auswahl das beste aus der Verletztensituation gemacht.
Wenn jetzt das Spiel um Platz fünf gegen Portugal (Samstag, 16 Uhr) noch gewonnen wird, kann man nach dem verpatzten Start am Ende doch noch von einem insgesamt ordentlichen Turnier sprechen. Damit war nach dem verpassten Halbfinale vor etwa einer Woche nicht mehr unbedingt zu rechnen.
Halbfinale 1 zwischen Norwegen- Kroatien 28:29 n.V.
Halbfinale 2 zwischen Spanien - Slowenien 34:32
Spiel um Platz 5 zwischen Deutschland - Portugal 29:27
Spiel um Platz 3 zwischen Norwegen - Slowenien (18:30 Uhr)
Finale zwischen Kroatien - Spanien (16:30)